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ii Hochberg suchte zum Scheine noch einem Buch, währenddes schlich Edith leise hinaus. Als ihr Vater sich uniwandte und bemerkte, daß er allein im Zimmer war, beruhigte er sich langsam. > 11. Kapitel. Magnus las noch einmal den Brief durch, den er soeben an seinen Vater geschrieben hatte: - „Lieber Vater! Es war Dein besonderer Wunsch, daß ich mich einige Zeit hier, in der Nähe des Schlosses Hochfeld, in dem unvergleichlich schönen Buchenwalde aufhalten solle. Herzlich gern kam ich Deinem Ver langen nach, und wenn ich auch gewissermaßen erstaunt darüber war, daß Du mich in diesen entlegenen Erden winkel gleichsam verbanntest, entschädigte mich der Forst mit seinen hohen, friedlichen Tannen, den sorgsam ge hegten Abhängen mit den weithin leuchtenden Rasen flächen, den blumenreichen Triften für die Einsamkeit, welche mich hier umgibt. Tagelang bin ich bereits durch Feld und Wald ge streift, viele Wege sind mir vertraut geworden, etwas wie süßes Heimatgefühl durchströmt mich, wenn ich das Rauschen der alten Bäume höre, das Gurren der wil den Tauben, die ihre Nester schon damals, als Du noch ein Knabe warst, in der Nähe des Tannenschlages hatten. Deine Jugend umweht mich hier, lieber Vater, und ich spüre derselben nach auf Schritt und Tritt. Wie magst Du als Heranwachsender Junge ausgesehen, wie Dich gegeben haben? Darüber denke ich oft nach; ich weiß doch, daß Du den Wald über alles liebtest, daß Du jede freie Minute hier unter den flüsternden Zweigen verbrachtest, stundenlang dem Treiben der Eichhörnchen zuschauen konntest; Du hast mir oft genug von Deiner Vorliebe für den Wald mit seinen Wundern erzählt. Nur davon hast Du nie gesprochen, welche Stellung Dein Vater einnahm. Ich weiß nur, daß Du arm und ohne Empfehlungen in Neuyork gelandet bist, von der Pike auf dienen und arbeiten mußtest, ehe Du einigermaßen festen Fuß in dem Lande fassen konntest, das Dir zur zweiten Heimat werden sollte. Ich weiß aber auch, daß Du über einen un gewöhnlichen Bildungsgrad verfügst, und nicht nur das, eine sorgfältige Erziehung ist Dir zuteil geworden; Deine Eltern müssen gebildete, in bevorzugter Lebens stellung auftretende Menschen gewesen sein. Welches Amt aber könnte Dein Vater hier wohl bekleidet haben? Darüber zerbreche ich mir vergeblich den Kopf. Glaube nicht, daß müßige Neugier mich zum Spintisieren treibt. Du hast es für richtig befunden, über Deine Eltern Dich niemals zu äußern, und ich ehre Dein Schweigen. Triftige Gründe werden Dich leiten. Aber es ist etwas geschehen, was mein lebhaftes Interesse für das, was früher war, rechtfertigt, mir ein Recht zum Fragen gibt, Dir, lieber Vater, die Pflicht auferlegt, mir wahr heitsgemäß zu antworten. Der Gesichtskreis hier ist eng, nicht wahr? Ebenso das Weichbild, über welches ich bisher nicht hinausgekommen bin. Da bedurfte es wohl keines besonderen Zufalls, daß ich dem Forst meister, Herrn von Hübner begegnete, der seit Menschen gedenken hier im Amte ist. Dabei ist mir das Selt samste passiert, was mir wohl je geschehen konnte. Der alte Weidmann war geradezu verblüfft, als er mich ge wahrte, und behauptete später, daß ich sprechende Aehn- lichkeit mit einem Bruder des Grafen Hochberg habe, der seit Jahrzehnten verschollen und von Rechts wegen für tot erklärt worden ist. Mit diesem Verschollenen hat es aber eine eigene Bewandtnis; man sagt ihm so ehrenrührige Dinge nach, daß der greise Forstmann es für geboten hielt, mir zu erzählen, was der Wahrheit gemäß den Baron Hochfeld in die Frenide Hinausge trieben. Er war in Schulden geraten, von seinen Gläubigern arg bedrängt worden und hatte keinen andern Weg zur Rettung gefunden, als seinen Freund, den Dankdirektor von Wellnitz, um ein Darlehen zu bitten. Wellnitz hatte aus der ihm anvertrauten Kasse das Geld genommen, wahrscheinlich doch auf das Versprechen hin, daß Hochfeld die Sunime bis zu einer bestimmten Frist zurückgeben wollte. Als dann Kasssnrevision angemeldet wurde, ent floh Baron Hochfeld, welcher in einem zurückgelassenen Schreiben auf das Majorat in aller Form Verzicht leistete. Dem unglücklichen Bankdirektor aber blieb nichts weiter übrig, als sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. An demselben Morgen, wo die Re vision stattfinden sollte, fand man ihn tot im Walde auf. Er hatte sein junges Weib, den einzigen Sohn, einem unbestimmten, bejammernswerten Schicksal preis gegeben. Der Witwe wurde alles genommen, die Häuslichkeit, die Ehre; gramgebeugt siechte sie dahin; wenige Monate nach jenem sensationellen Ereignis trug man auch sie zu Grabe. Da nahm sich der jüngere Bruder des ver schwundenen Barons, der jetzige Majoratsherr, des ver waisten Knaben, des kleinen Wellnitz, an, erzog ihn wie seinen eigenen Sohn, gab ihm die Rechte eines solchen. Friedrich Wellnitz, der Sohn des unglücklicken Bankdirektors, hat im Schlosse Hochfeld eine har monische, beneidenswerte Jugend durchlebt und ist jetzt mit Baronesse Edith, dbr einzigen Tochter des Barons, verlobt. Der junge Wellnitz ist der einzige, welcher bei diesem Drama profitiert hat, denn die Baronesse ist ein Engel an Güte und Schönheit, wert, wie eine Heilige angebetet und verehrt zu werden. Ich habe Dir all diese Vorkommnisse so eingehend berichtet, lieber Vater, weil Du die einzelnen Personen vielleicht doch dem Namen nach kennst. Es könnte aber auch, und der Gedanke läßt mich nicht los, eine Verbindung zwischen Dir und jenem Wolfgang be stehen, und das würde mich sehr unglücklich machen. Ich kann mir nicht vorstellen, lieber Vater, daß Du auch nur je Deiner Ehre etwas vergeben haben solltest, und lieber will ich Dich als den Sohn eines schlichten In spektors oder Aufsehers, denn als den leichtfertigen und gewissenlosen Baron wissen, der seinen besten Freund ins Unglück stürzte, so daß ihm nur die Wahl zwischen dem Zuchthause und dem Tode blieb. Bitte, befreie mich bald aus dieser Ungewißheit, die mir schwer zu schaffen macht. Ich habe dem würdigen Forstmeister nicht verraten, daß mein Vater hier heimatberechtigt ist, er hält mich für einen Touristen, dem es sein schöner Wald an getan. Und so ehrlose Dinge sagt man dem ver schwundenen Baron nach, daß Herr von Hübner es für seine Pflicht hielt, mir das mitzuteilen, was, seinen Angaben nach, der Wahrheit entspricht. Noch etwas Merkwürdiges habe ich Dir zu be richten. Es gibt hier einen Bergwerksdirektor Trinöoe, dem Anscheine nach der Gatte Deiner Wirtin. Hast Du eine Ahnung, was die beiden Menschen, welche sich von ganzem Herzen liebhatten, zur Trennung veran laßte ? Frau Trinöve war lange Zeit Gesellschafterin der Baronin Hochfeld und Ediths liebste Freundin. Nach ihrer fluchtähnlichen Abreise von hier hat sie nichts wieder von sich hören lasten. Ob sie schuld an dem ehelichen Zerwürfnis ist? Trinöve grämt sich um sein verlorenes Glück, doch darf niemand den Nonien seiner Frau in seiner Gegenwart nennen. Keiner weih, was zwischen den beiden oorgefallen. (Fortsetzung folgt.)