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Gerade diese Spannungen, welche bei niedrigen Temperaturen, also im Winter, noch mehr zur Geltung kommen, sind für das Eisenbahnmaterial bei weitem gefährlicher als sonstige vermeintliche Fehler. Im übrigen haben die Hüttenwerke ja ohne hin selbst das höchste und ein doppeltes Interesse, gut zu liefern: ein materielles der zu über nehmenden Garantie wegen und ein moralisches mit Rücksicht auf ihr Renommee. Hat ein Werk einmal seit 10 Jahren gutes Material geliefert und damit bewiesen, dafs es solches liefern kann, dann — ich scheue mich nicht, das als Ueber- zeugung auszusprechen, — darf die Eisenbahn im allgemeinen ruhig sein, dafs ihr auch ferner gutes Material geliefert wird, selbst dann, wenn sie keine Proben und Revisionen stattfinden liefse. — Ich will wohlverstanden jene Proben und Revisionen keineswegs verwerfen, verkenne viel mehr gar nicht, dafs dieselben, rationell und sachgemäfs gehandhabt, für das liefernde Werk einen ganz reellen Werth haben. Denn wenn diese Untersuchungen nicht von der Eisenbahn ausgeführt würden, müfste sie das Werk — wenn auch vielleicht in etwas anderer Weise — selbst ausführen. Jedenfalls haben aber die Proben und die ganze Art der Abnahme nicht den be deutenden Effect, den man ihnen zuschreibt, denn die schliefsliche Bewährung des gelieferten Materials documentirt sich doch nur im dauernden Betriebe. Das liegt allerdings zum Theil mit in der Abnahme selbst. Herr Geheimrath Dr. Wedding hat in seinem Vortrage auch diesen für uns Fabricanten etwas delicaten Punkt berührt und bezüglich der mit der Materialabnahme betrauten Beamten erwähnt, dafs man »jetzt von jedem jungen Manne, welchem das verantwortliche Amt eines Abnehmers übertragen werde, verlange, dafs er Eisenhüttenkunde gründlich studirt habe und dafs solchen kenntnifsreichen Beamten auf den Werken auch mit der erforderlichen Achtung begegnet werde.« Letzteres ist gewifs sehr wahr, um- aber von der Achtung und Liebenswürdigkeit, mit welchen auf den Hütten aus sehr erklärlichen Rücksichten den Vertretern der Gonsumenten begegnet wird, immer directe Rückschlüsse auf die gründliche Wissenschaft und den praktischen Blick der letzteren zu ziehen, erscheint mir doch etwas gewagt. Es wäre ja gewifs naturgemäfs richtig, wenn die abnehmenden Beamten gründlich und vor allem nicht allein theoretisch in der Hütten kunde bewandert wären, — allein ist das doch nicht etwas viel verlangt? Wenigstens bin ich in dieser Aufgabe bisher gröfstentheils nur Bau- und Maschinentechnikern begegnet, die ja freilich in ihrer Studienzeit auch die Hüttenkunde ge streift haben, denen aber meines Erachtens alle Anerkennung zu zollen ist, wenn sie den gegen wärtigen strengen Anforderungen ihrer Special- disciplin, welche die Carriere mit sich bringt, gerecht werden. Nachdem Herr Geheimrath Wedding es selbst ausgesprochen, wie es eigent lich sein sollte, und nachdem praktische Männer, wie der Ingenieur Sandberg sich in gleicher Weise ausgesprochen, kann ich es mir schon er lassen, die Consequenzen zu ziehen, welche sich aus den uneigentlichen factischen Zuständen er geben. Dafs wir darüber in der Praxis die mannigfaltigsten und stellenweise sehr komische Erfahrungen machen, wird inan mir glauben, wobei ich ausdrücklich betone, dafs bekanntlich Ausnahmen die Regel bestätigen. Ganz zweifellos ist es aber, dafs ein mit der Hüttenpraxis nicht vertrauter, von dem löblichen Streben, rücksichts los nur das Interesse seines Auftraggebers zu fördern, beseelter Controleur oft mehr Unheil anrichtet, als der Sache und der geschäftlichen Moralität hinsichtlich der Arbeiter dienlich ist. Es wäre sicherlich der Erwägung werth, ob den von Herrn Geheimrath Wedding hervor gehobenen Gesichtspunkten entsprechend nicht ein praktischer Weg zu rationellem Verfahren der wäre, im Ministerium der öffentlichen Arbeiten ein besonderes Decernat für die Abnahme von Eisenbahnmaterial einzurichten, dessen Beamte gröfseren Theils aus dem praktischen Hütten- und Walzwerksbetriebe zu entnehmen wären. Die deutschen Eisenhüttenleute würden gewifs gern die Hand bieten, nach dieser Richtung hin zeitgemäfse Fortschritte zu fördern. Herr Brauns-Dortmund: Nachdem mein Freund Haarmann den Gegenstand, der uns heute zur Besprechung vor liegt, einer mehr generellen Kritik unterworfen hat, gestatten Sie mir, auch einige specielle Punkte aus dem Vortrage des Herrn Geheime- rath Wedding, sowie aus den soeben gehörten Aeufserungen der beiden Herren Vorredner, welche die Eisen- und Stahl-Producenten besonders inter- essiren, nochmal zurückzukommen und dieselben etwas eingehender zu beleuchten: Herr Geheimrath Wedding hebt Eingangs seines Vortrages sehr richtig die Vortheile des Flufseisens gegenüber dem Schweifseisen hervor. Er knüpft indessen hieran eine Besorgnifs er regende Bemerkung über die Haltbarkeit unserer Brücken und sonstigen grofsen Bauwerke aus Schweifseisen an, der ich mich doch verpflichtet halte, hier entgegenzutreten, weil dieselbe das grofse Publikum unnöthig beunruhigen könnte. Gewifs sind die Vorth eile des homogeneren Materials speciell in Bezug auf das Rosten hoch zu schätzen und wird es der Eisenhüttentechnik hoffentlich schon binnen Kurzem, speciell durch die Fortschritte im Thomas-Procefs, gelingen, den Constructeuren grofser Bauwerke ein Material zur Verfügung zu stellen, welchem diese Vortheile eigen sind und welches aufserdem noch besser