Volltext Seite (XML)
I Sehweite im großen Vestibül und rauchte eine Ziga- I rette, bezeugte aber, daher ein sehr guter Beobachtungs offizier werden mußte, denn er ließ Trude keine Se kunde aus den Augen. Jetzt ging's da vorne los. „'n Tag, Papachen I Bist du auch mal wieder zu Hause? Man sieht dich ja kaum noch l" „I, guck' mal einer diese freche Mamsell Land streicherin an! Treibt sich selbst den lieben, langen Tag mit ihrem Galan, dem Herrn Leutnant in spe, herum und erdreistet sich noch, so ihren alten Vater anzureden." „Aber, Herzenspapachen, so 'ne große Zeit erlebt man doch ni' ein einzigstes Mal. Ja, und da muß man doch nach Möglichkeit bei allem dabei sein! Oder hast du uns mit nach Berlin genommen, daß wir nur im Hotel sitzen und höchstens mal die Wache aufziehen sehen?" „Nee, Kind, weeß Iott, nich! Aber nu sag' mal bloß, wo steckt denn der zukünftige Herr Leutnant? Mit der Kavallerie scheint's leider nischt zu werden! Ich hatte im Militärkabinett gebeten, ihn mir in mein Regiment zu geben; der Wunsch wurde mir glatt ab geschlagen, die Herrn Kadieser kämen alle zur In fanterie! Hm, tut mir leid um den Landrat und den lieben Jungen, habe ihn ins Herz geschlossen, wie meinen Sohn!" „Sooooo? Wie deinen Sohn?" „Tja, min Döchting! Warum nicht?" „Aber gewiß, Papacken. warum nicht!" echote diese nichtswürdigste aller Töchter, um dann ganz Unvermittelt zu sagen: „Ja, wir haben schon viel gesehen." „Glaube ich dir aufs Wort!" „Nur noch keine Kriegstrauung^! Die muß doch so schön und feierlich sein!" „Ist sie auch! Na geh doch hin! Nimm dir den Walter mit, der ist ja doch immer wo du bist. Wer weiß, wie lange noch? Dann kommt er ins Regiment, und dann geht's gar schnell ins Feld!" „Als Leutnant?" „Ja, als Leutnant!" „Hm, wie wär's Papa", und ehe sie sich wie eine Schmeichelkatze an ihn herandrängte, gab sie dem harrenden Walter ein Zeichen, zu kommen, „wenn du und Mama, wenn wir zu 'ner Kriegstrauung gehen, dabei wäret?" „Wieso", fragte immer noch vollkommen ahnungs los der Oberst, — jetzt trat Walter ein und sagte, vor dem alten Herrn stramm stehend: „Um der Kriegstrauung von Fräulein Gertrud von Wussow und dem Portepee-Unteroffizier Walter von Klützow, der demnächst Offizier wird, beizuwohnen", fiel Walter nun ein und setzte hinzu: „Ich bitte ge horsamst um diese Genehmigung von Herrn Oberst!" „Ja, und dann ist dein Wunsch schnell erfüllt, und Walter — dein Sohn," setzte Trude prompt hinzu. »Ja — ja, seid — Ihr — denn — beide verrückt!" stotterte der Alte und sah die beiden vor ihm Stehen den mit fast entgeistertem Gesicht an. „Nein, Herr Oberst!" riefen Trude und Walter wie aus einem Munde, dann sagte sie ruhig und einfach: „Papa, lieb haben wir uns schon lange! Gestan den haben wir uns es auck! Ja, geküßt haben wir uns natürlich schon sehr oft, ja, na und da fehlt nur noch Euer aller Segen! Gebt ihn uns! Sieh mal, in so 'ner großen Zeit mußt du nicht kleinlich sein! Du bist doch sonst so fürs Draufgehen und liebst zag hafte Menschen nicht. Was ist denn auch dabei? Tau sende, die auch nicht viel älter sind als wir, lassen sich auf Grund des kaiserlichen Erlasses kriegstrauen! Der Kaiser gibt doch solche Verfügungen nicht zum Spaß! Seine Befehle sollen ausgeführt werden I" „Jawohl, Herr Oberst, so steht es auch in den Kriegsartikeln!" „Junge — Mädel — ihr macht mich ja reinweg toll! Wie kommt ihr denn nur auf diese verflixte Idee?" „Ja, wie kommt man darauf?" fragte Trude, sich höchst dämlich stellend. „Auf Grund des kaiserlichen Erlasses," sagte Wal ter fest. „Kinder, wenn Mutter, und Walter, wenn deine Eltern nischt dagegen haben, dann meinetwegen! Ich bin nie ein kleinlicher Mensch gewesen, ja und: „Jung gefreit, hat nie gereut! — Na, da nehmt Euch und — ist auch niemand hier?" „Nein, Herr Oberst - Papa, ich habe bei meinem Eintreten die Tür wohlweislich geschlossen — vorher mußte sie aufbleiben, damit ich das Zeichen von Trude sehen konnte." „Oh, ihr Bande, so'n abgekartetes Spiel habt ihr mit mir gespielt! Einfach toll! Na aber nun zeigt mal, wie lieb ihr euch habt, und gebt euch einen Kuß!" Trude und Walter waren nicht blöde, das ließen sie sich nicht zweimal sagen, und als sie nach recht ausgiebigem Zeigen ihrer Kunst die Lippen vonein ander lösten, sagte der Oberst weich: „Ach Gott ja ! Die Jugend! — So, und nun mit marschiert zu Muttern!" Glückstrahlend, daß diese an sich doch recht heikele Sache so famos abgelaufen war, schlossen sich die beiden glücklichen jungen — „Brautleute" dem noch immer kopfschüttelnd voranschreitenden Papa an. In dem Salon, der zwischen dem Schlafzimmer der Eltern und dem Trudes lag, hieß er sie, sich ganz still zu verhalten, er wolle Muttern, die ein wenig ruhte, erst vorbereiten. Als dann, nach Verlauf von etwa zehn Minuten, Frau Hermine lächelnd im Türrahmen erschien, da wußten die beiden: Sie hatten gesiegt! Trude flog, halb lachend, halb weinend, der Mutter um den Hals, und der frischgebackene Kadett-Bräutigam küßte stürmisch die dargebotene Hand der zukünftigen — Schwieger mama ! Während sie sich unterhielten, saß Papa Wussow bereits am Telephon, das im Zimmer war, und hatte bald den dringenden Anschluß mit seinem Freunde Klützow. „Aha! Sind Sie selbst da, mein lieber Herr v. Klützow ? — Ja? — Na schöneken! Hören Sie mal, mein bester Herr Landrat, lassen Sie doch, bitte, mal schnell Ihre verehrte Gattin neben sich rufen, denn das, was ich Ihnen zu sagen habe, müssen Sie mit ihr sofort bereden! Ja? — Gut! Na, dann kann ich Ihnen zunächst sagen: Ich bin wieder zum Kommandeur meines alten Kürassier-Regimentes er nannt worden! — Sie gratulieren? — Na ja doch — danke, danke! Wie's hier aussieht? — Famos ein fach! Donnerwetter noch mal, ist das 'ne Stimmung im Volke! Einfach großartig, glänzend! Ich komme vor lauter Bewunderung gar nicht mehr zum Fluchen! So, Ihre liebe Frau ist da! Na schön! Stehen Sie oder sitzen Sie? — Sie stehen! Dann, bitte, nehmen Sie erst mal Platz, und dann halten Sie sich mit der freien Hand noch fest! Also jetzt geht's los: Neben mir stehen zwei graue Sünder, meine Tochter Trude — sie lacht ganz frech, nichts Neues an ihr, und — Ihr Sohn, der Herr Kadett und üemnächstiger — Leutnant Walter. Weiter nichts, sagen Sie, na nu kommt's: Die bei—den—ha—den—sich—soeben—ver- looobt! — Sitzen Sie noch auf Ihrem Stuhle und ist Ihre Gattin noch nicht in Ohnmacht gefallen? (Fortsetzung folgt.) V