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Ler Gipfel seiner Tätigkeit der doch so wun- nur in ihren nichi ein außergewöhnlich harter Winter die Natur verzögert, jene stille, unsichtbare, und derbar mächtige Tätigkeit, welche wir leider Wirkungen zu belauschen vermögen. Aber auch wenn der Winter auf dem Et« Die Piraten unserer Gewässer. Bild aus ve« Winterleben unserer Heimat, Bon Hermann Greiling. (Nachdruck verboten!) Macht sich befindet, schweigt das Leben in der Natur keineswegs. Weder die Pflanzen- noch die Tierwelt hat sich gänzlich vor unseren Blicken zurückgezogen. Man kann mitten im Winter, an warmen, sonnigen Tagen, wo nicht Schnee und Eis die Erde uns verbergen, recht lohnende botanische Ausflüge unternehmen. Freilich sind es leine Kabinettstücke unserer heimischen Flora, die wir in solcher jJahreSzeit nach Hause tragen, wir nehmen fürlieb mit blühenden Taubnesseln, Gänseblümchen und Vogelmieren, sowie anderen Proletariern der Pflanzenwelt. Auch die Fauna ist durch Raben. Sperlinge, Ammern, Haubenlerchen, Rebhühner und Hasen zahlreich vertreten. In dem ent laubten Gesträuch rascheln emsig nach Nahrung suchende Amseln, und das Dickicht entlang hüpft der Zwerg unserer Dogelwelt, der zierliche Zaunkönig. Doch noch eine weit interessantere Bekanntschaft fleht uns bevor Neben uns plätschert ein schmales Bächlein anunter dahin; kaum eine Stunde entfernt bricht es aus Lem Gebirgsflock hervor und eilt mit lebhaftem Murmeln zwischen Wiesen und Gärten lustig dem Flusse zu. Nur Lurch einen breiten Weg von ihm getrennt, erblicken wir einige Fuß höher den weiter oben von dem Bach abge- zwerglen Mühlgraben, einen schmalen Wasserlauf von etwa einem halben Meter Tiefe mit starkem Gefäll, der auch im Winter nicht zufriert. Das Wasser des Grabens ist durch sichtig und klar, der kiesige Grund blitzt wie Silber. Ge büsch und Bäume fassen die Ufer ein, ohne uns indessen Len freien Blick auf den Mühlbach zu behindern, denn der Winter hat sie ihrer grünen Kleiderpracht beraubt, sodaß sie nun, kahl und nackend, wie sie sind, unserer Neugier kein Hindernis mehr in den Weg stellen können. Frohen Mutes und rüstig wandern wir an dem Gestade dahin, mit den Wellen um die Wetter aufmerksam betrachten wir Las Helle, freundliche Wasser, das so tapfer seinen Weg Lnminen der tiefen Schneedecke und der von ben Gräsern und Zweigen bis zu seinem Spiegel herabhängenden Eis zapfen zu sinden weih. Ein Bad in so eisiger Flut — puh! Schon der bloße Gedanke verursacht uns einen Schüttelfrost! Wir bewun dern die Forelle, die eben blitzartig an uns oorüber- hufcht und sich anscheinend außerordentlich mollig fühlt in dem kalten Element — wir bewundern sie, aber tau schen möchten wir nicht mit ihr! Was für sie mit ihrem Fischblut angenehm ist, würde wohl kaum, kalkulieren wir, pns warmblütigen Wesen zur besonderen Lust gereichen. Da sehen wir plötzlich einen schwarzen Gegenstand pfeil geschwind vom jenseitigen User her nach der Mitte des Wassers zuschießen, im nächsten Augenblick bohrt er sich kn den Grund, daß der Saad aufstiebt und das klare Ratz Winter ist nach der allgemeinen Anschauung für Lke Natur die Zeit der Ruhe und des Schlafes. Die allgemeine Anschauung deckt sich aber nicht ganz mit der besonderen des Naturkenners. Wer sich nicht spezieller »m die Natur und ihre Erscheinungen bekümmert, für den beginnt allerdings das Leben im Freien erst wieder mit dem Frühling; für den wahren Naturfreund dagegen steht es zu keiner Zeit des Jahres still, denn er freut sich »icht bloß am vollendeten Gemälde, sondern beobachtet seine allmähliche Entstehung. Der Prozeß des Werdens pellt ja gerade die interessanteste und belehrendste Phase des ganzen Jahreskreislaufes dar. Wenn erst die Bäume and" Sträucher mit üppigem Laub, die Fluren und Felder Mit ihrem undurchdringlichen GraS- oder Aehrenteppich bedeckt sind, ist für den Naturfreund die günstigste Zeit zur Beobachtung vorüber. Diese gewährt ihm hauptsäch lich die Periode des ersten Entstehens, die Zeit, wo die ersten Knöspchen und Triebe Hervorbrechen, wo jeder Tag mit neuen Bildungen und Fortschritten überrascht. Schon im Februar mutz man mit der Betrachtung des Erwachens des Lebens in der Natur beginnen, vorausgesetzt, daß sich trübt, im nächsten Augenblick taucht er wieder auf, um ebenso schnell und plötzlich wie er gekommen, wieder in seinem Ausgangspunkt am Ufer zu verschwinden. Ter' ganze Vorgang vom Erscheinen bis zum Verschwinden nimmt kaum einige Sekunden in Anspruch. Erstaunt bleiben wir stehen. Was ist das? Ist das ein Fisch? Aber was für einer? Das Ding sah ja so schwarz aus und schien so kurz und dick, auch oewegte es sich nicht eigentlich in der Weise eines Fisches durch das Wasser und schien seine Füße zum Rudern zu gebrauchen. Warten wir eine Weile, vielleicht kommt das seltsame Tier wieder zum Vorschein, uns in die Lage versetzend, es genauer zu betrachten. Richtig, da ist es wieder — ebenso rasch wie das erstemal stürzt es hervor, schnappt nach irgend einer uns unsichtbaren Beute, schießt zurück in sein Versteck. Diesmal haben wir besser aufgepatzt, trotzdem vermochten wir nichts zu unterscheiden als eine Art schwarzen Fisch von eigentümlich glatter Form, mit weißem Unterleibe. Erst bei der dritten Beobachtung — denn der Gegenstand unseres Interesses läßt uns gar nicht lang» auf einen neuen Ausfall warten — Prägen sich uns die Konturen des gewandten Schwimmers genauer ein: „Das ist eine Wasserratte!" rufen wir mit einem sofort aufsteigenden Gefühl des Widerwillens, und wollen schon, innerlich über diese nüchterne Lösung des Rätsels nicht sonderlich erbaut, unseren Weg fortsetzen. Da erscheint das Tier zum vierten Male. Nein, das ist keine Wasserratte! Dazu ist das schwarze Ding viel zu Nein. Es ist sogar weit kleiner, als uns der erste Anblick glauben machen will, da der Körper beim Schwimmen platt gedrückt erscheint. Und wie zierlich und niedlich sieht es im Grunde aus! Das schwarze Fellchen, dessen dichte Haare sich infolge der ständigen Durchnässung fest an den Körper schmiegen, das niedliche Köpfchen, die weiße Brust aber eine Maus ist das doch! Gewiß, eine Maus, eine richtige Maus, wenn auch von nicht zu großer Art. Und was für ein erstaunlicher Schwimmer, was für ein kühner Taucher! Das Schauspiel ist fesselnd ^enug, uns noch lange auf unseren Späherposten zu bannen. Mit jeder neuen Beobachtung vermehrt sich unsere Bewunder ung, wir werden nicht müde, den schnellen, eleganten, sicheren Bewegungen zu folgen. Wahrlich, ein Wasser tier Par ercellence, in dem feuchten Element zu Hause wie ein Fisch, wie ein Arnphibium, und doch ein Warm- blütler, den seine ganzen Existenzbedingungen eigentlich auf das Land verweisen, ein schlagendes Beispiel für die Theorie von der Anpassung. I Ein Blick in das erste beste zoologische Werk löst uns das Rätsel Was wir da vor uns sehen, ist nicht- anderes als eine Wasserspitzmaus (Crossopus), eines der interes santesten Mitglieder unserer heimischen Fauna und — so befremdend es uns anmutet, — eines der furchtbarsten Raub tiere überhaupt, ein wahrer Pirat unserer Gewässer. Na türlich müssen wir, um diese Behauptung recht zu verstehen, das Verhältnis der Größe des Tieres in Erwägung ziehen. Der Tiger, Jaguar, Löwe und Panther fallen doch immer nur Tiere von derselben Größe oder höchstens bis zu der eines Pferdes oder Stieres an, unser Pirat dagegen — der mitsamt dem mehr als 5 Zentimeter langen Schwänze nur etwa 12 Zentimeter mißt — nimmt es gegebenenfalls mit Kreaturen aus, die ihn an Gewicht um das Fünfzig- fache übertreffest. Wer hierüber erstaunt ist, braucht sich nur einmal den Rachen einer Spitzmaus anzusehen, dann wird er das oben Gesagte sticht nur begreiflich finden, son dern auch mit Ueberzeugung in die treffende Bemerkung Karl Vogts einflimmen, daß nämlich das Gebiß einer Spitz maus. zu den Maßen desjenigen eines Löwen vergrößert, ein wahrhaft schauderhaftes Zerstörungswerk darstellen würde. Für gewöhnlich allerdings hat die Wasserspitzmaus dem kleinen Geziefer von Wasser und Ufer den Tod ge schworen: Insekten, Würmern, Krebschen, kleinen Schuek- ken ustv. Sie geht jedoch auch ohne jede Scheu auf die Frosch- und Mäusejagd, und selbst junge Bögel sind nicht sicher vor der Unersättlichen. A. und K. Müller» die unermüdlichen feinsinnigen Naturbeobachter, sahen eine Wasserspitzmaus wie den Blitz über ein« junge Bachstelze herfallen, mit der Gier und; Mordlufl, mit der sich ein Tiger ans eine Beute stürzt,, tm Sprung packte sie da- -atte Seschöpfchen, datz die Federn i dawonslogen. Noch gelingt es dem Vögelchen, zn «tt-/