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M136 Donnerstag, den 15. Juni. 1882. ^t»oanement»pra«»r I« U»»»«» Laicd»: ^it>r!ict>r.... »8 Uark. ^fSbrlicb- 4 80 Vs. Livrelo« Auwwsro: I0?5. La«»»rd»ld <i«» cleutacbeo lisieb«« ?o»t- uoä 8temp6lru»cbla^ tuoru. Inseratenprelser l'ür 6»n Raum einer ^"paltsoen vetitrsils 20 vk. Unter „Linxeesnät" äis 2eils SO Vs. vei 2'»b«Ueo- uvä Äüernsstr SO ^us»ekl»^. kraekelneo r mit ^ueoatima 6er 8onn- vnä veisrt»^» HianU» kür üen kol^eoüön 1s^. ZresdnerIonrnal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. InseratenLnnadme Ln»wttr1»r I-»tx^^: n. Lran^rtetter, UowwieiionLr 6e» Dresdner Journal»; Nnmdar^ Serltn -Vien l.«tp«i^ L»»»I L-»«1»v t-r»ndeort n. H . s/ar«e»i«te>n <s vüA/rr,' L«rlin-V>«n Semdnr^ rrex-I-eipriß- rrLlltlkart ». «. Hüniden: ktu<t. Lcrlia: ,' Lrsmen: Lc/</»tte, Lr»«I»n: ÄariArn's Lurrau kraLikturi » dl : ^arArr^srke Ij»c>it><tn6Iun^; ÜSrlU«: </. a/Mrr,' Levvover: 0. Lezüntev, keri, LerUll-rrnnllknrt » N »to«8»rt: Laude F t,'o., llLwdurx^ ^4-i. Linier. Ilvranaxedvrr Lüoiel. Lipeäition äe» I)rev<tv«r Journal», DresUen, ^«in^eretrnses Lo. 20. Ämtlicher Theil. Dresden, 7. Juni. Se. Majestät der König haben dem Pfarrer vr püil. Franz Ludwig Köttschau in HauSwalde das Ritterkreuz I. Elaste vom Albrecht»- orden Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 12. Juni. Se. Majestät der König haben dem in den Ruhestand getretenen Grund- und Hypothekenbuchführer bei dem Amtsgericht Freiberg, Aktuar August Ferdinand Junghan», da» Verdienst- kreuz zu verleihen Allergnädigst geruht. ! ! > II! I»» »»»'II » 1 » . , Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte«. Pilsen, DienStag, 13. Juni. (Tel. d. Boh.) Bei den heutigen HandelSkammerwahlen haben in der Handel-section die Deutschen eine schwere Niederlage erlitten, indem ihre Kandidaten mit 74V gegen 817 Stimmen der Tschechen unterlagen. Die Betheiligung war eine noch nie dagewesrne; von 1644 Wählern betheiligten sich 1566 an der Wahl; bloS 78 Wahlenthalten haben stattgefundrn. DaS künftige Stimmenvrrhältniß in der Handels kammer ist im günstigsten Falle 19 Deutsche, 17 Tschechen. Proteste wegen WahlterroriSmuS find in Vorbereitung. Paris, DienStag, 13. Juni. (Tel. d. N. fr. Pr.) Dir „R^publique fran^aise" bespricht die im englischen Blaubuche enthaltenen Depeschen über die ägyptische Frage und erklärt, daß Gam betta für eine gemeinsame englisch - französische Intervention in Aegypten gewesen sei; er hätte eine rapide Operation gewünscht, welche der Türkei keine Zeit zu Jntriguen gelassen und wegen der kurzen Dauer der Action Europa nicht beunruhigt hätte. Earl Granville'S Abfall von dieser Poli tik erklärt daS Blatt Gambetta'- mit der Wan delbarkeit Kreycinet'S. Mit Gambetta hätte sich der englische Staatssekretär deS Aeußern sicher eingelassen, mit Freycinet habe Earl Granville fick nicht weiter vorwagen wollen. Hier ist übrigens bekannt, daß Gambetta 10 699 Franzosen und 6999 Engländer nach Aegypten senden wollte und daß der Marine- Minister bereits Alles fertiggestrüt hatte. In zwischen sei Gambetta gefallen. Paris, Dienstag, 13. Juni, Abend-. (W. T B.) Die Budgetcommisfion lehnte den für die Botschaft beim Laticav verlangten Credit ab. Die Deputirtenkammer genehmigte in zweiter Lesung den Gesetzentwurf, nach welchem die Ehe scheidung wieder zulässig sein soll. Im Senat erwiderte der Conseil-präsident de Freycinet auf eine Anfrage Larrinty'S betreffend Aegypten, die ägyptischen Truppen seien in Alexandrien zwar langsam angekommen, hätten aber ihre Pflicht gethav. ES seien nunmehr Ver stärkungen eingetroffen. Er hoffe, die Ruhe werde fortdaurrn; unter den den Unruhen zum Opfer Gefallenen, deren Zahl auf 38 angegeben werde, befinde sich ein Franzose. Die Ereignisse seien durch dir religiöse Leidenschaft hervorgerufen wor« den, politische Gründe seien dabei nicht vorhanden. Trotzdem habe die französische Regierung alle Maßregeln getroffen, welche zum Schutze ihrer Staatsangehörigen erforderlich find. Paris, Mittwoch, 14. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die „Agence HavaS" meldet bezüglich der außerhalb verbreiteten Gerüchte über die Ermordung des Ahedive Tewfik, eS liege keine derartige De pesche vor. Feuilleton. Aedigirt von Otto Banck. Eia« Audienz beim Khedive Tewfik.*) Der Ehamsin hatte im Frühjahr 1881 ziemlich lange auf sich warten lassen. Am 22. April wehte er zum ersten Male durch die Straßen und Gassen von Alexandrien, und als ich am Morgen des erwähnten TageS von der Rue-deS-SoeurS nach der Place «Meh met-Al, ritt, schien eine unsichtbare Feuer- und Gluth wand sich mir entgegenzuichieben. Ueberall hatte man die grünen Jalousien tief herabgelassen, die Lust zit terte sichtbar um mich her und an den Eingängen zu den Lass», die sonst bereit» um diese Stunde mit Menschen förmlich umlagert waren, zeigte sich auch nicht ein einzige» lebendes Wesen. Als ich an den offenen Thüren der Häuser mit meinem Roß vorüber trabte, schliefen die schwarzen Portiers in den schat tigen Nischen einen festen Schlaf, und auS den ver gitterten HaremSfenstern, auS denen so häufig, gleich viel ob srüh oder spät, Gesang und Musik erschallt, drang kein Laut heraus. Am nordwestlichen Ende deS Mehmet-Ali-Platze» angelangt, bog ich ,n die Rue« de-RaS et-Tin ein, kreuzte daS schmutzige arabische Quartier, durchschnitt darauf das im Ganzen reinlichere und schattigere Türkenviertel und erblickte alsdann mit einem Male daS vicekönigliche Schloß mit seiner weit« hinleuchtenden weißen Front vor mir. Nachlässig pMrouillirten die wachthabenden Soldaten in ihren *) Nachdruck nicht gestattet. Brüssel, Dienstag, 13. Juni, AbendS. (W. T. B.) Nach dem nunmehr vollständig vorliegen den Resultat ist durch die heutigen Erneuerungs wahltu die liberale Majorität der Repräsentanten- kammer von 14 auf 18 und diejenige des Senats von 4 auf 7 Stimmen gestiegen. (Vgl. die„Tage»- geschichte") Dresden, 14. Juni. Die Enthebung deS Grafen Jgnatiew, de» russischen Minister» deS Innern, auf Befehl Sr. Majestät Kaiser Alexander'» Hl., steht nächst den Vor gängen in Aegypten an der Spitze der TageScreignisse. Allein auch dieser Vorgang bietet gleich den Ereig nissen in Aegypten viele» Räthselhaste, und namentlich bezüglich der Gründe deS Sturzes deS noch vor Kurzem allmächtigen M'wsterS fehlt eS noch an verläßlichen Andeutungen. WaS die Zeitungen und Telegramme hierüber bieten, sind mehr oder weniger Vcrmuthuugen, und eS kann daher nur unsere Ausgabe sein, den Grad der Wahrscheinlichkeit derselben zu prüfen. Bevor wir hierzu übergehen, dürfte e» angezeigt sein, un» mit der geschichtlichen Persönlichkeit des russischen Staats manns zu beschäftigen. Graf Jgnatiew, der schon durch den ihm von Col- legen und durch die Presse beigelegten Namen „kaeba wvntvur" mindestens als keine gewöhnliche Erscheinung gekennzeichnet ist, — Gras Jgnatiew war der eigentliche Macher deS letzten Orientkriegs, den er durch ein mit seltener Eonsequenz durchgesührteS Doppelspiel zu Wege brachte. Bald Anwalt der Pforte, fügt Dr. Ludw. Holthof in der vor Kurzem erwähnten Schrift: „Der rus sische Vulcan", bald Protektor der von dieser unter drückten slawischen Stämme, bald im Bunde mit der Griechencolome in Konstantinopel, bald gegen diese conspirlrend, schuf er den heillosen Zustand der Ver wirrung, der allein den in Rußland seit Jahrhunderten populären Türkenkrieg ermöglichte. Welche Bahnen der verschlagene Mann nach dem Kriege gewandelt ist, braucht nicht auselnandergesetzt zu werden, sie liegen offen vor Aller Augen. Könnte ein Zweifel darüber bestehen, so würde daS Schristchen uns Ausschlüsse darüber geben, daS Jgnatiew vor wenigen Wochen durch einen seiner Getreuen in Paris unter dem Titel „I-ss Nihilist«» st la Revolution «n Russis" hat veröffentlichen lassen, um seinen etwas abständigen Ruhm ein Wenig wieder aufzusrischen. Gras Jgnatiew wird in demselben als VaterlandSerretter verherrlicht und als der wahre Lenker der russischen Politik dar gestellt, war leider nur zu begründet zu sein scheint. „Man spricht heutzutage in Emopa", so heißt eS u. A. in der kleinen Brandschrist, „mit einer gewissen Aufregung von Dem, was man den Panslawismus nennt. Rußland läßt eS geschehen; eS kann sogar, wenn die augenblickliche Nothwendigkeit eS erheischt, bis zu einem gewissen Grade diese Politik verleugnen. In Wahrheit ist sie aber die seinige. Sie ist eS, weil Rußland keine andere haben kann. Die slawische Race wird in den Kamps mit den gealterten Racen Mitteleuropas eintreten und sich ihnen aufzwingen alS ein Hauptsactor der europäischen Politik." WaS Graf Jgnatiew bisher in Rußland galt, dürfte allgemein bekannt sein. Auch brauchen wir kaum zu wiederholen, daß General Skobelew daS volkSthümliche Organ des russischen Staatsmanns ist, sein „Prophet im Soldatenrocke", wie man ihn ge nannt hat. General Skobelew ist der Verkünder der Gedanken deS Mannes, der rn Rußland als der eigent liche geistige Leiter deS Panslawismus erscheint. Vom Standpunkt des deutschen Interesses auS kann daher die Wandlung in St. Petersburg mit Freuden be grüßt werden. grauen Uniformen vor der Rampe auf und ab. Ich sprengte direct und ohne Zögern auf daS PalaiS zu, denn Herr Wilhelm, Kanzler deS kaiserl. deutschen Generalkonsulats zu Kairo, hatte mir einen in ara bischer Sprache ausgefertigten und auf dem „Ministers äs» vdaßts" (Ministerium deS Innern) signirten TeSkereh ausgestellt, der noch obendrein die Unterschrift Ali Pascha- trug. Auf Grund einer solchen Legiti mation zauderte ich auch nicht eine Minute, nachdem ich von meinem Pferde abgestiegen und dasselbe einem auf dem Platze herumlungernden Araberknaben anver traut, durch daS Portal hindurch in daS zu ebener Erde gelegene Bureau des dienstthuenden Hauptmann» mich zu begeben. Der Eapitän, der officiell den Titel „Einer über Hundert" führt, theilte mir mit, daß der Khedive am 24. April früh die Residenz Masr*) verlassen und mittelst ExtrazugeS sich direct nach Alexandrien begeben würde; jedenfalls schon am Vormittage des 25. könnte ich somit die Erlaubmß erhalten, zur Audienz vor gelaffen zu werden. „Indessen", fuhr der Offizier fort, „muß ich darauf aufmerksam machen, daß Sie zunächst sich h>r be treff» Namen», Stande» und Nationalität tinzuschrei« den, bez. auSzuwrisen haben." Ich präsentirte die erwähnten Papiere und hatte da» Vergnügen, daß nach Einsicht einer solchen Legitimation der anfänglich etwa» zugeknöpfte Araber mich mit ausgesuchtester Freundlichkeit behandelte. Al» ich mich nach ziemlich umständlichen, eigentlich aber nicht» oder wenig be sagenden Complimenten verabschiedet und wieder auf *) vtasr-«l-Kahira ist di« arabisch« Vrzeichnuag für Kairo. Für die Veranlassung der Entlassung deS Grafen Jgnatiew bringt man eine Anzahl allgemeiner Ei- klärungSgründe vor. Zunächst ist daran zu erinnern, daß der Anfang der jetzt beendeten Jgnatlrwknse mit der Wiederberusung Loris Melikow'S zusammenfiel, von dem feststeht, daß er in vielen Punkten von Jgna tiew abweicht. So z. B. sollte, wie kürzlich bereits erwähnt wurde, unter Alexander II. und LoriS Meli- kow daS Projekt der Abschaffung der Kopfsteuer zur Ausführung gebracht werden. Mit dem Tode de» vorigen Zaren aber und der Ersetzung Lori» Meli kow'S durch Jgnatiew trat dieser Plan mit allen übrigen Ideen in den Hinte»grund. Da kehrte vor Kurzem LonS Melikow auf Wunsch deS Kaisers nach St. Petersburg zurück und bald danach erschien ein ka'serl. Ukas, welcher die successive Abschaffung der Kopfsteuer, welche ausschließlich auf den unteren Klaffen der Bevölkerung ruht, anordnet. Die Vermuthung spricht also dafür, daß eS Lori» Melikow gewesen ist, welcher den Zaren bestimmt hat, auf die Bahnen zu- lückzukehren, welche Alexander II. einfchlagen wollte und die auch Alexander III. anfangs zu den seinigen zu machen gedachte, bevor ihn die Rücksicht auf die Panslawisten zwang, sich einer andern Richtung zu überlassen. Hieiaus würde hervorgehen, ^aß die Politik des Grafen Jgnatiew sich als keine fruchtbringende für die Besserung der Zustände in Rußland erwies, sodaß nach dieser Seite hin Kaiser Alexander III. auf seine Mitwirkung verzichten konnte. Der eigentliche Antrieb zu seiner Entlassung dürste vielleicht von außen ge kommen sein, und Alexander III scheint eS für noth wendig gesunden zu haben, durch einen für Jedermann unzweideutigen Schritt zu erkennen zu geben, daß er jene gehässige panslawistische Agitation, welche in dem bisherigen Minister ihre einflußreichste Stütze gefunden hat, mißbilligt und nicht zu dulden willens ist. Be- merkenSwerth ist eine Berliner Correspondenz der „Elsaß-Lothringischen Zeitung", in welcher eS heißt: „Schon bei der Reise deS Großfürsten Wladimir (nach Wiesbaden und Wien) vor einigen Wochen ver lautete, daß derselbe Träger einer kaiscrl. Mittheilung an die Höfe von Berlin und W en sei, welche auf einen bevorstehenden Personenwechsel hindeute; seitdem ist Großfürst Wladimir am Donnerstag wieder in Berlin gewesen und soll auch dem Fürsten Bismarck einen Besuch abgestattet haben. Ihm aus dem Fuße folgte Großfürst Sergiu», welcher den Kaiser be, der gestrigen Feier (Taufe des Sohne« des Prinzen Wil helm) in Potsdam vertrat, und von gestern datlrt wohl auch der Ukas, welcher durch die Entlassung des Grasen Jgnaüew ein System beendet, dessen Fortdauer auf die auswärtigen Beziehungen Rußlands kaum ohne liefern Einfluß bleiben konnte."— Wie verlautet, bemerkt die „National-Zeitung", wäre man in Berlin schon vor 14Tagen durch eine Dame, die an dem russischen Hofe eine hervorragende Stellung einnimmt und die sich hier einige Tage aufhielt, auf daS bevorstehende Er- eigmß vorbereitet worden. Jener, von der „Nat.-Ztz." bezeichnete Zeitpunkt war derjenige, wo eine in der Berliner Tagespresse sehr sichtbare Mißstimmung gegen Rußland aus An laß der von Graf Jgnatiew geleiteten panslawistischen Agitation bestand. Damals (l. Juni d. I.) brachte die „Neue Preußische Zeitung" jene von uns reproducirte bedeutsame Note, in welcher darauf hin gewiesen wurde, daß der Deutschenhaß in Rußland bis in die „höchste Aristokratie hinauf" Nahrung finde. „Die angedeuteten Regungen und Animositäten", schrieb das Blatt, „scheinen so verzweigter Natur zu sein, daß der kaiserl. Hof selbst immer wieder in den Zweifel verfällt, wie demselben beizukommen sein möchte, ohne den Personalbestand bis in die höchsten Aemter hinauf einer völligen Umwälzung zu unterziehen." dem Schloßplatze befand, gewahrte ich, daß mein kleiner Wächter die Zeit meiner Abwesenheit dazu be nutzt hatte, sich auf meinen Rappen zu schwingen und allerhand Reiterkunststückchen auf dem Rücken des Thieres zu produciren. Erst ein energifcher Zuruf, verbunden mit dem selbst in den besten arabischen Kreisen bei jeder Gelegenheit angewandten sehr derben Scheltworte „Ibn el kelb", bewogen meinen Araber, mir daS Pferd wieder zu übergeben. Am 24. April ging ich rechtzeitig nach dem Lentralbahnhof bei der Porte-Moharrem-Bey, in den die Züge von Kairo emlaufen. Durch einen Bakschisch ei kaufte ich mir den Zugang zu dem Perron, auf dem nur einige höhere Offiziere und die viceköniglichen Geheimsecretäre, die TagS zuvor eingetroffen, auf- und obspazierten. Wenige Minuten vor 9 Uhr (nach sogenannter fränkischer Zeit) traf der Expreßzug mit dem Khedive ein. Der Train führte nur 2 Salon- und I Gepäckwagen. AuS dem ersten Salonwagen stieg Tewfik Pascha, auS dem an dern verschiedene Hofchargen. Obschon der Khedive schon seit Monaten nicht in Alexandrien geweilt und nunmehr feinen Hos auf längere Zeit und zwar für den ganzen Sommer nach Iskander verlegen wollte, so vollzog sich der Empfang seiten der Beamten wie Militärs sehr rasch und chne jedwede größere Cere- monie. Der Vicekönig bestieg eine am Ausgange be reit gehaltene zweispäunige Equipage und ließ sich di rect nach seinem Palaste am Ra» et-Tin (Feigencap) fahren. Eingeborne, ebenso Europäer, welche auf dem sehr belebten Platze vor dem Bahnhof ihren Geschäften nachgingen, nahmen von der Ankunft deS Herrscher» durchaus keine Notiz. Der Ehamsin hatte sich Tag- zuvor gelegt, eine Wie man sieht, scheute Alexander III. vor diesem Schritte nicht zurück und er hat hierdurch einen Be weis von Energie gegeben, welcher von Vielen al- die Inauguration einer neuen BerwaltungSperiode ange sehen wird. Die Kundgebungen der russischen Journale geben wenig Aufschluß über die Ursachen, welche die Ent lassung deS Ministers herbeisührte. S»e beschäftigen sich lediglich mit seiner inner« Politik und stimmen in ihrem Urtheile so ziemlich überein. Der „GoloS" gesteht Jgnatiew Energie und Initiative zu, constatirt aber, daß daS Land im Laufe von zwölf Monaten auS dem Zustande der Aufregung nicht herautkam und heute womöglich noch mehr aufregende Elemente al» früher vorhanden seien. Die Ermüdung Jgnatiew'» fei erklärlich, da nichts mehr abspanne, als unfrucht bare Arbeit, und die Niederhaltung, die Anregung von der wahren Sachlage fernliegenden Fragen sei stets e»ne solche unfruchtbare Arbeit. Die „Nowoje Wremja" bemerkt in einer Lobrede aus den gewesenen Minister, es sei vom Rücktritt Jgnatiew's schon lange die Rede gewesen, und daS allmähliche AuSeinandergehen seiner Ansichten mit denen einiger einflußreicher Persönlichkeiten habe schließlich zur Demission geführt, und zwar nicht der Art, daß man davon mit voller Offenheit sprechen könnte. Die „Nowosti" schildert die Verwaltung Jgnatiew's als eine Reihe von ökonomischen Erschütte rungen, einen Taumel wilder Leidenschaften. Der neue Minister Graf Dimitri Tolstoi, Prä sident der St. Petersburger Akademie, wird von einer Anzahl russischer, ihm bisher immer geneigter Blätter sympathisch begrüßt, während in der deutschen und österreichlichen Presse auch ihm gegenüber da und dort wieder ein Mißtrauen sich kund giebt, von welchem russische Staatsmänner bei uns selten verschont bleiben. So bemerkt der „Hamburgische Correspondent": „Ohne Uebertreibung läßt sich behaupten, daß Graf Tolstoi der unbeliebteste Staatsmann der Regierung Alexander's II. gewesen ist und daß zwischen Conser- vatwen, Liberalen und Revolutionären Rußland» dar über keine Verschiedenheit der Meinungen besteht, daß die vieljähnge AmtSdauer dieses „besten Verbündeten" der Nihilisten (1866 bis 1880) unter den UnglückS- sällen de« vorigen Regime» obenan gestanden habe. Nicht einmal bei seinen angeblichen Verbündeten, den Nationalen, ist Tolstoi jemals gern gesehen worden: seine bigotte „Rechtgläubigkeit", seine einseitige Partei nahme sür das in Rußland niemals lebendig gewor dene elastische Unterrichtssystem, seine Strenge und Jnhumanltät gegen Lehrer und Lernende machten ihn selbst da verhaßt, wo man ihn al» Nachfolger de» materialistisch gesinnten Golownin und als Schützling des großen Katkow freudig begrüßt hatte. Dem ehe maligen „Diktator" Loris Melikow rst keine andere RegierungShaudlung so gedankt worden, wie die Entlassung Telstoi'S, welche in einer nie vorher und nachher in Rußland vorgekommenen Weise von der periodischen Presse bejubelt und zum Gegenstände von Betrachtungen gemacht wurde welche» alle» Dagewesene an Grobheit und Bitterkeit übertrafen. Den einzigen Katkow und die einzige „MoSk. Zeitung" ausgenom men, erhob sich damals keine einzige Stimme zu Gunsten deS gestürzten Ministers, der sich alle Par teien und den größten Theil aller Lehrer und Unter richtsbeamten dcS Reichs zu Feinden zu machen ge wußt hatte — von der leidenschaftlich gegen ihn auf gebrachten Jugend gar nicht zu reden! A>S Verwalter deS UnterrichlSwesenS war er ebenso unglücklich ge wesen, wie als Mitglied der höchsten russischen Kirchen behörde, die eben damals einer belebenden Neuordnung dringend bedurfte und statt dessen schlimmer denn je versumpste." Man dürfte vielleicht in dieser Voreingenommen heit gegen den neuen Minister zu weit gehen. Zu kühlere Brise wehte von der See herüber und als ich am Nachmittag im Cafs-il-Paradiso die neuesten Pa riser Zeitungen überflog, theilte mir mein griechischer Ganymed mit, daß zwischen 5 und 6 Uhr der Vice könig eine Rundfahrt durch da» Eentrum der Stadt unternehmen würde. Da, wie ich wußte, Tewfik Pascha den Nachmittag im nahen Ramleh zubrachte, nahm ich ein Pferd und ritt vom Consulplatz aus die Ramleh- promenade langsam hinauf. Es war ein Sonntag, und besonders zeigte sich die griechische und italienische Damenwelt äußerst zahlreich, theilS im Wagen, ande rerseits zu Roß auf diesem Corso der eleganten Welt. Der Grieche liebt vor Allem buntfarbige, bizarre und selbstredend die luxuriösesten Toiletten. Die griechischen Schönheiten waren mit go'.dnem und diamantnem Ge schmeide förmlich überladen und damit nicht nur am Hal«, an den Armen und an den Fingern, sondern auch in den Haaren, auf der Brust und an dem Gür tel geschmückt. Wädrend aber die Roben der Damen nach der neuesten Pariser Mode und in tadellosem Schnitt gefertigt waren, trugen die auf- und abgalo- pi.enden Cavaliere mit wenigen Ausnahmen die weiten griech scheu PantolonS, die zu dem schwarzen euro päischen Leibrock in seltnem Eontrast standen. Nicht lange währte e- und der Vicekönig befand sich in unserer Nähe. Er fuhr in einem offenen zwei- spännigen Coupe, nur von seinem Kammerdiener be gleitet und grüßte rechlS und link«. Mit Ausnahme feine» rothen Tarbuiche» war er völlig europäisch ge kleidet. Auffallend war e» mir nur, daß auch nicht ein Mal ein Sai»*) seiner Equipage voraneilte, der ") An äußerst phantastisch copümirter vorl»uf«r.