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.Also doch! Vaters, und wie in ihm der preußische Junker „Ueber dies unselige Kapitel „Reichslande" haben wir uns ja im Laufe der Jahre sattsam unter halten, Vater, und ich bleibe dabei, trotzdem mich viele, auch unser guter Landrat, immer darüber ausgelacht haben, wir sind da unten noch immer nicht vorsichtig genug und lassen die Herren Französlinge ruhig in vielem herumschnüffeln, was sie gar nichts angeht. Mit einiger Sorge erfüllt mich aber die Erwähnung gewisser Listen in dem Briefe des braven Krüger, denn da steckt mehr als politische Schnüffelei dahinter, die müssen auf den Mobilmachungsfall zugeschnitten sein." „Magst recht haben, mein Sohn," bemerkte der Alte ernst, die ganze Franznsenbrut mit ihrem Maul heldentum taugt nicht viel, die Bande ist ja nur aus Lügen zusammengesetzt." „Leider weiß man das in gewissen Kreisen kaum, und wenn man's dennoch erfahren hat, so legen sich gewisse Herren doppelt und dreifache Scheuklappen vor die Äugen. Wenn's zum Kriege kommt, werden wir noch manches Wunder da unten erleben." „W—a—a—a—a—a—s?" rief der Oberst und blieb wie angenagelt stehen, sah den Sohn mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen an und, indem er seinen dicken Knotenstock wütend in den Sand des Weges stieß, rief er: „Du machst ja da Andeutungen, die fast so klingen, als ob da Menschen wären, die Vaterlandsverrat treiben würden!" „Vaterland?! — Diese Sorte Menschen, Vater, die ich im Auge habe, kennen den Begriff Vaterland nicht, kaum dem Namen nach! Die leben nur nach dem Grundsätze: ,Wo mein Geld ist, ist mein Herz und mein Vaterland? Deutschland und seine Gast freundschaft gebrauchen wir nur, um daraus heraus zupressen, was herauszuholen ist, im übrigen aber .Deutschland' Schaden, zuzufügen, wo und wann wir es können. Es gibt nur eine Kulturnation und das ist: Frankreich! Und wir sind Kulturmenschen, also Franzosen! Siehst du, so etwa liegt es jetzt da unten." „Das ist ja entsetzlich!" stieß der Oberst empört hervor, „und da ist niemand, der dem Einhalt ge bietet? Hat denn der deutsche Offizier keinen Ein fluß ?" „Wir? Hahahaha, Papa, uns dumme Kerle lachen doch die Herren aus! Was versteht denn der Soldat von Politik? Und wir mischen uns nicht dar ein, aber ausbaden, ja das werden wir die ganze Sache einst müssen. Wäre man, statt mit der ewigen Versöhnung und Sentimentalität, endlich emmal mit der goldenen Rücksichtslosigkeit bei der Hand, dann möchte noch mal was aus der Sache werden, so aber ist's nur ein immerwährendes Fortwursteln, und die Herren jenseits und viele diesseits der schwarz-weiß- roten Grenzpfähle lachen sich ins Fäustchen! Ja, Vater, so und nicht anders ist's I" Der Alte war wieder stehengebliebew, schüttelte in einemfort den Kopf, stierte vor sich auf den Boden und atmete tief und schwer; die Brust des Hünen hob und senkte sich wie unter einer darauf ruhenden Zentnerlast. Erst nach Sekunden tiefsten Schweigens preßte er die zwei Worte hervor: Kurt sah den furchtbaren inneren Kampf des " - > . - ' - " mit seinen Traditionen gegen den Menschen kämpfte, der an das Erzählte nicht glauben will und — kann, und so kam er dem Alten zu Hilfe, indem er sagte: „Packen wir jetzt noch zu, so ist noch nichts ver loren; drusseln wir aber so weiter, dann wird's im Ernstfälle für die nach dem Reichslande versetzten Altdeutschen bös tagen. Darauf laufen nach meiner Ansicht auch die aufgestellten Listen hinaus. Man will an den Deutschen Rache nehmen. So oder so, das scheint mir ziemlich klar zu sein." „Aha, da, meinst du, liegt der Hase im Pfeffer! Hm, dumme Sachen, aber — Herrgott noch mal, wir Deutschen sind und bleiben alte Esel, die sich nur ermannen, wenn's uns ans Leder geht! — Na und unsere Truppen, wie steht's mit denen, Junge? Aber 'die Wahrheit will ich hören, keine Schönfärbereien, deinem alten Vater mußt du die volle Wahrheit sagen ! Hast du mich verstanden, he?" „Ja, Vater, wir Soldaten lügen uns nichts in die Tasche, und manch reichsländischer Bursche dürfte da nicht ganz hafenrein sein. Seit dem „Fall Zabern" werden übrigens kaum noch reichsländischs Rekruten — zur Vorbeugung — in den dortigen Regimentern eingestellt. Die Truppen, Vater, sind tadellos! Da laß die Rothosen nur kommen, bei Tage oder bei Nacht, die werden wir s o empfangen, daß Ihnen das Wieüerkehren ein für allemal ver salzen ist." „Gott sei Dank, mein Junge, mit den Worten hast du mir meine alte Ruhe wiedsrgegeben. Freut mich, aus dem Brief des braven alten Krüger entnehmen zu können, daß auch unsere Grenzjäger auf ihren Posten sind!" „Da ist alles in Ordnung, Vater, wir Soldaten lassen uns in u ns e r Handwerk nicht darein reden, bei uns gibt's rein .Spaßmachen' oder.Probieren', da heißt 's: das Vaterland sichern! Uebrigens," meinte er dann, um das Thema fallen lassen zu können, „an das Losgehen des Pulvers glaube ich noch nicht so recht, denn sonst bliebe der Kaiser nicht so ruhig in den nordischen Gewässern, er wäre doch sonst längst auf der Heimreise!" „Herrgott ja, Junge, der Kaiser ist ja noch draußen und so gut wie ohne jeden Schutz! Schockschwere brett noch mal, wenn da man nischt passiert! Junge, das wäre ja furchtbar. Den Schuften, den Engländern, traue ick alles zu! O diesem Weltdiebsgesindel!" „Beruhige dich nur, Vater! mit Volldampf gefahren, kann unsere Flotte den Kaiser bald erreichen, und dann ist er sicher." Der Oberst nickte, und beide setzten ihren Weg wieder fort, jeder mit seinen eigenen Gedanken be schäftigt. So kamen sie an der Fohlenkoppel an. Hier wurde der Oberst wieder vergnügter, denn da sah er fein eigenstes, neugeschaffenes Werk, die Pferdezucht auf Groß-Wilhelmshof. Einige Tiere hatte er ja vor zwei Jahren noch als Zweijährige kaufen müssen, denn er selbst wollte ja für sich und seinen Ulanenjungen ein paar anständige Schinder haben, da er dem bekannten Sprichworts in bezug auf Pferdekauf huldigte, daß nur ein einzigster Mensch beim Pferdeverkauf nicht betrügt, und das ist der Vater, wenn er dem Sohn einen Gaul koAfen muß! So sagte er dann zu Kurt: „Sieh dir mal da den Fuchs mit der Blesse und den Kohlfuchswallach da rechts an. Die beiden hatte ich dir nach dem Manöver zugedacht. Friedrich hat sie schon wiederholt longiert und auch bereits ein paar mal darauf gesessen. Das gibt jedenfalls ein paar ganz anständige Reitpferde, und da in, dir für beide noch aus meinen Hafer- und Heubeständen nebst Stroh die Rationen sende, so kannst du dir die Tiere den Winter über schon ganz anständig zureiten. Rekruten haste ja ooch nicht mehr, wie?" „Nee, dieses Mal, Gott sei Dank, bin ich nicht mehr dran." „Na also, dann hast du ja Zeit genug; zudem ist es kein Fehler, wenn ein junger Herr in deinem Alter sich lieber mit Pferden als mit unnützen Weibern abgibt." „Vater, wie soll ich dir danken!" sagte der Offizier herzlich und streckte leuchtenden Auges dem Oberst die Rechte hin. (Fortsetzung folgt.)