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liehen Elemente wurden von Mozart zu einem persönlichen Eigenklang umgeschmolzen. Das Virtuose steht nicht einseitig und blendend im Vordergrund, es hält sich die Waage mit dem rein Musikalischen. Das A-Dur-Konzert wird gern als das bedeutendste der Reihe aus dem Jahre 1775 bezeichnet. Eine aus dem Dreiklang geborene, von Pausen durchbrochene, dynamisch gegensätzliche Melodie eröffnet den ersten Satz. Ein kurzes Adagio unterbricht die Entwicklung, bis erneut die Allegrobewegung anhebt, ein schwereloses, heiteres, durchsonntes Kon zertieren zwischen Orchester und Solist. Von großer melodischer Schönheit ist der zweite Satz. Der Haupt gedanke wird vielfältig verwandelt und ornamental verziert. Brunetti, ein Geiger der Mozartzeit, fand diesen Satz „zu studiert“, und der Komponist ging bereitwillig auf den Vorschlag ein, einen neuen zweiten Satz zu schreiben, der später als KV 261 veröffentlicht wurde. Der Schlußsatz erinnert an ein Menuett, das — ähnlich der Form des Rondos — immer wiederkehrt. Elemente der Volksmusik sind in den Mozartschen Schlußsätzen am ausgeprägtesten vertreten. Im A-Dur- Konzert erinnert ein Zwischenteil (gleichsam das Trio des Menuetts) an die damals beliebte Zigeunermusik, die auch von Haydn gern und oft verwendet wurde. „Schöpfungen einer selbstbewußten, mitunter überschäumenden Jugendkraft“ nannte Abert die Mozartschen Violin konzerte. Noch heute spüren wir diese Kraft! Das Violinkonzert von Peter Tschaikowskij entstand rund ein Jahr hundert später in Clärens in der Schweiz, wo sich der Komponist mit seinem Bruder zur Erholung aufhielt. Das lichte D-Dur charakterisiert so recht Tschaikowskijs „reinste Seligkeit des Schaffens“. Verglichen mit Mozart und Beethoven trägt das Konzert Tschaikowskijs virtuosere Züge, doch wird der Zusammenklang zwischen Orchester und Solist nie verletzt, das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Es gibt nicht einen Solisten, der nur begleitet wird. Nein, das Orchester ist gleich berechtigter Partner. Es beteiligt sich an der thematischen Verarbei tung und Weiterführung, es übernimmt stellenweise die Führung. Wir verstehen, daß das Konzert bald ein Lieblingsstück aller Geiger wurde, gefürchtet ob seiner technischen Schwierigkeiten, aber dennoch geliebt ob seines melodischen Reichtums, der leuchtenden Harmonik und ob des echt russischen Grundklanges, der das Werk durchzieht. Eduard Hanslick war anderer Meinung: Er meinte, das Werk zeichne sich durch Unausgeglichenheit, Geschmacklosigkeit und Wildheit aus. Den Anfang fand Hanslick zwar erträglich, doch später nannte er das Spiel der Geiger ein Brüllen, Heulen uud Kratzen. Das Finale gebärdet sich nach Hanslick wie ein wüstes Trinkgelage. Man sähe rohe Gesichter, man höre gemeine Flüche, man rieche den Fusel. „Ein Kritiker“, schreibt Hanslick weiter, „hat einmal über ein Gemälde geäußert, es wäre ab stoßend realistisch, daß es stinke. Als ich Tschaikowskijs Musik hörte,