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OL86. Sonnabend, den 12. August. 1882. ^douo«m«»t8prel»r l» ^L»,o ck,»t»eL«n I ^»UrlieUr.... 18 Lk«rll. ^LUrlicU: 1 Ll»rtc bO kk. Lior«lo« Kümmern: lOkk. La»««rk»id äe» üenticliell ksieks» tritt kost- und LtowpeliuieUl»^ lluma. IvssrLteoprslser kür ä«u ktsum einer ^espnltenen kvtitrsils 20 kf. v»t«r „Linjse»»vät" die 2eils SO kt. Lei ^»Vellen- und 2iisorn8u.tr SV H ^nkicid»^. Dres-nerAmriml. loserstennunLkme »u««Lrt«r l.«tp»^: ^>. Lrand«tetter, Commi«ionLr äs» Dresdner ^ournuls; L»mdar^ -L«rlti»-Vi«n L»»«l Lr„I»ll-rr»Qllivrt ». H : //aasenstein <0 s^oAier, N«rUn-Vi«v S»indnr^- ?r»llksnr1 ». N. Nüueden: /iu<i. iUvme; v«rUa: /-«raiiderida»^,' Lreweo: L. Lc?d<>tte,- Nr«,I»n: /> LtanAkn's Lurran <^mii , krrmilknrt , N : L. ^akAer'uek; i!uckkuli6Iun^; SürMi: kr. A/Mer; S»nnov«r: 6. 8c/iü««ier, ?»rt, L«rUn - rrLnirkart » N «tntl^srr: ^>a^be ct (Ä., S-uudiirx: Lterner. Lrsekelnev: H^iict» mit Xusnstimo der 8onn- und k'eiertnK» Xdeods kür den kolbenden 'ku^_ Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. llvrausxedvrr Löoiel. Lipedition de» Dresdner dournnl», Dresden, ^«in^erstrnsss Ko. 20. Nichtamtlicher Theil. Uetersich«: Telegraphische Nachrichten. ZeituvgSschau. (Bohemia. Presse. Pester Lloyd.) Lagetgrschichte. (Dresden. Berlin. Straßburg. München. Würzburg. Buda-Pest. St. Petersburg London. Bukarest.) Zur ägyptischen Krage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentt. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialuachrichten. (Leipzig. Zwickau. Drebach. Zittau.) Vermischtet. Feuilleton. Kirch enaachrichtev. Tageskalender. Telegraphische Witterungtderichte. Inserate. Beilage. »örsennachrichten. Telegraphische Nachrichten. Berlin, Freitag, 11. August, Vormittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Se. Majestät der Kaiser ist aut Ischl wohlbehalten in Schloß Babelsberg eiugetroffen. London, Donnerstag, 10. August, LbendS. (W. T. B.) In der hrvtigen Sitzung de» Ober hauses wurde die Pachtrückstandsdill ohne weitere Abstimmung nach den letzten Anträgen drS Unter hauses definitiv genehmigt. Bei der Berathung erklärte der Marquis v. Sa lisbury, er habe seine Ansichten nicht geändert, halte die Bill sür schädlich und erblicke in ihr einen Act deS Raubes; in einer heute stattgehabten Versamm lung der conservativen PairS habe sich aber die über wiegende Majorität im Hinblick auf die Zustände in Irland und Aegypten gegen eine Verwerfung der Bill erklärt, er gebe daher die weitere Opposition aus, da er sich bei Fortsetzung derselben in einer, wenn auch geringen Minorität befinden würde. Im Unterhaus» gelangte der Stand der ägyp tischen Krage zur Erörterung. Der UnterstaatSsecretär deS Aeußern, Sir Charles Dilke, antwortete aus eine Frage Arnold'-, der Ent wurf der Proklamation, welche den Khedive unterstütze und Arab« Bey zum Rebellen erkläre, sei von der Pforte der englischen Regierung unterbreitet worden; über eine Militärconvention hätten sich die Pforte und England noch nicht geeinigt, der Sultan sei aber be reit, eine Convention abzuschließen. — Im weitern Verlause der Sitzung beantragte Elcho die Vertagung deS HauseS, um von der Regierung eine Erklärung über ihre ägyptische Politik zu erlangen. — Wolff unrerstützte diesen Antrag, der indeß schließlich abge lehnt wurde. — Im Laufe der Debatte erklärte der Premier Gladstone in längerer Rede, er müsse eS vorläufig ablehnen, die Zwecke der militärischen Ope rationen in Aegypten zu definiren; die Wiederherstellung des statu« guv ant« sei sreuich nicht mehr ein auS- FeuiUeton. Redigirl von Otto Bauet. Mr. Timsen der Speculant. Roman von Lonrad Fijcher-Sallstein. (Fortsetzung.) Um diese Zeit, wo Stamm sich mit dem Uanlee im Casino unter den Kameraden befanden, ging Franz v. Leuteritz in seinem Schlafzimmer gedankenvoll auf und ab. Er hatte sich eine Cigarre angezündet und hoffte bei den still und sanft aufsteigevden Rauchwölk chen ruhiger zu werden. Die kleine Lampe, die im Zimmer brannte, löschte er jetzt aus und öffnete das Fenster, daS hinaus in den Garten führt. Die Nacht war etwas kühl und daS war ihm lieb, denn daS wird seiner brennenden Stirn wohl thun. Der verworrene Haufen seiner Gedanken schien nicht mehr wie Gewürm durcheinander zu kriechen, sondern löste sich auf, wurde klarer, je dunkler e- im Zimmer ward. Dieses Gedankengewürm im Gehirn concentrirte sich jetzt, stellte sich in Schlachtordnung auf, um j den süßen Wahn, der aus dem Herzen emporsproßte, jede Illusion, die ihm die traurige öde Perspective seiner Zukunft mit einem süßen, träumerischen Nichts ver schleiern wollte — auf der Stelle todtzuschlagen. Und trotzdem schwebte vor seinem Auge ihr süße- Läch-ln, al» halte es ihm ein teuflischer Dämon in jeder Mi nute vor» Gesicht, um ihn zu quälen. Auf seinen Wangen brannte noch der Kuß, den reichendes Ziel, aber von allen Dingen in der Welt sei eine dauernde Occupation Aegyptens Dasjenige, was die Regierung nicht in Aussicht nehme. Eine derartige Occupation würde allen Grundsätzen der Re gierung, allen ihren Zusagen gegenüber den Mächten und den Ansichten Europas zuwiderlaufen. Konstantinopel, Donnerstag, 10. August, AbendS. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Urbrr den In halt der Proclamation drS SultanS, welche Arabi Bey für einen Rebellen erklärt, wird Folgendes mitgetheilt: Die vom Sultan erlassene Proclamation soll im Wesentlichen dahin lauten, daß der Khedive der Ver treter des Souveräns von Aegypten sei und daß des halb Alle demselben Gehorsam schuldeten. Arabi Bey habe schon früher einmal die Autorität des Khedive mißachtet, fei aber zum Bewußtsein seiner Pflicht zu rückgekehrt, habe Verzeihung erbeten und erhalten und sei vom Sultan sogar mit Wohlthaten überhäuft wor den. Desfenungeachtet habe Arabi Bey neuerdings bei mehreren Gelegenheiten (die einzeln aufgezählt werden) sich gegen seine Pflichten vergangen, namentlich eigen mächtig aggressive Maßregeln gegen Kriegsschiffe Eng lands, des alten Freunde- und Alliirten deS Sultans, ergriffen und somit aufs Neue die Autorilät deS Khe dive mißachtet. Der Sultan mißbilligt den Versuch Arabi Beys, sich an die Stelle der Autorität deS Khedive zu setzen, und sagt: Die Acte Arabi BeyS gegen die Autorität Tewfik Paschas, welche als insur- rectionelle und verbrecherische qualificirt werden, ver stoßen gegen die Vorschriften des heiligen ScherigesetzeS, welches Zuwiderhandelnde streng bestraft. Demzufolge werde Arabi Bey für einen Rebellen erklärt, und sei diese Proclamation erlassen, damit eS Alle, die es an gehe, wüßten, und damit die Autorität deS Khedive keine weitere Beeinträchtigung erleide. Konstantinopel, Freitag, 11. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In der gestrigen Sitzung der Conferenz wiederholte Lord Dufferiv, daß er im Princip dem Anträge Italien» bezüglich deS SuezcanalS beitrete, bemerkte jedoch, er müsse sich den Fall der köre« m^ourv Vorbehalten. Vor der Conferenz hatte Lord Dufferin dem türkischen Bevollmächtigten Said Pascha den englischen An trag bezüglich der, die Cooperation mit der Türkei in Aegypten regelnden Militärconvention über reicht. Der russische Botschaft-Verweser v. Nelidow ist hier eiugetroffen. Port-Said, Donnerstag, 10. August, Nach mittags. (W. T. B.) DaS Kriegsschiff „ThetiS" ist heute früh nach Beirut abgegangen. (Vgl. umstehend die Rubrik „Zur ägyptischen Frage".) Mehrere Tausend Mann indischer Truppen sind in Suez gelandet. Dresden, 1l. August. In Oestrrreich-Ungarn hat man sich, nachdem nach langwierigen Verhandlungen die Ernennung des Hrn. v. Kallay zum Reichsfinanz- und bosnischen Minister erfolgte, nunmehr zu Maßregeln entschlossen, welche die Reorganisation der Verwaltung Bosniens anbahnen sollen. Man wird gut thun, die in dieser Beziehung einlaufenden Nachrichten mit nicht allzu großen Erwartungen hinzunehmen, denn Oesterreich- Ungarn hat in den neuen Gebieten eine lange Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden. Es genügt keineswegs die nunmehr erfolgte Pacification deS Landes, in wel ches demnächst auch die letzten Flüchtlinge des herzego- winischen Aufstandes, welchen Montenegro keinen wei tern Aufenthalt gewähren will, zurückkehren werden; sie ihm darauf gehaucht, als er ihr gute Nacht gesagt, auf seiner Stirn fühlte er noch die zärtlichen Schmeiche leien ihrer Locken — o Gott, daß das nicht vorüber gehen Willi Und jetzt kam ihm wieder der Gedanke, den er in der ersten Stunde hatte, als er ins HauS trat — sich flüchten zu wollen. Er erwog die Banden, die ihn hier festhalten, prüfte seine Kraft, die er aufbitten könnte, diese Banden zu brechen und mußte finden, daß er schwach und elend sei. — Verwünscht I Er hat dem Feinde in heißesten Schlachten gegenübergestanden, mit wildem Jauchzen sah er dem Tode in- Gesicht — und hier steht er zitternd vor einem Entschlusse, wie eine feige Memme; und als schäme er sich vor sich selbst, warf er sich ausS Bett und vergrub daS Gesicht in die Kissen. Nach einer Weile glaubte er, eS müsse draußen Jemand vor dem Fenster stehen, hereinsehen und ihn beobachten. Er erhob sich und blickte sich um, und in der That, ein Jemand sah zum Fenster herein — eS war die Johanne. Mit einem Anflug von Entrüstung über diese Jn- di«cretion, eilte er nach dem Fenster, um dieses zu schließen, aber als er jetzt in dar Gesicht der alten treuen Dienerin blickte, stand er davon ab, ohne sich recht klar zu sein, warum. Sie winkte ihm mit der Hand, ruhig zu bleiben, und wa- sie sonst nur heim lich und verstohlen that, die mürrische Johanne, da» that sie jetzt offen und ohne Scheu — sie blickte ihn mit ihren großen Augen ernst und fragend an. „Wissen Sie, wen ich am meisten bedauere?" be gann sie, „e- ist die gnädige Frau. O Gott, wenn Sie ein Gewissen hätten — und Sie hätten ein Ge eS bedarf der Schaffung einer vollständigen Verwal tungsreorganisation, welche sich erst im Volke einleben muß, und einer durchgreifenden Reform des Beamten- stande-, der, wie man wiederholt in beiden Delegationen behauptete, durch sein Ungeschick Vieles zum Ausbruch de» Aufstandes beigetragen haben soll. Der Minister, welcher jüngst eine Rundreise durch Bosnien angetreten hat, wird vielleicht auch erwägen, ob es nicht angehen werde, die Bevölkerung innerhalb gewisser Grenzen an der Localverwaltung Theil nehmen zu lassen. ES würde, wie Manche glauben, die Mitwirkung localer Kräfte in allen Zweigen der Administration nur er sprießlich sein; wo dieselbe aber speciell herbeizuwünschen, ist die Agrarreform, deren Lösung, ohne daß die Be völkerung selbst an ihr Theil nimmt, kaum möglich erscheint. ES verlautet auch, daß die leitenden Per sönlichkeiten mit dem Plane umgehen, eine Art No- tabelnversammlung zur Berathung der Agrarreform einzuberufen; aber daS Hauptgewicht muß man doch auf die Einführung einer municipalen Autonomie in gewissen Grenzen legen, schon darum, weil damit für Oesterreich-Ungarn die große Last und die noch größere Verantwortlichkeit — auch gegenüber Europa, welches Oesterreich-Ungarn das Mandat ertheilt hat — für die innere Verwaltung entfallen würde, während bei dem gegenwärtigen System jeder kleine Mißgriff eines Ver waltungSbeamten natürlich auf Conto der österreichisch- ungarischen Regierung gebucht und von den Feinden der Monarchie gegen dieselbe ausgenutzt wird. Die Stellung der Verwaltung, und dieses ist vor erst da- Wichtigste, namentlich das Verhältniß des obersten Civilbeamten zu dem Militärgouverneur, wird durch die Ankunft deS Hrn. v. Kallay in Sarajewo voll ständig verändert, und man verspricht sich von den vielfachen, dem Minister sür Bosnien eingeräumten Befugnissen, eine wohlthätige Wirkung. Eine Wiener Correspondenz der „Bohemia" äußert sich hierüber, wie folgt: Die Uebelstände der gegenwärtigen Admini stration in Bosnien und der Herzegowina sind so all gemein bekannt, daß eine nochmalige Aufzählung der selben vollständig überflüssig wäre. Hervorgehoben muß jedoch werden, daß die Vielbeklagten und so nach theilig wirkenden Mißstände keineswegs gerade als ein Ausfluß des in den occupirten Ländern etablirten MllitärregimeS anzusehen sind. Das letztere hat sich al- solche-, soweit eS sich um direkte Leistungen deS Heere- handelte, durchgehends bewährt; was aber ge schadet hat, das war der DualimuS in der Verwaltung, der sich dadurch einbürgerte, daß man Civil- und Mili tärbehörden neben einander und nicht selten gegen ein ander fungiren ließ. DaS Hauptverschulden Szlavy's, der gewiß von den besten Intentionen beseelt war, bestand darin, daß er nicht mit Energie die Trennung der Civil- und der Militärgewalt anstrebte. Diese Trennung durchgeführt und mit derselben die so dringende Purification des Beamtenstatus in Bosnien und der Herzegowina verbunden zu haben, ist daS ausschließliche Verdienst des neuen Reichjfinanz- ministerS, der damit seine Thätigkeit in vielverheißender Weise inaugurirt. Der wichtigste Schritt besteht in einer Festsetzung des Wirkungskreises deS CiviladlatuS, wie sie in der bisherigen Organisation nicht vorhanden war. Der CiviladlatuS war siets ein untergeordneter Beamter, der nur die Befehl« deS obersten Militär- chefs auszuführen hatte und dem besten Falls in administrativen Angelegenheiten ein consultativeS Votum zustand. Einen factischen Einfluß übte er nach keiner Richtung aus. Jede Persönlichkeit, die bisher den Posten eines CiviladlatuS in Sarajewo bekleidete, mußte sich in einer subalternen Stellung fühlen und suchte demgemäß mit dem jeweiligen Militärchef auf gutem Fuße zu bleiben. Da dies nicht immer mög lich war, wechselten jene Personen, welche die Stellung inne hatten, sehr häufig. In Zukunst wird nun ein wissen, wenn Sie'S nicht mehr dulden wollten, daß sich Franziska so an Ihren Hals hängt I Jst's denn nicht genug mit dem — soll's denn immer noch weiter kommen?" Franz wurde roth und schien unfähig zu sein, ihr ein Wort zu erwidern. Unschlüssig, was er thun, oder was er ihr antworten sollte, stand er vor ihr, als habe sie ihn mit ihrem Blicke festgebannt. „ES wäre mir schon Alles recht — o der Johanne muß ja Alles recht sein", setzte sie bitter hinzu, „aber, wenn Sie wirklich der Franz sind, der Sie sein wollen, dann müssen Sie recht gut wissen, wie eS damals auf Leuteritz war, wo der gnädige Herr — Gott hab ihn selig —, die gnädige Frau und der kleine Franz bei dem Bruder, dem General v. Leuteritz, wohnten. Sie müßten wissen, daß wir erst dann hierherzogen in die Stadt, als Franzens Vaier todt war und der alte General seine Schwägerin nicht mehr leiden mochte." Die Johanne streckte hier die fünf Finger ihrer linken Hand stracks aus, bog dann mit der rechten Hand den Zeigefinger der linken um, als habe sie et wa» Wichtiges abzuzählen, wobei drei Falten horizon tal auf die Stirn traten, so daß man ihr eine strenge und ernste Gedankenarbeit ansah. „Wissen Sie das noch von der kleinen Wiese, wo die Truthühner weidet-n, dicht am Forst; das wissen Sie nicht? — Nicht, wie Ihnen die Hähne das roihe Halstuch vom Halse pickten und Ihnen daS Gesicht zerkratzten? Sie wären damals fünf Jahre alt ge wesen, wenn Sie'- wären " Die Johanne bog einen zweiten Finger um, wo bei sie ihm immer ernst und streng >m Gesichte forschte. ganz anderes Verhältniß eintreten, indem nämlich der oberste Militärchef nur noch nominell an der Spitze der Civilverwaltung bleibt. Thatsächlich geht dieselbe an den CiviladlatuS über, welchem alle Civilbehörden unterstellt sind und der auch in direktem Verkehre mit dem Minister steht. ES wurde eine neue Geschäfts- eintheilung erlassen, eine Art von Berwaltung-col- legium eingesetzt, welches über innere Finanz- und Justizangelegenheiten entscheidet, und der Verkehr der Behörden unter einander und mit dem CiviladlatuS neu geregelt. In allen Fellen steht aber Letzterm die Entscheidung zu. Der W->rth dieses reorgamsirten bureaukratischen Apparate- darf keineswegs unterschätzt werden. Er bedeutet eigentlich nicht- Geringere-, al- daß deS Schwergewicht der bosnischen Ver waltung von Wien nach Sarajewo verlegt wurde. Dadurch, daß bisher der oberste Chef der Militärbehörde gleichzeitig auch die gesammte Ver waltung dirigirte, hatte man sich gewöhnt, bei jedem nur Halbwegs gegebenen Anlasse sich an das Reichs finanzministerium als die oberste Instanz, wo alle An gelegenheiten der occupirten Länder entschieden werden, zu wenden. Der Militärverwaltung mangelte eS bei der doppelten Aufgabe, welche ihr oblag, vielfach an der nöthigen detalllirten Kenntniß aller Verhältnisse und damit an der Energie, größere Verwaltungsaus gaben selbstständig zu lösen. Infolge dessen wander ten oft die Acten von Sarajewo nach Wien, und die Beamten gewöhnten sich schließlich daran, in Allem und Jedem aus die Entscheidung des Reichsfinanz ministeriums zu harren. Dieses leidige Verhältniß erfährt endlich eine totale Umgestaltung. Der neue CiviladlatuS wird der eigentliche Chef der Verwaltung, ihm unterstehen sämmtliche Beamte, er richtet seine Anträge direkt an das Ministerium in allen Fällen, wo eS sich um wichtige principielle Fragen handelt, während er in allen laufenden Angelegenheiten der Verwaltung selbstständig und unter eigener Verant wortung seine Maßnahmen treffen kann. Die letzte Entscheidung steht selbstverständlich in allen zweifel haften Fällen nach wie vor dem ReichSfinanzminister zu, der seinem obersten Herrn und den VertrctungS- körpern gegenüber verantwortlich ist; allein die Ver waltungsagenden selbst sind in der Hand deS Livil- adlatuS concentrirt, der mithin eine große Macht, aber auch ein großes Maß von Verantwortlichkeit besitzt. Alles hängt jetzt davon ab, ob Hr. v. Kallay die richtige Wahl getroffen, als er seinen Freund und politischen Gesinnungsgenossen Baron Nikolitsch zur Annahme der Stelle eines CiviladlatuS bewogen hat. Ueber die Erfolge der Reformen in BoSnren läßt sich allerdings kaum etwas voraussehen. ES gehört nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit, daß die von der österreichisch-ungarischen Regierung erstrebten Ziele nicht erreicht werden; allein das kann man ver sichert sein, daß seiten der neuen bosnischen Regierung daS Möglichste geschehen wird, um in Rücksicht auf zukünftige Möglichkeiten Oesterreich den Besitz der occupir ten Länder zu sichern. „Alle Uebel", sagt die (alte) „Presse", „sind in letzter Instanz nur aus einem ein zigen Punkte, durch die Annexion beider Provinzen dauernd zu curiren." — Ueberelnstimmend hiermit be merkt der „Pester Lloyd": „Bei alle Dem, was die Monarchie in Bosnien und der Herzegowina gethan hat, kann nirgends auch nur der leiseste Zweifel über daS Endziel der Occupation bestehen, und je größere Anstrengungen gemacht werden, um den Verhältnissen in den occupirten Ländern Dauer und vernünftigen Inhalt zu geben, und je größere Opfer gebracht wer den, um die Position der Monarchie in jenen Ländern zu befestigen, desto abträglicher wäre eS sür die Repu tation Oesterreich Ungarns, wollte man irgendwo die Voraussetzung gelten lassen, daß Alles geschehe um ephemerer Zwecke willen, irgend einem idealen Motiv „Wissen Sie's vielleicht noch von dem alten Thurm hinter der Scheune, oder vom Weiher, wo Sie auf einem Schwan reiten wollten und beinahe ertrunken wären? DaS müßten Sie gewiß noch Aller wissen, denn Franz hat eS noch recht gut gewußt, ehe er nach Amerika ging." Sie sah ihn wieder fragend an, in ihren Augen lagen dabei scharfe, sich begegnende Linien, Linien, wie Lichtstreifen, eisig und kalt, mit denen si- ihn durch und durch zu bohren schien. Sie hatte drei Fälle vor- gesührt, zwei Finger an ihrer Hand umgebogen und bog jetzt den dritten um. „Wissen Sie noch wie Sie über den Mühlbach schwimmen wollten, und als Sie an der Mulde an kamen, da, wo eS so sehr tief ist, da gingen, o großer Gott, da gingen Sie unter, und wer war eS, der hineinsprang und Sie rettete? — Die Johanne war eS; Sie müssen das wissen, wenn Sie der Franz wären I" Er sah sie hier an und schien versteinert zu sein, und ohne auch nur einen Moment lang daS scharfe, strenge Auge von ihm abzulenken, bog sie abermal einen Finger um und fuhr weiter: „Wissen Sie da- voll den Spauzenmännchen, die Sie mit dem fremden Knaben in der Remise machten? Ein Loch bohrten Sie in die Erde und warfen Pulver hinein, wie eS der gnädige Herr auf der Jagd brauchte, dann legten Sie Steine darauf und steckten daS Spauzen männchen an. Herr Gott, wie da- durch die Remise bebte, daß Einem das Herz un Leibe zusammenfuhr. Beinahe wäre da- Reiserholz in Brand gerathen und daS Dach hinweggeflogen; — wenn Sie der Franz wären, dann müßten Sie'» wissen, wie Ihnen die