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-s I lüg U 8- L »r. reckt V. -ktlqr M MchMh Femm» Nr. 71 Donnerstag den 27 März l9l9 abends 88. Jahrgang s Kabinettsbildung in Preuße«. Nach acht Tage langen Verhandlungen zwischen den Fraktionen des Zentrums, der Demokraten und Sozialdemokraten in der preußischen LandeSversamm- luna ist die neue preußische Regierung von den drei genannten Parteien gebildet worden. Die neue preußische Regierung wird sich nach den bisherigen Feststellungen wie folgt zusammen- setzen: Ministerpräsident: Aba.-Kirsch (Soz.), NultuS: Abg. Haenisch (Soz.), Inneres: noch unbestimmt, voraussichtlich Avg. Heine (Soz.), Landwirtschaft: Abg. Braun (Soz.), Finanzen: Abg. Dr. Südekum (So-.), Ministerium für Volks-wohlfahrt: Abg. Steger- Wald (Zentr.), ! Ä W! Justiz: Abg. Dr. am Lehnhoff (Zentr.), Handel und Gewerbe: Abg. Fischbeck (Mm), Eisenbahnen: Abg. Oeser (Dem.), , Krieg: Oberst Reinhard. Die Sozialdemokraten beanspruchen demnach für sich fünf Sitze und zwar mit der Begründung, daß, wenn die bürgerlichen Parteien die Mehrhett im Ministerium hätten, die Gefahr für sre bestände, über- stimmt zu werden. Man hat sich daher aus eine gleichmäßige Verteilung der zehn Mintstersitze unter den drei Parteien geeinigt. Danach entstelen auf die Sozialdemokraten fünf Minister sitze, auf das Zen trum und die Demokraten je zwei, während das RriegSministertum den bürgerlichen Parteien -uge- rechnet wird. Außer den Ministerposten soll jede der Parteien einige Unterstaatssekretäre in den einzelnen Aem- tern erhalten. Das Zentrum wird je einen Unter- staatSsekretär im Kultusministerium und rm Land wirtschaftsministerium erhalten, die Demokraten einen Unterstaatssekretär im Kultusministerium und viel leicht auch einen im LandwirtschaftSministertum. Für das Zentrum kommt gegebenenfalls noch ein Mini sterialdirektor im Ministerium des Innern in Frage. Außerdem sollen für einzelne Ministerien noch Beiräte geschaffen werden, wie sie heute zum Heil bereits bestehen. Im Eisenbahnmintsterrum haben die Sozialdemokraten bereits einen solchen Beirat. Hier soll auch das Zentrum« einen Beirat erhalten, und zwar soll dieser Posten von einem Vertreter der christlichen Gewerkschaften besetzt werden; ebenso der Posten eines Beirats im Handelsministerium, worin die Sozialdemokraten in dem Abg. Hue bereits einen Betrat haben. ,7!^" Ohne Unabhängige Aus eine Anfrage der Mehrheitssozialisten über ihre ev. Teilnahme an der Kabinettsbildung haben die Unabhängigen folgende Forderungen ausgestellt: Sofortige Aufhebung des Belagerungszustandes und -te sofortige Freilassung aller politischen In haftierten. Einordnung des RäteshstemS in die Verfassung. Völlige Auflösung des alten Heeres und des durch Freiwilligenkorps gebildeten Söldnerheeres, Ent waffnung des Bürgertums. Sicherung aller durch die Revolution errunge nen politischen Freiheiten Trennung von Staat und Kirche. Vermeidung aller Maßnahmen,, die das kapita listische Wirtschaftssystem stützen.' Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung. Preußische Steuerzuschlage. Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die vor läufige Regelung des Staatshaushalts für das Rech nungsjahr 1919 tst der preußischen LandeSversamnt- lung zugegangen. Der Entwurf ermächtigt die Staats regierung bis zur gesetzlichen Feststellung des Staats haushaltsplanes für die Monate APrrl, Mai und Junt 1919 alle Ausgaben zu leisten, die zur Erhal tung gesetzlich bestehender Einrichtungen oder zur Durchführung gesetzlich beschlossener Maßnahmen er forderlich sind. Ferner wird im einzelnen festgestellt, welche be sonderen Ausgaben in den einzelnen Ressorts ver ausgabt werden dürfen. Es befinden sich darunter neue Stellen für Beamte und Bauten der Eisenbahn verwaltung. Schließlich werden für das Rechnungsjahr 1919 die Steuerzuschläge sür Einkommen über 3000 Mk. neu geregelt. Die Zuschläge betragen bei der Einkommen steuer in den Einkommenstcuerstufen von 3000 bis 3900 Mark für Akltengesellschaften, Komnranditgesell- schasten auf Aktien und Berggewerkschaften 30 vom Hundert der zu entrichtenden Steuer, bei sonstigen Steuerpflichtigen 15 v H., bei 3900 bis 6000 Mark 40 resp. 20, bei 5000 bis 6500 Mark 50 resp. 25, bet 6500 bis 8000 Mark 60 resp. 30, bei 8000 bis 9500 Mark 80 40, bei 9500 bis 12 500 Mark 100 resp. 60, bei 12 500 bis 15 500 Mark 120 resp. 60, bei -16 600 bis 18 500 Mark 120 resp. 70, bet 18 500 bis 21600 Mark 140 resp. 80 vom Hundert. Die Zuschläge steigen entsprechend weiter bis zu 400 bezw. 300 v. H. der Steuer bei Einkommen über 1 Million Mark. Die Zuschläge betragen bei derErgänzungS- steuer: Ger 6000 bis 20000 Mark 100, bei 20000 bis 32 000 Mark 120 u. s. w. v H der Steuer. Zum Schluß wird bestimmt, daß für vorüber gehende Verstärkung der Betriebsmittel der General- staatSkasse bis auf Höhe von 10 000 000000 Mark Schatzanwetsungen oder Wechsel, die vor dem 1. Ja nuar 1921 verfallen müssen, wiederholt ausgegeben werden können. Dieser neue Schatzanweisungskrcdit dient für Aufrechterhaltung der Ftnanzwirtschast. Initr KM«! Gegen die Aufteilung Preußens. England vor wirtschaftlichen Tie nur TäS festländische Beisplcl hat die Begehrlichkeit geweckt. Offenbar hat das festländische Beispiel gewirkt. Der englische Arbeiter ist gut unterrichtet über dle Rtesenlülme. die das am Boden liegende Deutschland vorliege. Schließlich machte ein Schlußantrag der Debatte ein Ende, worauf der von sämtlichen Parteien ein gebrachte Antrag Gräf, der gegen die Einverleibung rheinischer Landesteile nach Frankreich oder Belgien Einspruch erhebt und den Gedanken eines westlichen Pufferstaates zurückweist, einstimmig zur Annahme gelangte. Der zweite Antrag Gräf, der einen ent schiedenen Protest, insbesondere gegen die Errichtung einer westdeutschen Republik enthält, wird gegen die Stimmen des Zentrums (welches sich der Abstimmung enthält) angenommen. kann jockos vaok sokont in Llanä gosvirl «orckon. via ümbi - vLokstom - Maavkinv iislort fairriogsi, pfannon, Kronon na«, im Usnädvtriod üniragon an: MimsLkbAlsMUssiS tlrtku« 81 ll11vi- 8 suton unüliisustrionsi-kv vom koiok8vorbanü kür apargamo vauwoioo Unruhen. staatstrene englische Arbeiterschaft im Lohukampfe. Aufbietung der Staatsmacht gegen Vie Arbeiter? Ler Stern der Stunde ist ihm günstig. Jetzt noch. Doch schon machen sich die Anzeichen wirt schaftlichen Niederganges bemerkbar. Noch steht der größere Teil des Heeres im Felde, und die bereits beginnende Arbeitslosigkeit läßt sich ertragen. Ist die Demobilisierung jedoch erst einmal flott rm Gange, überschreitet das Angebot von Arbeitskräften beträcht lich die Nachfrage, dann läßt sich kein Streik mehr !ins Wert setzen. Deshalb wollen die Gewerkschaften . nicht länger zögern. Und die Regierung, die Unter- , nehmer sind gewillt, ihnen entgegen zu kommen. Sie sparen mit Zusicherungen nicht, und andererseits nicht mit Drohungen. Jk Lloyd Georges Abwesenheit hat Bonar Law erklärt, daß die Löhne der Eisenbahtt- arbeiter und Kohlenarbeiter erhöht, die Arbeitszeit abgebaut, über die Verstaatlichung beraten werden solle. Griffen die Arbeiter trotzdem zum Streik, so würde die Regierung dies als einen Streik wider den . bezahlt. Er hört von 20-36 Mark Tagesverdienst de» deutschen Werkmannes, während er höchsten- ein Dritt teil davon bezieht, und er denkt nicht an unsere irrsinnigen Lebensmittelpreise. John Bull hat Michek nteoergeboxt — und nun soll Michel so bedeutend besser dastehen als er? Auch die Verkürzung der Arbeits zeit in Deutschland, die Einbringung der Soztaltsie- rungSgesetze reizt den englischen Arbeiter. Er weih, daß sein geschichtlicher Augenblick gekommen ist. Und so setzt er der Londoner Regierung die Pistole auf die Brust. Er tut, was die arbeitenden Klassen aller Vtelverbandsstaaten, die in Italien, Belgien und Frankreich tun; nur geht er mit größerer Entschlossen heit vor. Dieser nüchtern« und gemäßigte Menschen schlag wartet lange, bis er einen entscheidenden Schritt wagt, aber dann sucht er das Ziel auch mit ganzem Kraftaufgebot zu erreichen. Staat betrachten und mit den äußersten Mitteln da gegen vorgehen. Bor dem Bolschewismus ist auch der Sieger nicht sicher. Die englischen Gewerkschaftler werden ihn ver stehen. Möglicherweise kommt es zu einer schein baren Ueberbrückung der Gegensätze. In Wahrheit aber ist der Krieg erklärt. Und die gährende Un zufriedenheit der Arbeitermassen kann sehr leicht dr« stolze Behauptung Lügen strafen, daß. die im Welt kriege siegreichen Mächte den Bolschewismus nicht zu fürchten hätten. Das Fieber ist ansteckend. Rein Harnisch schützt davor. Europas Festland zuckt be reits in wilden Krämpfen. Die ungarische Explosion müßte auch den hoffnungsfreudigsten Staatsmann warnen. Englands Arbeiter sehen auf Deutschland. Englands führende Politiker sollten ein Gleiches tun. Wenn sie sich alle Müh« geben, das Deutsche Reich gleich Ungarn zur Verzweiflung zu treiben und dem Bolschewismus in die Arme zu zwingen, werden sie ihn totficher ins eigene Land verpflanzen. Ihre so stolze Macht steht auf tönernen Füßen. Tie eigene Arbeiterschaft rüttelt daran. Es ist hohe Zeit, daß sie, um ihrer selbst willen, der Welt eipen ehr lichen, für alle erträglichen Frieden geben. R. N. Eine Million Arbeitslose in England, Aus London wird gemeldet: Die Zahl der Ar beitslosen, die am 7. März in England Unterstützung erhielten, betrug 992 232, hat aber inzwischen eine Million überschritten. Darunter befinden sich unge fähr 200 000 demobilisierte Soldaten und 495 000 Frauen. Seit November 1918, wo die Anzahl der Arbeitslosen etwa 70 000 betrug, hat sich diese Ziffer schnell und regelmäßig um durchschnittlich 66148 pro Woche gesteigert. Pariser schwere Besorgnisse. Die kalte Touche. Die Revolution in Budapest hat, wie aus Paris gemeldet wird, auf die Konferenz wie eine kalte ' Touche gewirkt. Sie hat verschiedene Leute aus dem Sinn ihrer Phantasie gestört und andere aus ihren In der Montagsitzung der Preußischen Landes- Versammlung brachte der deutsch-hannoversche Abg. v. Tannenberg Wünsche für das Selbstbestimmungs recht Hannovers vor, denen der Ministerpräsident Hirsch entgegentrat. Eine Abstimmung der Bevölke rung lehnte er ab, da dazu gar keine Veranlassung Ter Kriegsausbruch von 1914 hat England nicht den irischen Bürgerkampf, sondern auch gewitter gleich drohende Streikunruhen erspart. Als das Reich bedroht schien, schwiegen alle inneren Zwistigkeiten. Mustergültig sind die englischen Arbeiter einge- schwentt, um ihrem Volke zum Siege zu verhel fen. Tie stolzen Gewerkschaften ließen sich schwei gend jede Verkürzung ihrer Rechte gefallen, unter warfen sich jedem staatlichen Zwange, nahmen sogar die verhaßte Dienstpflicht, den verabscheulen Milita rismus, auf sich. Fühlten sie sich doch, rn der > Gefahr des Landes, als Briten, und dachten sic doch des verheißungsvollen Wortes, daß jeder Engländer um rund 3000 Mark reicher sein würde, wenn es § gelingen sollte, Deutschland zu Boden zu schmettern. ! Noch bet der Dezcmberwahl bestand diese Stimmung im ganzen fort. Die Arbeiter ließen lhre Führer im ' Stich, die weniger den nationalen als den Wirtschaft- ! liehen Grundsatz betraten, und Lloyd George gewann eine Mehrheit von 250 Stimmen im Unterhause. Aber heute schon, drei Monate später, ist der Himmel verdüstert. England steht vor schweren Erschütterun- > gen. Tie bedeutendsten und einflußreichsten Arbei tergruppen, Eisenbahner und Bergleute, verlangen ' drohend den ihnen versprochenen Anteil an der Beute. Beträchtliche Lohnerhöhung, Verkürzung der Arbeitszeit, dann weiter Verstaatlichung der Betrlebe wird gefordert. Auf kleine Zugeständnisse will man > sich nicht wieder einlassen. , kleinlichen egoistischen Intrigen aufgescheucht. Man be greift, daß die Mächte eine gemeinsame Front schlie- , ßen müssen, um die Aussicht auf den Frieden nicht zu verlieren. Selbst der „Temps" übernimmt eine Auslassung des Londoner „Observer", der die Ansicht äußert, daß ein rachsüchtiger Mißbrauch des Sieges immer aus Frankreich zurückfallen würde, besonders wenn man eine mangelhafte Berhandlungsfrist gibt, die den üblen Prinzipien entspricht, die von den Alliierten wäh rend des Krieges aufgestellt wurde. In diesem Falle müßte gegen den Kapitalismus eine noch größere und erbittertere Bewegung losbrechcn, als diesmal. Wilson und Lloyd George gegen den rheinischen Pufferstaat. Aus Paris wird gemeldet: Der oberste Kriegsrat hatte eine Versammlung im Ministerium des Auswär tigen,vorher hatten Wilson, Lloyd George, Clemenceau und Orlando eine Besprechung, in der über die Folgen der Bolschewistenunruhen in Ungarn und über die Frage der Ueberbriugung Polnischer Truppen nach Po len beraten wurde. Wilson äußerte später seine Unzufrie denheit über die fortwährenden Verzögerungen und ' verlangte baldige Beschlüsse. Die Hoffnung, daß die Arbeiten jetzt beschleunigt werden können, wird ge nährt durch die günstige SOufnahme des Vorschlages, daß die von Frankreich verlangten Garantien zur Sicherstellung seiner Ostgrenze durch die Nichtmilitari sierung der Nyeinprovinz geschaffen wird. Durch einen solchen Vorgang wird die Nhcinprv- vinz deutsches Gebiet bleiben. Früher hat Frankreich gegen diesen Vorschlag immer protestiert,HiWch hat e» sich jetzt mit der vorgeschlagenen NegelunWinverstan- j ven erklärt, nachdem Wilson und Lloyd George die Er-