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16. Kapitel. Hände ergriffen und drückte diese so heftig erschüttert, daß er nur Gr hatte ihre beiden Hände ergrifsen und drückte diese an seine Brust. Gr war so heftig erschüttert, datz er nur ihren Namen zu stammeln vermochte; aber sein Blick sagte ihr alles. Mit strahlendem Lächeln ries sie: „O, Günther, du Komtesse/ Die beiden Frauen brachten im Gefühle ihre» herzli chen Einverständnisses über alles, waS ihnen wert und wichtig war, einen heiteren Abend zu. Nachdem sie sich für die Nacht getrennt hatten, verließ die Komtesse noch einmal ihr Zimmer, um ihren Blumen frisches Wasser zu geben. Bet dieser Gelegenheit hatte sie dann eine leise, eifrige Unterredung mit Dina, der alten Wirtschaftern, welche ihrer Gebieterin von Astenberg nach Hawicksbusch »solatHar. hast verziehen t3 „Verziehen?! Geliebte, der Herr vergelte eS dir, daß du mich so beseligst." Und nun ließ er ihre Hände loS, um sie mit beiden Armen zu umschlingen, und als sie heiß errötend, daS schöne Antlitz an seinem Herzen barg, beugte er sich Über sie, um mit Lauten, welche gleich holder Musil ihrem Ohre schmeichelten, ihr seine innige Zärtlichkeit und glühende Bewunderuna »uruilüttern. >.,vN"PU0g «Nor ' Außer dem Haupleingange zu HauS Hawicksbusch gab eS noch einen zweiten, der über einen schmalen Hof zu einem hinter den Hauptzimmern sich hinziehenden Quer gang führte. Durch ein eupheuumsponneneS Pförtchen gelangte man zu dem erwähnten Hofe, und auf diesem Wege tzghgte Günther bei seinen frühen Morgenbesuchen daS HauS zu betreten. Gr kam auch letzt, einige Tage nach dem tnhaltschweren Gespräche Clarissen- mit seiner Mül- ter, von den Stallungen her, wo er sein Pserd der Ob- sorge des alten Klaus übergeben hatte, auf die Neine Lür zu, gesenkten Hauptes, in ernste, ja traurige Gedanken ver sunken. Plötzlich fuhr er heftig zusammen — eine leise, sanfte Stimme bot ihm einen ireundlicken Moraenaruk — und äufschauend erblickte er die Komtesse Stammegk, welche, rosig und frisch, wie der schöne Sommermorgen selbst, un ter dem grünumrankten Pförtchen stand. „Guten Morgen, Günther," wiederholte sie und bot ihm die Stufen hinabsteigend, lächelnd die Hand. „Clarisse, Komtesse Clarisse!" rief er, halb atemlos vor Ueberrafchung. Sie zog ihre Hand zurück, und von den Lippen ent schwand ihr daS eben noch so fröhliche Lächeln. „Können Sie denn nie, auch nicht ein einziges Mal die unglückliche Komtesse beiseite lassen?" fragte sie, halb traurig, halb zürnend. „Aber — wie dürste ich?" ^Wie Sie dürsten? — Ja, wie darf denn ich? — Habe ich seit jener Nacht, in der Sie als mein Retter in mei nem vergoldeten Gefängnisse in Tennenborn erfchienen. Sie Wohl jemals anders genannt, als Günther? — Günther!" wiederholte sie, hie Hände ineinander legend und ihm einen Moment tief in die Augen schauend, mit so weichem Tone, daß ihm daS Herz davon erbebte. „Aber _ ich kann eS ja nun nicht länger tun." „Clarisse, o Clarisse!" rief er, hingerissen, „rauben Sie mir nicht mein letztes, mein einziges Glück!" „Würde ich eS denn freiwillig tun? — Ach, Günther, zwingen denn nicht Sie mich, daS vertraute, meinen Lip pen schon so gewohnte Wort zu meiden? Ich möchte mich so gern stets der Stunde erinnern, in der Sie in meiner höchsten Not alS mein großmütiger Retter erschienen; aber Sie zwingen unbarmherzig meine Gedanken zu jenem un seligen Augenblick zurück, als ich Ihnen — und mir —, so wehe tat." - - .. entgegen sein. Leben Sie mit der Zustimmung Ihrer I Frau Schwester noch eine Weile unter meiner Obhut, so Hai j niemand das Recht, Sie darüber zu tadeln." > Clarisse schmiegte den schönen Kops an die Schulter der mütterlichen Frau und rief mit aufleuchtendem Blick: , „Wie gut, wie herzlich gut sind Sie! Doch ich/ setzte sie, > plötzlich verdüstert, hinzu, „ich darf das nicht annehmen; I denn mein Hiersein trennt Sie von Günther. Sie sind sonst gewohnt, ihn häufig zu sehen, und seit wir in Hawicksbusch sind, haben Sie ihn ganz entbehrt." „^nyr ganz, mein Kind. Er kommt zuweilen mit dem Nachtzuge nach Ritdorf — Sie wissen, es ist die nächste Haltestelle; — dort hat er ein Reitpferd stehen und kann nach Ankunft des Zuges in zwanzig Minuten herüberrei- ! ten. Er trifft dann früh gegen sechs Uhr hier ein und ! bleibt zwei Stunden bei mir, worauf er noch Zeit hat, in Ritdorf den Zug zu erreichen, der zwei Stunden nach Mit tag in der Nähe von Astenberg hält." Clarisse schwieg und sah so tief ernst vor sich hin, daß Frau zur Sprenge beunruhigt fragte: „Was kann Sie plötzlich so nachdenklich machen, Komtesse?" „Nachdenklich?" — Wie aus schwerem Traum erwa chend sah Clarisse zu der Fragenden auf. „Nun, ich dachte, daß Günther feiste Nachtruhe opfern muß, um feine Mut ter zu sehen, weil am Tage ein störendes Element zwischen ihnen stehen würde. Armer Günther!-»-Und Sic, teure Frau, müssen, so ost er kommt, auch so srühzettig sich er heben. Welche Mühe und Sorge mache ich Ihnen beiden!" „Ach, Kind, hätte ich mich doch nicht zum Plaudern verleiten lassen! Günther wird recht unzufrieden darüber sein. WaS mich betrifft, so ist eS meine stete Gewohnheit, daS Schlafzimmer früh um sechs Uhr zu verlassen." „Ich werde mir diese Gewohnheit auch aneignen," sagte Clarisse mit leichtem Lächeln; „eigentlich ist sie mir nicht einmal fremd. Wie manchen Ritt habe ich in den frühen, taufrischen Morgen hinein gemacht, wie oft vor dem ersten Frühstück eine große Waldpromenade mit Fräu lein von Marlstein unternommen. Meine gute Emma! Sie wird sehr besorgt um mich sein. Wenn Günther wie- der nach Hawicksbusch kommt, liebe Frau zur Sprenge, müssen Sie mich davon benachrichtigen; ich muß ihn bit ten, mir eine neue Wohltat dadurch zu erzeigen, daß er Emma auf irgend eine Weise über mein Schicksal be ruhigt." Frau zur Sprenge sah etwas bedenklich drein und er- widerte zögernd: „Wenn Günther bei seinem nächsten Be suche nicht wieder, wie bet seinem neulichen Hiersein, sesne Abreise zu sehr beeilt, Will ich Sie gewiß Herunterbitten lassen, Komtesse." Clarisse blickte der alten Dame forschend inS Gesicht und sagte dann in ruhigem Tone: „Eigentlich bedarf es dessen ja nicht, wenn Sie selbst die Freundlichkeit haben wollten, Ihrem Sohne meine Bitte in bezug auf Fräulein von Marlstein vorzutragen." „Sie haben recht, liebe Komtesse; ich will Ihren Wunsch gern erfüllen." DaS junge Mädchen sah ein wenig bekümmert zu der alten Dame auf. Bald aber stahl sich ein Zug von Schel merei über ihre Züge und mit leichtem Kopfnicken sagte sie: „Ja, das wird gut fein. Und nun, Mütterchen, — las sen Sie mich einmal so Sie nennen, denn meine Mutter oerlieb mich so lange schon —, nun, Mütterchen, müssen wir hinein gehen; denn der Tau fällt zu stark, um Ihnen ein längeres Verweilen Im Garten ratsam zu machen." „Diese Sorgfalt Haven Sie auch Günther abgelauscht, „Auch Ihnen?" „Auch mir. Ja, tausendmal mehr als Ihnen, Gün ther. Ich trug zu meinem Schmerz ja den Ihrigen und — daS Schlimmste, die Qual, ihn verschuldet zu haben. Aber ich will, so schwer eS einem armen Mädchen wird, Herz und Seele dem ftrevg strafenden Manne zu osfenba- ' ren, der ihr auch nicht einen Schritt entgegentut, dennoch , will ich eS in dieser Stunde redlich aussprechen, datz ich ! all' meine eingewurzelten Vorurteile, all' meinen anererb. ten Hochmut abgestreist habe, um nichts zurückzuhalten, alS > den einzigen Wunsch, Ihnen meine glühende Dankbarkeit, , meine tiefe Bewunderung zu bezeugen. Ich habe kaum an mich selbst gedacht und kenne kiin anderes Verlangen, hast verziehen!''