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Dresden, 9. Februar. Bei Ihr n Königs. Majestäten findet heute nachmittag um 5Uhr Tafel statt, an der auch Ihre Kaiserl. und König!. Hoheit die Frau Großherzogin von ToScana und Ihre König!. Hoheiten der Prinz Georg, Prinz Friedrich August und die Prinzessin Mathilde, sowie die dienst- habendcn Damen und Herren der Hofstaaten teil« nehmen. Dresden, 9. Februar. DaS am heutigen Tage zur Ausgabe gelangte 2. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes sür das Königreich Sachsen enthält: Verordnung, die Übertragung von Geschäften in Militärangelegenheiten an die Dresdner Amts- hauptmannschaflen beireffend; Bekanntmachung, die anderweite Abgrenzung der katholischen Pfarrbezirke Chemnitz, Zwickau und Annaberg betreffend; Bekannt machung, die Errichtung eines königlichen AichamteS in Leipzig betreffend; Bekanntmachung, die Vergütung der Naturalvervflegung der Truppen im Jahre 1893 betreffend; Bekanntmachung, Änderung in der Land- wehibezirkseintellung des XII. Armeecorps betreffend; Bekanntmachung, einen Nachtrag zu dem revidierten Statut für die Universität Leipzig betreffend. * Berlin, 8. Februar. Heute tagten die ver einigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen und darauf die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr. — Dem Kaiserl. Gesundheitsamt sind vom 6 bis 8. Februar mittags folgende Cholerafälle gemeldet worden: Regierungsbezirk Merseburg. In Nietleben am 4. und 5. d. M. je 1 Neuerkiankung, am 6. d. M. 2 Erkrankungen, 1 Todesfall, außerdem wurde in drei bisher als verdächtig bezeichneten Fällen Cholera nachträglich festgestellt. In Lettin l Erkrank ung — Regierungsbezirk Schleswig: In Altona 3 Erkrankungen. — Der noch sür diesen Monat zu erwartende Zu sammentritt einer europäischenSanitätSkonserenz in Dresden zur Beratung gemeinsam r Abwehrmatz- regeln gegen die Cholera wird mehrseitig auf die alleinige Initiative Österreich-Ungarns zurückgeführt. Demgegenüber stellt die „Post" fest, daß die Anregung zu der Konferenz von Deutschland, dessen einzelne Staaten darüber ein Einverständnis erzielt hatten, und von Österreich Ungarn aurgegangen ist. — Die Wahlprüsungskommission desReichS- tags hat heule die Wahl des Abgeordneten Ahl- wardt gegen die Stimmen der Deutschfreisinnigen für giltig erklärt. — Die am Dienstag abgeschlossene Sozialisten debatte im Reichstag giebt den „B. P. N" Anlaß zu solgenden Betrachtungen: Die mehrtägigen Verhandlung« > des Reichstages übe da» Programm und inkbesondere über den ssukunftsstart der Sozial demokratie haben nach dem Urteile aller Einsichtigen mit einer gänzlichen Niederlage der sozialdemokraiischen Parteiverireter geendet. Letztere verwickelten sich in dem Bestreben, eine un haltbare Stellung zu verteidigen, in logische Wideriprüche und Ungereimtheiten der stärksten Art und wurden von idren an GtyieSjchärse und Konsequenz weit überlegenen Gegnern aus eine Reihe von Armutszeugnissen festgenagelt, dcrrn gebgent- lich- «nsbeuiung den sozialdemokraii chen Führern noch manche schlimme Verlegenheiten bereiten dürste. Soweit kann man vom Standpunkte der gesunden Ver- nunst und einer praktischen Politik mit dem Ergebnisse der stattgehabten Auseinandersetzungen nur zusrieden sein. Wenn aber heißblütige Optimisten an diesen über die Sozialdemokraten ersochiencn geistigen Sieg weitgehende Hoffnungen knüpfen und, wie das auch in zahlreichen publizistischen Besprechungen der Reichetagsdebatlen geschieht, den Niedergang brr sozialdem» kratijchen Bewegung roraurjehen, so wird gegen eine so rosen- sarbene Betrachtungsweise doch vom «tandpunkte nüchterner, besonnener Be rteilunz der allgemeinen L>ge eindringlich ge warnt werden müssen. Wer selbst denki und selbst urteilt, be- durste der Aufklärung durch die bürgerparleilichen ReichStagS- redner nicht, um über den Widersinn der sozialbemokra ischen Lehren ins Reine zu kommen. Wer aber, wie der Anhang der Sozialdemokratie in den breiten Schichten der Arbeiterbevölker- ung, blindlings aus tue Worte der Führer schwört, wird durch die schlagendsten Widerlegungen des agitatorischen Unverstandes doch keines Besseren sich belehren lassen, sct on aus dem ein sachcn Grunde nicht, weil die Sozialdemokratie dafür gesorgt hat, daß ihre Leute nur soviel aus dem Inhalt der Debatten ersahren, als den Führern ratsam erscheint. Und daß letzteie ihrem Publikum reinen Wein einschänken, ihre eigene Nieder lage eingestehen sollten, wird selbst ter schwärmerischste Optimist nicht s.nnehmen. Übrigens ist nichts leichter, als die Probe aus daS Exempel zu machen. Der parteiosfizielle „Vorwärts" und desgleichen die gesamte sozialdemokratische Hetzpresse berichten über das Ergebnis der Reichslagsdebatte» in der bekannt'» tendenziösen EnlftellungSmanier, wonach tie Wisjenschastlichkeit und über- zeugende Mehrheit allein und ausschließlich aus Seiten der so zialdemokratischen Redner zu fi den waren, während die Redner der Gegenparteien über klägliche Verlegenheitsphrasen nicht hinauSgekvmme» seien. And. re Blätter aber liest der Arbeiter kaum, überbaupt liegt die Stärke der sozialdemokratische» Be- weanna nickt nach der w'ssenschaitlichen Seite, sondern in der . —— agilalorischen Bearbeitung d«r Mafien. Gegen den ungeheueren, durch gelegemttchen DerioriSmu» und sonstige Überredungskünste verüä kten Eu sluß de» genannten AgiiieienS in allen Brenn punkten des Arbeilerdaseiu», im Hause, in der Werkstatt und in der Fabrik, in der Slammdestillalion, in Aibettervrreinen, Fortbildungsschulen rc. kommt die sonnenklarste Auseinander- setzung der logitchen Unmöglichkeit de- sozialdemokratischen Za- kunsttstaateS schlechterdings nicht aus. DaS Hetzen und ganz besonders das Streike chüren sind die eigenttich-n Mafien der sozialdemokratiichen Füh er. Könnte man ihnen diese Mafien aus der Hand schlagen — dann allerdings ließe sich mit den Arbeitern in vernünftiger Weise reden. In 8 153 der Gewerbeordnungsnovelle batte die Regierung eine sür diesen Zweck tresflich gee gne'e W sse dargrboien, die R-ich-laqsmeh-hett aber Hal diese Waffe z-rbrochen, aus Grün den. welche m-t einer praktischen Auffassung der einschlägigen Verhältnisse recht wenig zu thun haben. — Im Reichstag wurde am Dienstag mit Be dauern darauf hingewiesen, daß die Zahl der Unfälle zugenommen habe, und daran die Be merkung geknüpft, daß auf dem Gebiete der Unfall verhütung die Berufsgenossenschasten zu wenig geleistet hätten. Dazu bemerken die „B. P. N": , Die Thaisache der Zunahme der Unsallanzahl kann nicht grleugi et werden. Im Jahre 1887 entfiele» bei den gewerb lichen BerusSgenofienschaiten aus 1000 versicherte Personen 4/4 Unfälle, 1888:4,35, 1889:4,71 , 1890 : 5,5 a und 1891 : 5,cs Unsäll'. Für 1892 liegen die enlfprechenden Zahlen noch nicht vor. Wenn jedoch die U.sache diefer Zu nahme in einer Nachlässigkeit der Berussgenossenschaften aus tem Gebiete der Untallverhütung gesucht wird, so ist eine solche Annahme grundfalsch. Wenn die Humanität nicht die Berussgenossenschasien zur weitesten Ausbildung der Unsall- verhüiung treffen würd', so würde es schon ihr finanzielles Interesse thun ES haben ja auck> bereits bi» aus wenige Au nahmen sämtliche Genösset schäften Ur sallverhütungSvor- fchristen <inge>ührt. Und baß die letzteren durchgreisend gestaltet sind, auch nicht bloß aus dem Papiere stehen, zeigt doch am besten der Ümstand, daß die Verhältniszahl der schweren Unsälle von ahr zu Jahr geradezu rapid abgenommen bat. Im Jahre 1887 machten die schweren, d. h. die Unsälle mir tödlichen Ausgange und mit der Folge einer dauernden Erwerbsunfähigkeit, noch 37,0 Proz. aller entichädigungcpslichug n Unfälle aus, 1888 : 27,8 'l roz., 1889: 25,9 Proz., 1890: 21,9 Proz und 891: 18,4 Proz Hierdurch wird die Wirkung der btiufSgenossenschaftUchen Un- sallrerhütungsbeftrebungen am besten zum Ausdruck gebracht. Die Zunahme der Gesamlunfallzahl hat die verschiedensten an deren Gründe. Zwei davon scheinen die wichtigsten zu fein; einmal der, daß die Arbeiter in den ersten Jahren nach dem JnSlebenireten der Unfallversicherung über die ihnen zusteh ndrn Enttchäd'gungSaniprüche nicht genau unterrichtet waren und die selben nicht so verfolgten, wie später, und sodann der, daß das ReichSveisichernngsamt und die Schiedsgerichte den Begriff „Be- lriebSunsall" mit den Jahren wphlwolle»der anSlegten. E» giebt aber noch eine ganze Anzahl anderer Gründe für die Zu nahme der Unfallzahl. So das immer mehr hervorirelende B streben verletzter Arbeiter, früher vorha iden gewesene Krank heiten aus einen Betriebsunfall zurückzufüdren, die V rschärs- unq der Kontrolle über die Anmeldung der Betriebsunfälle, der häufiger einlrelcnde Arbeitew chsel. die Stteiks der letzten Jahre, da« Außerachttassen der Unsallverhülungsvorschriften infolge des trachfenden Gefühls der S cheihei, welches den Arbeitern auS der Aussicht aus eventuelle Entschädigung erwächst, die Zunahme deS Maschinenbetriebes in einzelnen Berufszweigen so nament lich in der Seeschiffahrt, da« Eindringen ungelernter Arbeiter und auch irchnijch nicht vorgebildeier Arbeitgeber in BrrusS- zweige, welche eine besondere Vorbildung nöng machen und anderes mehr Man sollte meinen, d>ß die Menge und Schwere dieser Gründe genügte, um die Zunahme der Unsälle erklärlich erscheinen zu lasten. Die Brrussgenoffenschasten haben in der kurzen Zeit ihres Bestehens wahrlich sür die Unfalloerhütung soviel geihan, daß sie statt Anklagen vielmehr die größte An erkennung verdienen. Oldenburg, 8. Februar. Der Landtag ist gestern durch den Staatsminlster Jansen mit einer Rede er öffnet worden, in der es heißt: Lie außerordentliche Zufammenberusung des Landtags ist durch unvorhergesehene Bedürfnisse der Eifenbahnverwaltung veranlaßt, welche im wesentlichen in der seit dem Jahre 1890 eingetrelenen unerwarttten Steigerung deS Verleh-S auf den Oldenburgischen Bahnen ihrcn Grund haben. Zunächst Hal sich als nolw ndig hcrauSgesteüt, mit der in der Durchführung be griffenen Erneuerung des Oberbaues der Bahnen rascher und auf größeren Strecken vorzuqrhen, als nach Maßgabe der ver- fü barrn Mittel bis dahin in Aussicht genommen war Sodann haben die durch dieselben Ursachen beeinflußten Erfahrungen der letzt n Jahre zu der Erkenntnis geführt, daß eS geboten rr- fcheint, das in seinen Giundzügen vom Landtage bereits ge billigte Projekt eines Umbaue« des HauptbahnhosS in Olden burg fckon jetzt in erheblich weiterem Umsange in Anguss zu nehmen, als bei Beantragung der vom letzten ordentlichen Land tag zu dieiem Ende bewilligten Mitt l angenommen wurde. Beids Zwecke ersordern erhebliche Summen; indessen hoffen Se. König!. Hoheit der «roßherzog, daß die Bewilligung derselben Bedenken im Landtag um so weniger begegnen wiro, als durch diese Aufwendungen künftige Finanzperioden in entsprechendem Maße entlastet werden, und als die fina zielle Lage des olden burgischen Eisenbahnwesens noch wie vor als eine günstige be zeichnet werden dars. ,^1 Paris, 7. Februar. In dem heutigen Ministerrat unterhielt der Finanzminister Tirard feine Kollegen von dem Budgetentwurf für 1894, der binnen kurzem dem Parlament vorgelegt werden wird. Im wesentlichen soll derselbe dem Budget deS laufenden Jahres nachgebildet werden, und die Re gierung wird den Kammern Vorschlägen, die Aus ¬ führung der größeren finanziellen Reformen den im Herbste zu wählenden Abgeordneten anheimzugrben. Tirard gab zugleich Mitteilung von dem Steuer ertrage des verflossenen Monats Januar Derselbe blieb um 2 Millionen FrcS. hinter dem Voranschlag deS Budgets und um 60000 FrcS. hinter dem Er trage des vorjährigen Januar zurück. Die Zollein nahmen waren um 4 Millionen geringer, als die im Budget vorgesehenen. — Ter betr. Ausschuß deS Senats Hai gestern dem gegen Delahaye gerichteten MoniSschen Anträge auf Wunsch des Justizministers eine neue Fassung gegeben, die ihn nicht unbedeutend abschwächt Es ist wahrscheinlich, daß er in dieser Form durchgehen wird: „Art 1. Ein jeder, der öffentlich ein Verbrechen oder Vergehen denunziert und erklärt hat, er besitze Beweise oder Anzeicten des selben oder kenne die Urheber oder Mitschuldigen, ist gehalten, auf Verlangen des Untersuchungsrichters alles ihm Bekannte mitzuteilen. Art 2. Falls er sich weigert, auf die ihm vom Untersuchungsrichter vor- gelegten Fragen zu antworten, wird er mit 6 tägigem bis l jährigem Gefängnisse und mit einer Geldbuße von 100 bis 2000 Frcs. oder bloß mit einer dieser Strafen bestraft werden." Man glaubt, daß überdies die Zulassung mildernder Umstände in das Gesetz eingeführt werden wird. — — Eine neue Liga gegen die Schutzzolltarife bildet sich unter der Führung der Herren Loon Say, Aynard, Ehr. Roux, Poirrier u. s. w. Sie nennt sich „Liberaler Verband für die Freiheit des franzö- fischen Handels und der Arbeit." Ihr Generalsekretär Chailley Bert hat an alle Handelskammern und Syndi kate einen Aufruf geschickt, worin er den Zweck der Liga so kennzeichnet: „Wir beabsichtigen einen ent schiedenen Feldzug zu Gunsten der Handelsverträge mit Zulassung einer Verminderung unseres Mindest- tarifs, deren Beantragung im Parlament die Negierung sich Vorbehalten hat, um soviel wie möglich die Interessen unserer Industrie und unseres Ausfuhr handels zu wahren." Paris, 8. Februar. In der Deputiertenkammer waren heule die Tribünen überfüllt und unter den Abgeordneten herrschte lebhafte Bewegung. Zur Be ratung stand eine Interpellation des boulang stischen Abgeordneten Goussot bezüglich derjenigen Mit glieder des Parlaments, gegen welche gestern in der Panamaangelegenheit das gerichtliche Verfahren ein gestellt worden ist. Über den Verlauf der Sitzung entnehmen wir dem „B. T." folgenden lebendigen Bericht: Goussot erkläite, daß ihn von den Persönlichkeiten, gegen welche die Anklagekammcr die Einstellung des Lersabrens be schlossen habe, »ur Rouvier interessiere. ^Lärm.) Rouvier sei ja srüher Minister gcwejen; derselbe habe vor der Panama- enquetekemmiffion und in den Wandelgängcn der Kammer mit Emhüllunarn gedroht. (Verschiedene Stimmen rusen: „Portier- ktalsärl O Rouvier habe seltst zugegeben, daß er Geld von der Panamageievschast erhalten habe. Rouvier springt mit dem „Journal ossizie"." in der Han aus und proiesttert entrüstet in heftigen Worten. Die Rechte und die Boulangisten suchen durch großen Lärm RouvierS Stimme zu übertönen. Rouvier will aus der Bank heraus- treten, aber ein rhm besreundeter Deputierter hält ihn sest. Goussot bleibt dabei, daß Rouvier zugegeben habe, Geld erhalten zu haben, das Lurch Vermittelung dritter aus dem Panamakanal geflossen sei. Goussot erklärt, nach Artikel 6 der Versüssung seien die Minister verantwortlich. E« gäbe zwei Jurisdiktionen die der Panamaenq»elekommffsion und die der Geschworenen. Warum sorderte Rouvier nicht einen Ehren mann wie Andrieux (Gelächter) vor dir Geschworenen? Bndrieux wiederhole doch räglich die gegen Rouvier gerichtete An schuldigung. Da nun gegen Rouvier nicht prasgerichtlich vor gegangen werden solle, müsse derselbe aus andere Weise zur Rechenschaft gewgen werden. Wen» die Kammer kein Mittel sände, um Rouvier politisch zu brandmarken, so würde sich daS Land daran erinnern, dan Rouvier mit seinen Enthüllungen die Re gierung bedroht habe. Rouvier springt abermals auf und protestiert unter großem Lärm Goussot: Ich werde Ihnen Ihre eigenen Worte wiederholen, Hr. Rouvier, die Sie im Bureau geiprochen haben. Goussot verliest ein Aktenstück, wird aber soriwährend unterbrochen und bleibt meist unverständlich. Er schließt, er erwarte von der Regierung einen Akt der Gerechtigkrit und Ehrlichkeit. Juslizmiaister Bourgeois antwortete, er habe die Worte Gousjots mit grvßer Betrübnis vernommen. (Döroulöde ruft: , Lauterl") Bourgeois fährt sort: Seien Sie unbesorgt, ich werde sehr vernehmlich mit Ihnen reden. Ich hatte eine poli tische Debatte erwartet; statt dessen kommen Sie mit Angriffen und der Parlamentslribüne unwürdigen Schmähungen. (Lärm) Bou geois zur Rechten Wenn Sie die Absicht haben, Beleidig ungen und Schmähungen an mich zu richten, so ersuche ich Sie, diese anders zu sormuliercn. Gouffot hat gesagt, die Regierung habe sich durch gewisse Drohungen zur Einstellung deS Ver fahrens gegen Rouvier bestimmen lassen; ich weise diesen Schimps entrüstet zurück und verlange, daß d e Kammer ihn gebührend brandmarke. (Beisall.) Man hat die geiichtliche Entscheidung kritisiert, aber die Gerichte haben in voller llnabhängiokeit ge handelt Man hat gegen mich allerhand Verleumdungen a»?» gesprengt, ich habe lchweigen müssen. Heute verlange ich aber, daß jeder sich vor der Eruscheidung de» Erricht- beuge. Wan bat die Regierung gefragt, ob sie nicht «»dere Maßregeln geg-n die nicht unter Anklage gestellten Deputierten ergreifen könne. Die Rtgieiung hat alle» ptthan, wa- zu thun war. Ihre Au griffe sind nicht- al-Parte-manöver, zu denen ich nicht tie Hand dielen werde. Wenn ich vor der Kammer die Verantwo trug habe, so trag» ich diefilbe auch vor meinem Sewisstir, und da sagt mir, daß ich mrine Pflicht und nicht- al- meme Pflicht grthan habt Größt Beirr-ung tntsttht im Hause al- Cavaignae die Tribü,e besteigt. Seine Rede, direkt gegen Rouvier und F oquet gerichle», wird von stürmischen Beifallsausbrüchen der gesamten Kammer begleitet. Cavaignae führt au-, er glaube nicht, daß Ichan alles, wa» nö:ig, gesagt wo-dea sei; diejenigen, welche die Panawacampagne organisierten, hätten sich als Ver teidiger der öffentlichen Ehrlichkeit gebärdet Daraus sei die Liga eine Verichwöiun; deS Schweigens geworden. Zwei Tinge l eßen sich seststellea: ein Minister habe Geld erhallen, andererseits hätten inlernarionale Agenten eine schwer z i ver stehende Rolle in der inneren Politik Frankreich» gespielt. (Lebhafter Beifall) Man könne aber dafür nicht das Regime, sontern nur l ie Individuen verantwortlich machen. (Derou- lrde ruft: „Da» rst die Sprache eines ehrlichen Manne»!") Lavargnac: Man hat enorme Summen unter dem Vorwand illusorisäer Reklamen verteilt; sogenannte Syndikate wurden errichtet, um die Gelegter Ler großen Welt zu befrie digen. Diese Ausbeutung war schmachvoll. Eine Stimme link»: „DaS ist die Sprache eine» repu blikanischen Minister»I' Deroulede: „Sagen Sie lieber die eine» künftigen Präsidenten der Republik!" (Große Be wegung.) Cavaignae: Er zweifle nicht an dem guten Willen der Regierung aber die Resultate reichten nicht hin, um die öffent liche Meinung zu befriedigen (Stürm scher Beifall. Deroulede ruft: .Sie sprechen vernehmlicher als Hr Bourgeois!') Cavaignae: Man muß sich klar über gewisse Praktiken aussprechcn. von denen aus der Tribüne gesagt worden ist, daß sie eine jede Regierung notwendig brauche. Nein, e» kann für die lranzösi che Politik nicht unerläßlich sein, daß die Regie ung die Fonds d r finanziellen Gesellichasten überwacht. Warum hat da» Land sich stets sür die Republik ausgesprochen ? Werl sie darin die Regierung der Pflicht und Gerechtigkeit gesehen hat! Tas Land dars nicht sagen, daß es sich geläuschi Habel rMinuirnlanger siürmrscher Beisall. Bon allen Seiten strecken sich Cavaignae Hände entgegen, auch Ribot gratuliert ihm) Cavaignae bringt folgende Tagesordnung ern: Die Kammer ist entschlossen, die Regierung bei der Versolgung aller Bestechungsakte zu unterstützen; sie ist entschlossen, die W cder- holung gewrsser RegierungSpraltiken seiner nicht zu dulden, und geht »ur Tagesordnung üoer. Deroulede: Alles. waS zur Ehre Frankreichs und der Republik zu segen war, ist gesagt. Ich verzichte aus das Wort! Ministerpräsident Ribot beginrt mit der Erklärung daß er nicht glaube, die Rede seines Freunde- Cavaignae solle ein an die Regierung gerichteter Vorwurf sein; die Regierung habe ihre Schuldigkeit gethan; von den Gerichten seien verschiedene Dinge erledigt, betreff- anderer schwebe noch das Verfahren. Die Regierung wüniche ebenso sehr wie Cavaignae, daß alles ausgelläit werde. Die Regierung wünsche, wie Cavaignae, voll s Licht, um die durch die Gegner der Republik verbreiteten Legenden zu zerstören; sie habe nichts verabsäumt, um Ger ch- tigkeit zu üben und Licht zu schaffen; wenn Arton den Nach- sorschungen entgangen sei, so liege die» nicht an einem Ver- sehen der Regierung. Wären die ausgesprengten Eeiüchte nicht lediglich Manöver, so würde man eine förmliche Anklage von der Tribüne der Kammer aus erhoben haben Wie der Depu- lirrte Canaignac holte auch er sür notwendig, die finanzielle Macht bei allen Staaishandlungen abzuschwächcn. Dir Re gierung sei gern bereit, zu prüsen, welche Maßregeln zu er- greisen seien; gegenwärtig handele es sich jedoch nur darum, die bestehenden Gesetze in Anwendung zu dringen und das un- abhängige und souveräne Wa len dec Gerechiigkeit zu sichern. Er nehme die Tagesordnung Cavaignae« an. Dechanel vom lirken Zentrum äußert Bedenken darüber, was eintr ten würde wenn die Kammer nicht mehr tage und während deS Wahlkampfes jede Verleumdung ungestraft auS- g-lprochen weiden könne; er verlangt Maßregeln dagegen. Hierauf wird die Tagesordnung Cavaignacs mit 449 gegen 3 Stimmen angenommen. Für dieselbe summen viele Mitglieder der Rechten. Andere enthalten sich der Abstimmung. Der Boulangist Richard brachte sodann einen Gesetzentwurf ein, nach welchem die Regierung der Panamagesellschaft die von Rouvier entliehenen und nicht zmückgegebenen 50000 Frcs. zurückerstatten solle; die Regierung könne sich ja dann an Rouvier halten. Die Dringlichkeit des Entwurfs wird angenommen. Schon will Rou vier die Tribüne besteigen, als die unmittelbare Be ratung abgelehnt wird. Zuletzt wird mit 370 gegen 102 Stimmen ein Antrag angenommen, nach welchem die Rede Cavaignacs in ganz Frankreich öffentlich durch Maueranschläge verbreitet werden soll Dieser Beschluß der Kammer beweist, welchen großen Ein druck das h?utige Auftreten Cavaignacs gemacht hat In den Wandelgängen der Kammer herrschte lebhafte Bewegung. Cavaignacs Eingreifen in die Debatte wird als bedeutsames Ereignis angesehen. Cavaignac gilt als „der Retter der Republik." Zugleich hieß er, Bourgeois habe die Absicht geäußert, seine Entlassung zu geben, sei jedoch auf Bitten seiner Freunde davon zurückgekommen. * London, 8. Februar. Die englische Regierung ist entscl lossen, die Adreßdebatte am Freitag durch Baron Ragotz nahm Herrn v. Eytzing wieder unter den Arm: „Sie sind nicht engagiert?" „Nein, das Tanzen ist nicht gerade meine Leiden schaft." „Gut, so sehen wir einmal ins Rauchzimmer hin über; ich sehne mich nach einer Cigarre." Auf halbem Wege wurden die beiden vom RegimentSkommandantcn aufgehalten: „Baron Ragotz, ich suche cinen Vierten zum Whist: hätten Sie nicht Lust?" Der Befragte blick:e unschlüssig aus Eytzing. „Ich bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten", sagte dieser. „Ich werde ein wenig zusehen und dann —" „Wir können ja mit einem König spielen", meinte der Oberst. „Nein, ich danke bestens; ich ziehe vor, den Kiebitz zu machen und dann ein wenig ins Rauchzimmer plaudern zu gehen." „Sie werden genug Gesellschaft drüben finden; einige von meinen Herren haben das Tanzen auf gegeben und finden mehr Vergnügen daran, alte Re- mimScenzen bei einem Glase Wein und einer Cigarre aufzufrischen. Thun Sie mir aber den Gefallen, wenn die Jungen hinüberkommen, denselben die Thür zu weisen; eS ist gerade kein Überfluß an Tänzern vor handen und Gräfin Sallern hat mir gegenüber bereits die Bemerkung gemacht, daß die Dragoner den Husaren an Ausdauer nachsiänden." „Hat Gräfin Sallern zu bemerken geruht?" ver setzte Eytzing lachend. „Da dürfte wohl ein besonderer Grund vorliegen " „Freilich, sie hat einen kleinen Schützling mit- gebracht, eine entfernte Nichte, ein echtes Backfischchen, und da sich noch immer kein Tänzer findet, der den Kotillon frei hätte —" „Der Mann ist gefunden!" untecbrach Eytzing, „der armen Kleinen soll geholfen werden," und ereilte davon, um zum Retter in der Not zu werden. „Ein ganz charmanter Mann!" sagte der Baron zum Oberst. „Immer dienstbereit und gefällig." „Ja, ein sehr liebenswürdiger Mensch," bestätigte der Andere. „Er versteht cs, sich im Nu Freunde zu machen." Nachdem Eytzing von der Gräfin ein paar sehr freundliche Phrasen geerntet und der errötenden Sech zehnjährigen einige scherzhafte ermunternde Worte zu- geflüstert halte, begab er sich in daS Rauchzimmer, woselbst ein halbes Dutzend älterer Offiziere um einen runden Tisch versammelt saß. Am Kamin lehnte ein jüngerer Mann, Oberlieutenant Cloßmann, der ver drießlich vor sich hinftarrte und von Zeit zu Zeit die Asche seiner Cigarette auf das Gesims schnellte. „Nun, Herr Oberlieutcnant waS ists mi: Ihnen?" frug Eytzing, der ihn bereits ziemlich genau kannte. „Sie scheinen die festliche Laune der übrigen nicht zu teilen." „Pah, festliche Laune! Ist alles erkünstelt!" lautete die ä gerliche Antwort. „Wie kann ein Mensch am Herumwirbeln wirkliches Vergnügen finden? Ich finde ein schneidiges Makao oder Landsknecht viel unterhaltender." „Alles zu seiner Zeit. Geduld übrigen-; gegen Ende des BalleS werden die Kräf:e schon nachlassen und dann wollen wir trachten, eine Partie zu stände zu bringen." „Gut, daß Sie da sind, Herr v. Eytzing!" rief einer aus der Tafelrunde herüber. „Wir sprachen eben von Ihrem Rapphengste, und ich wettete, daß er am linken Vordersätze ein weißes Zeichen habe, während mein Kamerad HolmerS behauptete, eS sei der rechte." „Was gilt die Wette?" srug Eytzing nähertretend und sich auf einen Stuhl niederlassend, den ihm einer der Herren zuschob. „Eine Flasche Champagner." „Dann bedaure ich, die Wette null erklären zu müssen, denn das bewußte Zeichen befindet sich an beiden Hinterfüßen. Was übrigens nicht hindert, daß ich mir das Vergnügen auSbiite, ein paar Flaschen mit Ihnen zu lceren," und er klingelte dem Kellner, nm Champagner zu bestellen. Das Gespräch drehte sich eine Zeitlang um Pferde, dann ging man auf den Ball über, um die An wesenden einer eingehenden Besprechung zu unter ziehen „Die Schönste von allen ist und bleibt doch Ba ronesse Ragotz!" rief eincr der Zecher. „Das ist heute allerdings nicht zu leugnen," er griff rin ältlicher Rittmeister das Wort. „AVer ich habe eine Knospe entdeckt die, einmal aufgeblüht, ihr das Feld streitig machen wird " „So? Ist mir nicht ausgefallen," versetzte ein Dritter. (F-ris solgt.) Opernmufik. Im Krcllschen Theater zu Berlin hat eine unter Hrn. Miranda'S Leitung gastierende Französische Operngesellschaft mit der Aufführ ung von Gounod'S „Mireille" ein sehr glück liches Debüt gegeben, sowohl durch die Wahl des in Deutschland unbekannten Werkes als auch durch die Frische und Feinheit ihrer Darstellung. „Mireille" ist zwischen der „Königin von Saba" un) „Romeo und Julie" entstanden und imMärz 1864 zum ersten Male im Theütre lyrique dem Pariser Publikum vorgeführt worden. Die Aufnahme der Oper war nicht enthusiastisch, aber doch sehr beifällig; was an „Mireille" gefiel, war lediglich die Musik, denn da» Textbuch erwies sich als eins der unglücklichsten, arm an dramatischer Spannung und ohne logischen Zu sammenhang in der geschilderten bäuerlichen Idylle Auf die vielen und großen Schönheiten in der Musil hat schon vor längerer Zeit Ed. Hanslick aufmerksam gemacht; er meinte auch, daß „Mireille" durch eine geichrckte Textumarbeit für Deutschland wohl zu rctten sei und daß vieles darin gerade deutsche Zuhörer lebhaft anmuten werde. Die Musik besitzt, wie ge sagt, ganz reizende Stellen, die zum großen Teil den glücklichsten Inspirationen Gounod» beizuzählen sind So ist die ganze Introduktion ^Chöre der Mädchen bei der Maulbeerernte) sehr frisch und anmutig, desgleichen das walzerartige kolorierte Lied der Mireille in U-clur, ein Seitenstück zu der Schmuckane im „Faust" und zu dem Walzer Juliens in „Romeo" Der zweite Akt enthält glücklich verwendete nationale Elemente, worunter besonders daS von Mireille und Vincent als Wechselgesang vorgetragene provencalische Volkslied Chanson de Magali von reizender Wirkung ist. Mit Effektkenntnis und seinem Geschick ist dar Finale gestaltet. Der dritte Akt schildert die St. Medordut nacht und ei weist sich als mißraten in der Ausführung. (In Berlin hat man ihn, zumal er für die Handlung ganz unwesentlich ist, passender Weise