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DM,e M Wcherttz-ttlm,. Nr. 83 Lloyd Georges Lügengewebe. Bon Rudolf Eucken. - ' Der Premierminister oder vielmehr Diktator von England, Lloyd George, hat in diesen Tagen einmal wieder eine Rede gehalten, worin er in seiner gewohn ten Art einen unwürdigen Ton anschlägt und init gröbsten Entstellungen arbeitet. Die Tendenz dieser Rede geht dahin, unsere Gegner als die Vorkämpfer wahrer Freiheit, uns aber als Gegner dieser Freiheit darzustellen, und zugleich das, was die Gegner Demo kratie nennen, als eine sichere Gewähr des Friedens und als die Herbeiführung eines allgemeinen Völker- glückes auszugeben. Sich mit diesen Gedankengängen näher auseinanderzusetzen, hat keinen Zweck; wer die Hohlheit und Unwahrhaftigkeit des Ganzen nicht selbst durchschaut, dem können keine Gründe helfen. Aber es ist doch vielleicht nicht überflüssig, einige Hauptpunkte gegenüber jenem Lügengewebe festzustellen. > 1. i Was Lloyd George Demokratie nennt, ist alles eher als ein Freiheits- und Nolksstaat. Was in England, wie auch in Frankreich, Italien und Ame rika herrscht und die Politik nach seinen Interessen lenkt, ist in Wahrheit das Kapital in seiner mannig fachen Verzweigung. Dies Kapital weiß sich mit Hilfe einer großen, oft besprochenen Presse den Schein der Freiheitsltebe und Volksfreundlichkett zu geben. Aber unter dem Scheine der Freiheit gerät dort der Einzelne als Arbeiter, Lehrer, Beamter in weit größere Abhän gigkeit, als es bei uns der Fall ist. Auch die Fürsorge für wirtschaftlich Schwächere ist in allen jenen Ländern geringer als bet uns. Erst auf das Vorangehen Deutsch lands hin hat man sich dort entschlossen, eine Sozial politik positiver Art zu betreiben; wir waren mit unseren sozialen Gesetzen die Führer, jene sind, oft recht zögernd, erst nachträglich gefolgt. Wie fern man in Siefen Ländern davon ist, den wirklichen Willen des Volkes auszuführen, das zeigt das Beispiel Italiens. Ls wird jetzt von allen Seiten zugestanden, daß nur eine Minderheit dieses Volkes den Bruch und Kampf mit seinen bisherigen Bundesgenossen wollte, aber diese Minderheit hat init rücksichtslosen Mitteln, bisweilen mit brutaler Gewalt, die Mehrheit zurück gedrängt- und ihr den Krieg auferlegt. Ist das ein Freiheitsstaat zu nennen, verdient das den Namen Demokratie? Wie steht es endlich mit der Volksbildung hier und dort? Die Zahlen zeigen unwiderleglich, wie weit hier Deutschland seit langer Zeit jenen fal schen Demokraten überlegen ist. 2. Lloyd George stellt die Sache so dar, als ob die Demokratien in seinem Sinne, die Scheindemokra tien, Vorkämpfer des Friedens wären; die neueste Ge schichte bekundet das gerade Gegenteil. Wer anders hat denn mit der berüchtigten Einkreisungspolitik den un geheuren Weltkrieg hervorgerufen als die englische Re gierung? Wer hat, als in Rußland das Zünglein an der Wage zwischen Krieg und Frieden noch schwankte, für den Krieg den Ausschlag gegeben als die englische Politik? Wer war es ferner von den europäischen Staaten, der eine Eroberung forderte? Frankreich wollte das Elsaß, Italien wollte das österreichische, nur zum kleineren Teil von Italienern bewohnte Gebiet, Rußland wollte Konstantinopel, aber auch der Erbit tertste unserer Gegner könnte kein Land aufführen, das Deutschland erobern wollte. 3. Daß jene von den Gegnern vertretene Politik Nicht Vie wahren Interessen der Völker vertritt, son dern die einzelner Klassen, an erster Stelle die des Großkapitals, das zeigt mit voller Deutlichkeit das Verhalten der Arbeiterklassen. In Italic: waren die Arbeiter von Anfang an bis jetzt entschiedene Gegner des Krieges. In Frankreich ist wenigstens ein erheb licher Teil so gesinnt, er würde noch mehr zur Geltung kommen, wenn man nicht gleich nach Ausbruch des Krieges seinen besten Führer Jaures in feiger Weise ermordet hätte. In England ist wenigstens ein Teil kriegsfeindlich, und auch in Amerika ist es die Sozial demokratie. Das deutlichste Beispiel aber liefert seht Rußland, denn hier ist die unter englischem Einfluß stehende Bourgeoisie mit allem Eifer bemüht, das Feuer des Krieges zu schüren. Die Arbeitermassen dagegen sind friedlich gesinnt und wirken nach bestem Vermögen für eine Einstellung der Feindseligkeiten. Würde das wohl der Fall sein, wenn man von der so genannten Demokratie eines Lloyd George Frieden und Heil für die Welt erwartet? 4. Endlich sei auch das Benehtnen der Deutschen im Ausland als Zeugnis dafür angeführt, wie sich dir auswärtigen Verhältnisse zu den unsrtgen, von den Gegnern so arg verleumdeten, verhalten. Die zahl reichen Deutschen im Ausland, im besonderen in jenen sogenannten Demokratien, haben die Zustände hier und dort aus eigener Anschauung kennen gelernt und können ermesse«, wo wahre Freiheit zu finden ist Wären die Zustände wirklich so bei uns, wie Lloyd George Ne zu schildern sich erdreistet, so müßten wir erwarten, daß sie froh seien, einem solchen Kerker entronnen zu sein; in Wahrheit haben sie mit seltenen Ausnahmen ihrem Baterlande die vollste Treue bewahrt und sind oft unter ungeheuren Schwierigkeiten von weiter Ferne herbeiaeeilt, um ihm im Kampf für seine Selbsterhal tung beizustehen. Dienstag den 24. April 1917 abends 83. Jahroang Kurz, das alles stimmt nicht zu der Karikatur, I welche Lloyd George von uns entwirft. Daß aber ein Mann von so kläglicher Denkart bet unseren Gegnern eine so hervorragende Stellung erlangen konnte, das kann uns nur in dem Entschluß und der Zuversicht stärken, unsere gerechte Sache gegen alle Widerstände tqpfer aufrecht zu erhalten. Denn wie es in dem alten > Worte heißt, „groß ist die Wahrheit, und sie wird Legen!" Lokales« A Gefangene und Säen. Die Landwirtschaftskam- mer in Münster weist darauf hin, daß die Gefangenen nur in den allerdringendsten Fällen die Saatbestellung , übernehmen sollen. Das gelte namentlich auch vom Kartoffellegen. Wir wiesen schon hin auf den in Ge- ! fangenenlagern entdeckten Plan, die Kartoffeln durch Töten der Keime unfruchtbar zu machen. Neuerdings fand man in einem Kuchen 12 Instrumente zum Aus stechen der Kartofselaugen. Scherz und Ernst. tl. Durchhalten. Der wetterlaunige April hat die kal- ten Wintermonate abgelüst. Die Zeit der eisigen Kälte , ist vorüber, und wenn wir unter der kalten Temperatur auch mancherlei Entbehrungen auf uns genommen haben, : so manchen Tag ohne Heizmaterial waren, Kohlen und Koks unter allerlei Erschwernissen und nur sack- oder eimerweise beziehen konnten, wenn wir teilweise auf die gewohnte Beleuchtung verzichten, die Schulen, Theater und Kinos vorübergehend schließen mußten — es ist gegangen. Wir haben durchgehalten — trotz der Kohlennot. Diese ist jetzt in der Hauptsache vorüber. Aber schon droht eine neue und ernstere Schwierigkeit: Das Brot wird knapp. Auch diese Not werden wir überwinden. Die Geschichte der Nahrungsmittelchemie lehrt uns, daß ganze Völker zeit weise in Jahren von Mißernten unter einer wirklichen Hungersnot gelitten und dieselbe überstanden haben. In ganz anderer Weise als wir jetzt noch, Gott sei Dank, versorgt sind, haben diese Völker damals sich ernähren müssen. König berichtet in seiner bekannten „Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmtttel" über ein Hun gersnotbrot aus dem Tulsker Gouvernement, das aus 7b °/a Gänsefuß und 25 »/» eines Gemisches aus Roggenkleie und Knöterich bestand, von einem Landbrote aus Roggen-, Maismehl und aufgeweichtem Buchholzmehl, ferner von schwedischen Brotsorten: „Roggenblutbrot", „Rtndenbrot" (Mehl mit Kiefernrinde), „Strohbrot" (Hafer- und Gersten ähren und etwas Mehl), „Sauerampferbrot" (Sauerampfer pflanze mit Waldkräutern), „Knochenmehlbrot" „Hungers- i Notbrot" (Stroh und Rinde). ' , Bettels und Olig — Münster berichten über: Brot aus - Mais und Roggen mit Eichelmchl und Eichelschalen, Brot des „Roten Kreuzes" in Samara, aus Roggen mit etwas Weizen und Unkrautsamen, und Maurizio — Zürich fand in den Jahren 1894—1898 Brot aus 30—40 °/o Mehl und Kleie und 70—60 °/o Holzstückchen und Unkraut, Brot aus Wurzeln einer Schilfsorte, Brot aus 30°/, Korn radenschalen, 30—35 °/» sonstigen Unkräutern und Spreu, ja, sogar Brot aus Mehl und Ton (bis 64 °/o). Soweit ist es bei uns noch lange nicht, soweit wird es auch nie kommen. Unsere Nahrungsmittelkontrolle sorgt schon dafür, daß wir jetzt nicht Holz, Baumrinde und Ton im Brote vorgesetzt bekommen. Aber es ist nützlich, daran zu erinnern, wie andere Völker zu anderen Zeiten ganz andere Ernährungsschwieriglciten gehabt haben als vir jetzt. Für das an Menge etwas knappe Brot bekommen wir einen vorzüglichen und in Bezug auf den Nährwert reichen Ersatz in der zugewiesenen höheren Fleischmenge, die durch den Reichszuschuß verbilligt wird. Die Ernährung wird dadurch in ihrer Beschaffenheit besser: wir führen dem Körper wirksamere Nährstoffe zu ; als jetzt. Der Körper wird besser ernährt werden, trotz- ; dem er der Menge nach wenig Nahrung erhalten wird. ! Darum nicht kleinlaut. Ohne Schaden an unserer Ge- ! sundheit zu nehmen halten wir durch, auch wenn das ! Brot knapp wird. tl Alkohol „für immer" verboten. Die russische Revo- , lution arbeitet wie alle Revolutionen sehr energisch und : sie macht „ganze Arbeit", auf allen Gebieten, für alle Zeiten. So kündigte dieser Tage ein Moskauer Blatt an: „Dieser Tage soll das Gesetz veröffentlicht werden, ! wonach alle Verbote für den Verkauf von Spirituosen für 1 immer festgelegt werden sollen, wie sie für die Zeit des Krieges etngeführt wurden. Die städtische Duma hat eine besondere Kommission aus Stadtdeputierten und Vertretern der Arbeiterdelegierten gebildet zur besseren Durchführung dieser Maßregel." Derartige Beschlüsse, die den Keim ihrer Gegnerschaft in sich tragen, sind natürlich nicht geeignet, das neue Regiment zu festigen. ! Die Zollerustier in Konstauz. ' ' Die Feierlichkeiten aus Anlaß der 500. Wiederkehr der Belehnung des Burggrafen Friedrich, des Zollern, von Nürnberg mit der Mark Brandenburg durch Kaiser Sigis mund nahmen mit einer Festversammlung im alten Kon stanzer Konzilgebäude ihren Anfang. Unter den erschie nene« Gästen befand sich auch in Vertreter des Kaisers. W Neber die Beschlagnahme verdorbener Konserven macht der Kriegsausschuß für Oele und Fette daraus auf merksam, daß seit dem 15. Februar 1917 folgende Verord nung besteht: „Alle verdorbenen oder sonst für die mensch- j lich« Ernährung nicht geeigneten, ganz oder teilweise, ans : tierischen Stoffen hergestellten Konserven, Würste, sowie sonstige Fletsch- und Fettwaren, die in gewerblich«» oder Handelsbetrieben anfallen", sind dem Kriegsausschuß'fllL Oele und Fette, Abteilung Knochenverwertung Sektion L,: Abdeckereiwesen, anzumelden und abzuliefern. ; p A Die Käscabtcilung vor Zentral Einlaufs-Geseklschast gibt bekannt, daß die Regelung über Einfuhr und Vertrieb von Schweizer Käse bis auf weiteres in Geltung bleibe« wird. Entsprechend dem jetzigen Schweizer Exportpreise für Schweizer Hartkäse (Emmentaler Käse) von 400 Franc» für 100 Kilogramm wird der KleinhandelshöchstpretS für ! diese Käsesorte nunmehr auf 3,10 Mark für 1/2 Kilogramm festgesetzt. .1 tk Neberflüssige Levensm««r^ -NÄH 1 irgendwo in der Welt? . . . Jawohl, in Italien In Italien?! Die haben ja selbst kein Brotkc. Nun, um Brot handelt es sich auch nicht; es handelt '; sich um — Apfelsinen. Italien führte in Friedenszei ten 1200 000 Zentner Apfelsinen und Zitronen aus, davon die Hälfte nach Deutschland, Oesterreichs:, und Rußland. Der russische Markt war mit KriegsauS--- bruch verschlossen, der österreichische 1915, und.unter, dem Drucke Englands auch der deutsche 1916. LMan,; fürchtete, daß große zucker- und nährstoffhaltige ten zur Verpflegung des feindlichen Heeres (in MmG meladenform) verwendet würden. — Die Früchte soNH ten dann an das italienische Heer und zur englisches Armee in Frankreich, Aegypten und Griechenland gehen? Es fehlte Italien indes an TranSportmöglichkeitenM daher verdarben die Apfelsinen auf i den^BahW Höfen, und der Schaden für die erztugendeNtzTeilM des Landes wurde erheblich. .Letzthin; hat danntzdiM italienische Regierung die Ausfuhr nach der/ SchWeW wieder gestattet trotz der kindischen Sorgen gewissevi Kreise, daß die Früchte doch zur Verpflegung Deutsch»« lands dienen könnten. Die Schweiz bleibt zurzeit dercts einzige Markt. Frankreich hat zwar zur Einfuhr auf-U gefordert, aber außer den Transportschwierigketten bo»^ steht noch die Konkurrenz mit den gar noch bessere« ! Apfelsinen aus Spanten. " Nachklänge großer Schiffskataftrophe. Auf AnorH nung der Behörde wurde der bei Nagh-Teteny in Ungar«! seit einer Woche unter Wasser stehende Dampfer Zrtnyiü von Zimmerleuten geöffnet. Bis Mittag wurden 55 Leichenj! geborgen, mindestens ebensodiele dürften noch geborgen wen» den. Die Bergungsarbeiten gehen sehr langsam vor stchÄ " Eiscnbahnunfatt bei Ritschenhausen. Ein volles besetzter, von Stuttgart nach Berlin fahrender V-Zug!I fuhr aus der Station Ritschenhausen bei MeiningeW in einen Güterzug hinein und entgleiste. Dem Loko-si motivführer war es noch gelungen, durch rechtzeitige« Ziehen der Notbremse den Zusammenstoß zu milderPi Zwei Bahnbeamte und vier Reisende wu»> den leicht verletzt. Acht Wagen des V-Zuges wurde« I durch Feuer vernichtet; das Gepäck konnte zum größtem Teile gerettet werden. * * Auf der Hamstcrfahrt in den Tod. Ein Jnva-g lide aus Wanne, der mit seinem 28 jährigen Sohm noch Holland gezogen war, um dort Lebensmittel aws» zukaufen, wurde seitdem vermißt. Jetzt fand man beide« in einem Wasser als Leichen. Das von ihnen mitge-jß führte Geld war verschwunden. * * Russensäcke als Pockenträger. In Oldenburm starben 4 Insassen des Armenhauses, Leute im Alt«» von 72—78 Jahren an den Pocken. Die Epidemie in! dort jetzt schon wieder erloschen; sie war durch russisch« Gefangene eingeschleppt woroen. Die Leute hatten Säck« zu bearbeiten, an denen vorher die Russen gearbettM hatten. 'Auffalligerweise trat auch hier die SeucW tödlich nur bet alten Leuten auf. * Ueber 2500 Schüler aus den GroABerliner Gez meinden haben sich für die Arbeit auf dem Lands» gemeldet. Die Schüler sind alle über 16 Jahre aliH * * Von einem'tollwutkranken Hunde gebissen wuE den in Königsbrunn (Westpr.) zehn Personen. Gerichtssaal. Todesurteil gegen einen FraurnmSrder. BoH dem Altmärktfchen Schwurgericht in Stendal wurdt der 24 Jähre alle Landarbeiter Wladislaw Kamss^ wegen Mordes zum Tode verurteilt. Der Verurteilt« ya1 am 13. Juli 1916 die 17 Jahre alte Dienstmagtl Hedwig Wöhler in Wolfsburg nach Verübung «tnGi Sitklkchkeitsverbrechens ermordet.