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Inhaltlich ist diese Symphonie der einfache, spontane Ausdruck der ersten Ein drücke und der ersten Stimmungen, die nach der Ankunft in Amerika Dvoräks Seele durchdrangen. Die Wiedergabe der neuen reichen Eindrücke des ungewöhnlich fieberhaften New-Yorker Lebens bilden der erste und der legte Satz, von denen hauptsächlich der Finalsag im Tempo, rhythmisch und dynamisch außerordentlich bewegt ist. Von der poetischen und idyllischen Anmut des Landes jenseits des Ozeans singt vor allem der zweite Sag (Largo), zuerst „Legende“ genannt. Dvorak selbst sagte über diesen Sag, er sei durch die Szene „Das Begräbnis im Walde“ aus Longfellow’s „Lied von Hiawatha“ inspiriert worden. Die große Breite und die erhabene Stille dieses Satzes und auch die bange Melodie des englischen Horns wissen wirklich die Vorstellung unendlicher amerikanischer Felder in uns zu erwecken, und der Gesang des Klarinetts im mittleren Teile hat etwas Trauermäßiges an sich. Auch das Scherzo wurde angeblich durch „Hiawatha“ inspiriert: durch die Szene „das Fest im Walde, wo Indianer tanzen“. Doch dieser Stimmung entsprechen sicherlich nur der Anfangsteil und der Finalteil. Um der Außergewöhnlichkeit dieser neuen Eindrücke von Amerika Ausdruck und gegen seine bisherigen Werke eine prägnante Charakteristik zu geben, schuf Dvoräk für die Symphonie e-moll Themen, die in Melodik, Harmonik und Rhythmus manche typische Zeichen haben, die er an den originellen Volksliedern der Neger und Indianer kennen lernte. Es sind also nicht, wie man einst behauptete, direkte Zitate dieser Lieder, sondern in ihrem Geiste geschriebene eigene Motive, die zwar etwas Außerordentliches, Neues, bei Dvorak früher Unbekanntes an sich haben, die aber ganz und gar für Dvorak charakteristisch sind. Auch nicht an allen Themen der Symphonie finden wir dies, denn nicht bloß jene amerikanischen Eindrücke prägten den Inhalt der Symphonie, sondern auch die Kraft der bangen Erinnerungen und der Sehnsucht nach dem fernen Vaterlande. Von dieser Erinnerung und Sehn sucht ist die sanfte, tiefe Stimmung des Largo durchdrungen, sie ertönt im Schubertisch entzückenden Trio des Scherzos und mit Ausdruck versöhnt sie wie den Inhalt so auch den verwickelten Bau des effektvoll gesteigerten Finales. Formell ist die Symphonie „Aus der Neuen Welt“ ein Werk klassischer Ein fachheit und Übersichtlichkeit. Das Charakteristische am thematischen Aufbau ist das konsequente Wiederholen der Hauptthemen der vorhergehenden Sätje an den wich tigsten und höchsten Stellen der folgenden Sätje.*) Otakar $ourek. *) Näheres über Dvoräk und seine Symphonie enthält die Studie von Otakar Sourek „Dvoräks Symphonien“ (Charakteristik und Analysen) und dessen Schrift „Anton Dvoräks Leben und Werke“. (Beides tschechisch im Verlage Hudebni Matice, Prag II, Jungmannova 39.)