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Beilage zur Weitzeritz-Zellung Ui. 189 Montag, am 16. August 1926 92. Jahrganz — ^s», > > «MM» , Chronik des Tages. — Die Hamburg-Amerita-Linie hatte gegen 20V Ver treter der Presse zu einer Fahrt von Hamburg nach Cux haven elngeladcn. — Reichskanzler Dr. Marx hat an Admiral Behnke zum 00. Geburtstag ein Glückwunschschreiben gesandt. — Die Pariser Verhandlungen wegen eines west europäischen Eisenblocks haben zu einer Einigung zwischen den Industriellen geführt. — Der französische Handelsminister Bvkanowski hat die Gründung eines „technischen Ernährungskomitecs" verfügt. -- An Brünn kam es zu heftigen Ausschreitungen der Kommunisten. Der Faschismus in Prag. Der tschechoslowakische General Gajda hat in der letzten Zeit viel von sich reden gemacht. Aufsehen er regend und zugleich humorvoll ist die jetzt verbreitete Prager Meldung. Da er nicht auf seine militärische Ltellung verzichten wollte, holte man ihn iu seiner Wohnung ab und brachte ihn vor den Militärarzt, der feststellte, daß der General körperlich und geistig für den Militärdienst „nn tauglich" sei, also auf deutsch: d. u. Das Verfahren, das sonst noch gegen ihn schwebt, ist noch nicht abgeschlossen. Der tschechische Generalstabschef Gajda ist sozusagen der Mittelpunkt in der Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links. Die faschistische Bewegung hat bekanntlich in den Staaten, die durch den Versailler Vertrag entstanden sind, eine ständig zunehmende Be deutung gewonnen, daß man an ihr nicht mehr vor- nbergehen kann. Sie spielt vornehmlich in der Tschecho- Slowakei eine sehr beachtliche Nolle, wo sie in der Pro paganda der Tschechischen Bewegung in der Zeit vor und mährend des Krieges einen sehr günstigen Boden fand, so daß es für sie nur des italienische» Vorbildes bedurfte, um auch in diesem Staate feste Wurzeln zu schlagen. Dazu kam noch der Umstand, daß in der Tschecho-Slowakei das Nationalproblem eine wesentliche Komplizierung, abgesehen von den dreiein halb Millionen Deutschen, durch den Dualismus zwischen Tschechen und Slowaken erfuhr, ein Problem, das die heutigen Machthaber in der Tschecho-Slowakei bisher in keiner Weise zu meistern imstande waren, wo mit naturgemäß die Schwierigkeiten in der tschechi schen Innenpolitik und die stündig ungeklärten Mehr heitsverhältnisse im Parlament Zusammenhängen. Die Aktivität der faschistischen Verbände geht augenblicklich dahin, eine Verschmelzung mit den Legionärs- und So kol-Organisationen zu erreichen, eine Bewegung, der die tschechische Negierung überwiegend freundlich ge genübersteht. Ja, sie wird von der Negierung unter Ser Hand soweit unterstützt, wie das im Augenblick überhaupt nur möglich ist: und da ist es verständlich, Laß die Gegenwirkung nicht ausbleibt: die Kommu nisten fordern gleichfalls in aller Öffentlichkeit die deutsch-böhmischen Sozialdemokraten zu einer gemein schaftlichen Bildung von Arbeiterwehren zur angeb lichen Abwehr der Ncchtsdiktatur auf. Die im vergan genen Monat erfolgte plötzliche Beurlaubung GajdaS und die durch sie hervorgerufene Sensation haben ein gesteigertes Interesse für die Vorgänge im tschechischen Heere hervorgerufen. Es dürfte jetzt so gut wie fest stehen, daß die iu der Öffentlichkeit erwähnten Vor würfe gegen die Tätigkeit des Generalstabschefs nicht den Kern der Sache treffen. Nicht seine angebliche Spionage für die Sowjetregierung während seines Pa riser Aufenthaltes im Jahre 1920, auch nicht sein Kon flikt mit dem Kriegsminister Sirovy in der Frage der Dienstzeit, sondern rein innerpolitische Gründe sind für die Entfernung Gajdas maßgeblich gewesen. Die Demission Gajdas ist als eine Auswirkung der Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten Masaryk und dem Führer der faschistischen Verbände. Kramarsch, in der Frage der Entpolitisierung des tschechischen Heeres anzusehen. Während der Präsident Masaryk die Möglichkeit, die Armee von parteipoli tischen Zersetzungen frei zu halten, nur dann als gege ben ansieht, wenn sie bei völliger parteipolitischer Neu tralität erfolgt, geht die Forderung Kramarschs dahin, eine Entpolitisierung durch Erziehung der Wehrmacht im streng nationalen Sinne zu erreichen. Es heißt nun, der beurlaubte Gencralstabschef hätte sich diesen Standpunkt des faschistischen Führers zueigen gemacht, und im Lager des Präsidenten Masaryk soll man in dieser Tatsache eine Gefahr für den Bestand des par lamentarischen Regimes überhaupt gesehen haben. Daß diese Differenzen mit der Beseitigung des Gene- ralstabschefs Gajda bisher noch in keiner Weise besei tigt sind, sondern im Gegenteil nach wie vor weiter be stehen, geht auch ans dem Streit hervor, der zwischen dem tschechischen Kriegsministerium nnd dem Finanz ministerium über den Ausbau der Wehrmacht entstan den ist. Wenn es auch in der Frage der Dienstzeit zwischen den Regierungsparteien im letzten Augenblick zu eine: vorläufigen Einigung gekommen ist, die eine Herab setzung der Dienstzeit auf 14 Monate vorsieht, so ist dock dabei eine ganze Reihe von erheblichen Wünschen bei militärischen Stellen berücksichtigt worden. Unter an derem ist es den Militärkreisen gelungen, eine Fest setznng des Fricdensstandes auf 120 ouo Mann unk eine strenge militärische Ausbildung der Jugend als Ersatz für die Verkürzung der aktiven Dienstzeit zu erreichen. Politische Rundschau. — Berlin, den 16. August 1926. — Reichskanzler Dr. Marr Wrack Admiral Reknko aus Anlaß der Vollendung seines 60. Lebensjahres telegra phisch seine Glückwünsche aus. — Reichsinnemniuister Dr. Külz hat, wie jetzt ver lautet, eiueu Entwurf zum Reichsschulgesetz fertiggestellt. — Der Reichsfinauzmiuister Plant eine wesentliche Ver einfachung der Reichsftnanzverwaltung. — Der Reichstagsabgeordnete Wallraf hat an den Reichskanzler folgendes Telegramm gerichtet: „Nach neuesten Pressemeldungen soll Entscheidung des Reichskabiuetts über Neichsehrenmal unmittelbar bevorstehen. Ich bitte Sie, Herr Reichskanzler, diese Entscheidung nicht ohne Mitwirkung des Reichstages zn treffen, da die große Bedeutung der Frage für das gesamte deutsche Volk schon allein eine Mitwirkung der deutschen Volksvertretung erheischt." — Mit einer Sitzung des preußischen Handwerks kammertages wurde am 12. August die diesjährige 26. Tagung des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages in Königsberg eröffnet. — Der Gewerkschaftsausschuß für die besetzten Ge biete hat an Dr. Bell ein Schreiben gerichtet, worin betont wird, daß die Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot in den besetzten Gebieten einen besorgniserregenden Stand er reicht hätten. -t- :: Gegenseitige Begnadigung. In der Donnerstag- Sitzung des Reichskabinetts hat die Regierung ihre Zustimmung zu einem Beguadigungsakt gegeben, der den seinerzeit in Leipzig zum Tode verurteilten und dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigten russi schen Kommunisten Skobelewski aus dem Reichsgebiet ausweisen wird. Dieser Begnadigungsakt wird auf russischer Seite dadurch erwidert werden, daß 14 Deutsche, die im vergangenen Jahre in Moskau abge urteilt worden sind, darunter auch die beiden deutschen Studenten Kindermann und Wolscht, nunmehr frei gegeben werden. :: Die Wahl des Generaldirektors der Reichsbahn ist in der letzten Sitzung des Reichskabinetts wohl be raten worden, doch ist hinsichtlich der Bestätigung dieser Wahl noch keine Entscheidung getroffen, weil die von der Regierung gewünschte Sicherheit einer künftigen Beteiligung der Reichsregierung an den Beschlüssen des Verwaltungsrats der Reichsbahn noch nicht er zielt ist. j :: Das Saargebiet bleibt deutsch. Landeshaupt mann Dr. Horion und Oberbürgermeister Dr. Ade nauer widmen dem Bund der Saarregierung aus An laß des Beginns der Kölner Tagung im „Saar-Freund" ein herzliches Geleitwort. Horion weist darauf hin, daß der Versailler Vertrag mitten durch das rheinische Wirtschaftsgebiet eine Grenzscheide gezogen habe ohne völkische, geographische und wirtschaftliche Grundlage, und daß diesseits und jenseits der Grenzpfähle mit Sorge und banger Erwartung der Stunde der Wieder vereinigung entgegengesehen werde. „In der Zwischen zeit", so erklärt Dr. Horion zum Schluß, „reichen wir uns über alle Grenzen hinweg die treudeutsche Hand und geloben, in gegenseitiger wirtschaftlicher und moralischer Unterstützung zusammenzustchen, auf daß bald wieder werde in alter Größe und Blüte eine . Rheinprovinz, ein preußisches Land, ein Deutsches Reich." Oberbürgermeister Dr. Adenauer gibt der Freude der deutschen Nation Ausdruck, daß die Be völkerung des Saargebietes unerschütterlich und unge beugten Mutes immer wieder mit allem Nachdruck einhellig ihr Deutschtum bekennt, und hofft, daß dein gegenwärtigen Zustand möglichst bald ein Ende bereitet , werde. - Rundschau im Auslände. ! Wie aus Danzig verlautet, find die in Pomme- rellen verhafteten Deutschen wieder .in Freiheit gesetzt worden. k Schweden wird hinsichtlich der Genfer Tagung des Völkerbundes im September seinen Standpunkt vom März beibehalten. Außer Deutschland soll keine andere Macht einen ständigen Rntssitz erhalten. * Die neue Regierung in Portugal hat die Absicht, sich durch alle möglichen neuen Verordnungen beliebt zu machen. So beabsichtigt sie die Einführung des Alkohol- Verbots. Ausgerechnet cm Lande des Portweins! » Im Dardancllengebiet sind fünf französische Spione, darunter zwei frühere Adjutanten des Generals Gouraud, verhaftet worden. Sie sollen in diesen Tagen abgeurtcilt werden. ? In den englischen Gewerkschaften herrscht über den - bevorstehenden Zusammenbruch des Bergarbciterstreiks große Bestürzung. Man rechnet mit einer großen AuStrittSvewe- znng aus den Gewerkschaften. * Kommunistische Straßeuschlacht iu Bri n». ! In Brünn sollte eine vertrauliche faschistische Ver- ,ammlung stattfinden, in der ein von den Kommunisten zu den Faschisten übergegangencr Redakteur sprechen sollte. Die Kommunisten entsandten 200 Anhänger in die Ver sammlung, die sich auf den Redakteur stürzten und ihn verprügelten. Auf der Straße entspann sich eine allgemeine Rauferei zwischen den Kommunisten und den Faschisten, die in eine direkte Schlacht ausartete. Es wurden sehr viele Personen verwundet. Mit Mühe konnte die Polizei . die Ordnung wiederherstellen und einige Kvmmnnisten ver haften. Der Schacher mit dem deutsche» Geld. T Wie aus Brüssel gemeldet wird, habe» die franzö sische und belgische Regierung ein Abkommen über die Re gelung der beiderseitigen Schulden getroffen. Belgien schul det Frankreich 3 IO Millionen Franken, die es nach dem Wassenstillstand als Vorschuß erhalten hat. Frankreich da gegen schuldet Belgien einen Teil der Einnahmen aus der Nnhrbesetznng. Die Vergleichung der beiderseitige» Kunte» ergibt eine Summe von >50 Millionen Franken zugunsten Belgiens. Durch das Abkommen, das in Brüssel getroffen wurde, v-r »lichtet sich Frankreich zur Zahlung dieser Summe ans dein :l der dritten Jahresleistung aus dem TawcS- Plan. s Der westliche EisenNock. Grundsätzliche Einigung in den Eisen il n d S tah lv e rh a n d l u n g en. Jin Laufe des Freitag haben die Pariser Bespre chungen der Stahlindustriellen Deutschlands, Frank reichs, Belgiens und Luxemburgs zu einer Einigung geführt. Die offizielle Mitteilung lautet: „Bei de» Berhandlnngc» zwischen Bertretern der Eisenindustrie von Belgien, Deutschland, Frankreich «uv Luxemburg, die am 12. und 1». Angust in Paris stattgefundeu haben, hat man endgültig die Bedingun gen festgesetzt, nach denen die luxemburgischen nnd lothringischen Kontingente nach Deutschland übernom men werden sollten, ebenso hat man sich über die Aussührungsvorschrifte» der internationalen Rohstahl- gemcinschaft verständigt." England ist den Verhandlungen bisher fernge blieben, doch ist es wenig wahrscheinlich, daß Etzgland die in Bildung begriffene Kombination bekämpfen wird, zumal es bereits dem Schienenkartcll an gehört. Dagegen ist die Rivalität Amerikas gewiß. Wie sehr diese Vermutung stimmt, geht aus einem Artikel des „New Mork Herald" hervor. Der Stahltrust zwi schen den vier kontinentalen Ländern müsse dem eng lischen und amerikanischen Ausfuhrhandel einen schwe ren Schlag zufügen und könne unter Umstünden Eng land und Amerika von Märkten wie Kanada, Japan und Südafrika vertreiben. Die Reaktion der Vereinig ten Staaten auf den Stahltrust sei noch nicht voll entwickelt. Die englischen interessierten Kreise meinen, daß der amerikanische Widerstand nicht erheblich werde, weil die deutschen Teilnehmer zum großen Teil durch amerikanisches Kapital finanziert würden. Die Ge fahr für Amerika bestehe darin, daß der kontinentale Trust auch England zu sich herüberziehe und so zu einer Weltorganisation werde, gegen die die amerika nischen Interessenten einen Kampf bis anfs Messer zu führen hätten. Gerichtssaal. Ei» großer Eisenbahuriiuberprvzrtz fand dieser Tage vor dem Gericht in Doemitz(Elbe) statt. Es han delte sich um jahrelang fortgesetzte Diebstähle und Be raubungen von Eisenbayngütern, die ins Ungemesfene gehen. Nicht weniger als 22 Angeklagte - Diebe und Hehler —, darunter Eisenüahnassistenten, Spediteure und Gewerbetreibende, haben sich zu verantworten. In unglaublich raffinierter Weise war von der Bande gearbeitet worden. So hatten die Spitzbuben z. B. eine ganze Wohnungseinrichtung an sich gebracht, desglei chen zwölf Tonnen Butter. Ununterbrochen dauerten die Diebstähle Jahre hindurch fort, ohne daß es ge lang, die Täter ausfindig zu machen. Die Urteils verkündung steht kurz bevor. Aus Stadt und Land. Nach voraufgegangene», Streit mit seiner Mutter stürzte sich ein junger Mensch in einem Hause der Bosestraße in Berlin aus dem zweiten Stock auf die Straße hinab. Er wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen nach dem Krankenhause gebracht. " Leichtfertigkeit mit den« Tode bezahlt. An der Ecke der Uork- und Möckernstraße in Berlin kam ein 32 Jahre alter Tischler, der auf einen in Fahrt befindlichen Straßenbahnwagen aufspringen wollte, zu Fall und geriet unter die Räder. Die Verletzungen waren so schwer, daß der Tod auf der Stelle eintrat. " Durch Wände und gepanzerte Türe»« bahnten sich mehrere Berliner Geldschrankknacker, die wäh rend einer der letzten Nächte in der Lindenstraße soge nannte „Serienarbeit" leisteten, anscheinend einen ziem lich mühelosen Weg. Auf Grund ihrer wohl jahrelan gen „Spezialkenninisse" überwältigten sie alle noch so schwierigen Hemmnisse mit einer geradezu verblüffen den Leichtigkeit. So knapperten sie in den Bureau räumen einer Gumminiederlage kunstgerecht einen großen Geldschrank auf, der erst kürzlich eine doppelte Panzerung erhalten hatte. Die Beute betrug hier rund 1600 Mark. Anschließend hieran besuchten die Verbrecher die Geschäftsräume einer Zigarrenhandlnng im ersten Stock des gleichen Hauses. Hier fanden sie jedoch nur wenige Mark. Zur Erfrischung tranken sie eine Flasche Likör aus und steckten auch noch 100 Zi garren und 1000 Zigaretten ein. Jetzt gingen sie seit wärts weiter und gelangten mit einem Wanddurchbruch in die Räume einer Sattlerwarenhandlung. Den Tä tern, die noch unermittelt sind, fielen hier einige hun dert Mark in die Hände. ** Tragisches Nngliick beim ttcbmigSschivimme». In der Militärbadeanstalt Berlin-Plötzensec wnrde letzter Tage ein Ucbnngsschwimmen abgehaltcn. Ein 21 Jahre alter Oberkanonier vom 5. Artillerieregr- ment, der als guter Schwimmer bekannt ist, versank plötzlich vor den Augen seiner Kameraden in den Flu ten. Er konnte nach kurzer Zeit geborgen werden, doch blieben längere Wiederbelebungsversuche der Feuerwehr ohne Erfolg. Wie von ärztlicher Seite festgestellt wurde, war der Tod durch Herzschlag eingetreten. Geknebelt »uv auf die Gleise geworfen. Nach einer Breslauer Meldung ist zwischen Lippine und Piasniki ein bestialischer Ueberfall auf einen Arbeiter verübt worden. Der 30jährige August Kitsch ans Lippine wurde von drei Banditen überfallen und, da er Widerstand leistete, furchtbar mißhandelt. Nachdem man den Ueberfallenen seiner Barschaft von 100 Zloty beraubt batte, knebelten ibn die Banditen und leate»