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„Jo, warum fragen Sie mich dann erst, wenn Sie alles allein erledigen wollen?" „Aber, lieber Graf, das ist doch als reine Sportfache meine Angelegenheit als Sportwart." „Sehr richtig, hoher Herr Sportwart" — der Lange zog die Mundwinkel herunter —, „aber warum werde ich dann überhaupt gehört, wenn Sie alles besser wissen?" Der Kleine hätte sich ohrfeigen können, daß er gerade dieses Thema herausgegrisfen hatte, das offenbar nur zu neuen Differenzen führte. > „Ueberhaupt muß ich Ihnen sagen, daß Sie wie auch der Schatzmeister mich in der letzten Zeit viel zu wenig in formieren. Nur dann und wann höre ich etwas von der Sache, und gerade jetzt vor der Meisterschaft sollten Sie sich meinen erfahrenen Rat viel öfters zunutze machen, denn Sie müssen mir zugeben..." „Langer, verschiebe deine Vorstandsbelehrungen auf einen anderen Termin. Oder glaubst du, daß eS für uns Frauen sehr angenehm ist, das alles mit anzuhören?' „Du kannst ja schlafen gehen, wenn es dir nicht paßt, ich hindere dich nicht daran, und auch der Kleine wird ohne deine Fürsprache weiterkommen." Der Schwester war diese Wendung der Unterhaltung besonders unangenehm. Was ging es dem Kleinen an, daß sie sich für ihn verwandt hatte, und wie undelikat war es von dem Langen, sie beide in einem Atem zu nennen. Noch peinlicher war es dem Kleinen. Der fühlte sich plötzlich als Mittelpunkt einer Differenz zwischen den Ge schwistern, in der er nichts zu suchen hatte. Und so sagte er das Ungeschickteste, was er in diesem Augenblick sagen konnte: „Sie haben recht, Komtesse, es muß Sie ja langweilen, wenn wir unsere Vorstandssachen hier erledigen." „Aber dazu sind Sie ja hergekommen." Das hatte boshaft geklungen und war vom Langen auch so gemeint. So versuchte die Schwester denn zu begütigen: „Nicht die Bobfragen und alles, was damit zusammen hängt, langweilt mich, im Gegenteil, als Bobsine inter essieren sie mich genau so wie Sie. Aber ich kann es nicht vertragen, daß der Lange hier Belehrungen losläßt, die die Gemütlichkeit stören.« „Darauf kommt es auch gar nicht an; und ich sagte dir schon einmal, daß du dich nicht aufhalten lassen solltest, wenn du müde bist." Die Schwester war aufgestanden. „Kleiner, Sie ent schuldigen mich, aber ich möchte Sie nicht gern zum Zeu gen eines Geschwisterstreites machen, der für Sie nichts Erfreuliches haben kann." Die Herren hatten sich gleichfalls erhoben, und auch die alte Dame richtete sich auf. Der Kleine war vollständig verwirrt. Das also war der Erfolg seiner Worte. Nicht genug, daß er den Langen erneut gereizt hatte, auch die Geschwister hatten sich ent zweit. Und nun ging auch noch die Schwester fort, ließ ihn allein mit dem Langen hier zurück, und nahm ihm die Freude, wenigstens in ihrer Nähe sitzen zu können, eine Freude, für die er willig die Anrempelcien des Lange» mit in Kauf genommen hätte. So überhörte er in seiner Aufregung das geflüsterte: „Lassen Sie sich nicht ärgern" -er Schwester und kam erst wieder zu sich, als die alte Dame und dicht hinter ihr die Schwester noch einmal am oberen Ende der Treppe auf- tauchten. Dann waren sie allein. Der Lange war schon wieder in seinen Stuhl versun ken, taute an seiner Zigarre, und blies dicke Wolken mit kräftigem Pusten in Richtung auf den Kamin. „Da wären wir ja nun glücklich allein I" Der Lange schob die Beine von sich und setzte sich so bequem wie möglich. Eine Weile döste er vor sich hin, dann drückte er auf den Klingelknopf neben dem Kamin, den er mit seinen langen Armen beauem erreichen konnte. Der Diener erschien. ... « „Bringen Sie mir ein paar Bullen Hausmarke und Len großen Kühler", und als dieser denAuftrag ausgeführt hatte, als der Schaumwein in den schlanken Kelchen moussierte, legte sich der Lange in seinen Sessel zurück. „Sekt schmeckt am besten, wenn ihn zwei Männer allein trinken. Weiber verlangen beim Sekt Liebe und Fröhlich keit. Männer genießen ihn auch, wenn sie dabei den Schnabel halten." „Ich bin zwar überhaupt kein Freund von Alkohol, aber ich finde, daß der Sekt doch am besten in der Gesell schaft von Frauen schmeckt, deren anregendes und ost so melodisches Geplauder erst die rechte Musik zum edlen Stoff gibt." „Nannten Sie die Art meiner Schwester vorhin melo disch ? Ich nicht. Jedenfalls bin ich froh, daß wir allein sind." „Und ich bedaure es um so lebhafter, daß die Damen schlafen gingen." „Jeder nach seinem Geschmack." Der Lange hob das Glas. „Na, denn Vrositl Auf die melodischen Töne kei fender Frauen I" „Ich trinke auf das Wohl der Damen dieses HauseS, insonderheit auf die Gesundheit Ihres Bobsinchensl" „Gott, wie feierlich! Fehlt nur noch dreifaches Bob heil, Boblied und allgemeines Aufstehen, und daS Stif tungsfest ist fertig." „Jeder nach seinem Geschmack." Diesmal war eS der Kleine, der es sagte, und eifrig fuhr er fort: „Der eine sieht die Welt so, der andere so." „Das ist meistens der Fall", warf der Lange da zwischen. „Sie mögen Ihre Erfahrungen mit Frauen haben, ich habe die meinigen. Wer von uns beiden seelisch den grö ßeren Gewinn davontrug, möchte ich nicht entschieden. Das Urteil, das der einzelne von uns über den Begriff .Frau' hat, ist der beste Beweis für den Typ .Frau', mit dem er sich im Leben bisher abgegeben hat. Ich denke da in erster Linie an meine liebe Mutter daheim und ihre gütige Art, dann aber auch an Ihre Schwester, deren Wesen dem meiner Mutter so ähnlich ist." Der Lange schwieg, ganz gegen seine sonstige Gewohn heit. Auch er mußte an seine Mutter denken. Die war doch aus ganz anderem Holz als die kleine, sicherlich dicke Kaufmannsfrau, mit der sich die Gedanken des Kleinen beschäftigten. Eine stolze Frau war sie gewesen, stolz in Haltung und Gebärde. Um die Kinder hatte sie sich wenig gekümmert. Dafür hatte man Personal gehalten. Sie hatte wohl auch keine Zeit gehabt für die Kinder, denn die gesellschaftlichen Verpflichtungen, denen sie sich ganz hingegeben hatte, mochten sie überaus stark in Anspruch genommen haben,