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1454 Anschauung über da» Berhältniß von Staat und Kirche auf dem Gebiete der Schule nicht erschöpfend vorgelra gen hat; denn die Mitwirkung der Kirche einzig und allein von dem „Rahmen de» StaatSgesetzeS und der Staats ordnungen" abhängig zu machen, entspricht doch sicherlich auch den konservativen Grundsätzen nicht, die auch von einem Rechte der Kirche auf dem Gebiete der Schule reden. Nimmt der Staat die Schule ganz und autschließlich für sich in Anspruch, so kann zwar dann und wann, wenn der Staat die Grundsätze der Kirche anzuerkennen ge ruht, eine gedeihliche Mitwirkung der Kirche in der Schule möglich sein, aber eine dauernde friedliche Mit arbeit läßt sich nach den Theorien de» Minister» nicht denken. Der Minister ist principieller Gegner der Simultanschulen; er macht daraus kein Hehl; natürlich wild er, wo die Verhältnisse e» gebieterisch fordern, auch Simultanschulen zulassen müssen; wir freuen unS, daß er in allen Fällen die konfessionelle Minderheit zu schützen al» seine höchste Pflicht betrachtet. Lange schon ist ein solche» Wort vom Ministertische nicht gekommen; seit Jahren ging von da die Parole aus, die Katholiken, die konfessionelle Minorität, wo e» immer anging, zu schädigen und zu bewältigen; um so dankbarer acceptirt das katholische Volk das Ver sprechen des Ministers, ihm Schutz zu gewähren; mehr noch würde es sich freuen, wenn der Minister in der Lage wäre, ihm da- Recht und die religiöse Freiheit wieder zu verschaffen, die ihm seit Jahren entzogen sind." Tagesgeschichte. Dresden, l9. December. Die Erste Kammer genehmigte in ihrer heutigen Sitzung, welcher als Ver treter der Staatsregierung StaatSminister Frhr. v. Könneritz, geh. Schulrath l)r. Bornemann und geh. RegierunqSrath Königsheim beiwohnten, den Verkauf des Vorwerks Pennrich und trat in Bezug auf die Petitionen: der Stadtgemeinde Altenberg, Bewilligung einer Beihilfe aus Staatsmitteln behuf» Verminderung der ihr infolge elementarer Ereignisse erwachsenen Schuldenlast betreffend, des Rittergutsbesitzers v. Som- merlatt m Kleinhänchen, einen Entschädigungsanspruch betreffend, und der Mitglieder des KreiSturnrathes deS XIV. deutschen Turnkreises, Oberturnlehrer Bier in Dresden und Gen., die Bewilligung einer jährlichen Beihilfe von 10 000 M. an die Turnvereine Sachsens zur Ausbildung von Turnwarten und VereinSvorkur- nern betreffend, den von der jenseitigen Kammer ge faßten Beschlüssen bei. Nächste Sitzung unbestimmt. Dresden, 19. December. Durch den Vorsitzenden deS LandesculturrathS, Oberschenk v. Metzsch, wurde heute die 14. öffentliche Plenarsitzung des LandeS- culturraths eröffnet. Ueber die Verhandlungen selbst berichten wir nebenstehend. * Berlin, 18. December. Ueber den bedauerlichen Unfall, welcher Se. königl. Hoheit den Prinzen Wilhelm, ältern Sohn Sr. kaiserl. und königl. Hoheit des Kronprinzen, betroffen, verlautet folgendes Nähere: Prinz Wilhelm hat sich gestern, nachdem er von einer Schlittenfahrt zurückgekehrt war, bei einem im Regi- mentshauS deS 1. Garderegiments zu Fuß veranstalte ten Tanzvergnügen eine Kniescheibe ausgefallen. Geh. Rath vr Wilms ist zu dem hohen Kranken nach Potsdam berufen worden. — Die vereinigten Aus schüsse des BundeSrathS für das Landheer und die Festungen und für Rechnungswesen, sowie der Aus schuß für Justizwesen dielten heute Sitzungen. — In der heutigen (28.) Sitzung des HauseS der Abge ordneten theilte der Präsident mit, daß von dem Abg. Frhrn. v. Huene und Genossen die bereits gestern imtgetdeilte Interpellation, betreffend den Nothstand in Oberschlesien, eingegangen sei. Darauf setzte das Haus die gestern abgebrochene Berathung der Elbinger Petition, die Simultanschulen betreffend, fort. Abg. Or. Petri (Altkatholik) erklärt, er nehme von der gestrigen Erklärung des CultuSministrr«, daß er an bestehenden simultanschulen nicht rütteln wolle, feierlich Act. Die formelle Besugniß deS Ministers zu der Elbinger Entscheidung bestreite er nicht, jedoch fei von dieser Befugniß nicht zu Recht Gebrauch gemacht worden. Eine KOiährige Erfahrung in Nassau wider lege da- Zerrbild, das gestern der Abg. Stöcker von derSimul- tanschule entworfen habe Die logische Lonjequenz der SlaatS- schule sei nicht die consessionelle, sondern die S,multanschule. Die jetzigen Verfechter der confessionellen Schule seien auch Die jenigen gewesen, die dem naticnalen Berus Preußen- auch nach außen hin Widerstand entgegen gesetzt hätten Die Simultan- schule in Nassau sorge auch für eine sorgfältige Pflege der con- frjsionellen Religionsunterricht-. Die Liebe der Bevölkerung zu derselben resultire au- ihren segensreichen Folgen. Kein consessioneller Hader, sondern die christliche Liebe werde in der Simultanschule erzogen. Diese fei da» einzige Mittel zur Be endigung de» Lulturkampse«. Ada. vr. v Jazdzewäki schließt au» der Thatsache, daß sich gestern der TultuSminister aus da» bekannte Falk'sche Re- seript von 1876 über die Simultanschulen gestützt habe, daß die Lust im Lultu»ministerium noch nicht ganz rein fei. Nach die» frm Falk'schen Erlaß, den Hr v. Puttkamer al» Norm für sein Borgehrn bezeichnet habe ließen sich überall Simultan- jchulen errichten. E» hänge nur von der Geschicklichkeit eine« culturkämpfrrischen Magistrat» ab, ob er die Uebelstände der confessionellen Schulen so zu schildern verstehe, um eine Simul tanschule zu erreichen. E« sei zwar sehr erfreulich, daß der neue Tultu»minister die confessionellen Minoritäten schützen wolle, aber gerade in den polnischen Lande-theilen entspreche die Unterricht-Verwaltung dem Wunsche deS Minister» nicht; vielmehr würde vielfach die Minorität der polnischen Kinder in den Schulen nicht geschützt, sondern vergewaltigt. Hier möge dcr Minister sein Wort von dem Schutz der confessionellen Mi norität wahr machen. Redner bekämpft dann die gestrigen Gneist'schen AuSsührungen Gneist sei zwar ein großer Dialek tiker, aber er wisse sich für seine Beweise Alles zurecht zu legen und wolle seine individuelle Meinung Andern al» Recht aus drängen. Schließlich legt Redner dar, daß im Lause des Lul- turkampfes gerade da- polnische Volk am meisten zu leiden ge habt habe und am rücksichtslosesten von der deutschen Majorität behandelt worden sei. Er fordere namen» der Polen abermals Gerechtigkeit Abg. v. Sybel constatirt zunächst, daß in dem Borgehen de- Ministers in Elbing für ihn und feine politischen Freunde durchaus kein Anlaß gelegen habe, in eine principielle Erörte rung über die Simultanschule einzutreten. Der principielle Gegensatz sei von anderer Seite in die Debatte hineingetragcn. Inzwischen bestimmten lediglich die localen Elbinger Verhält nisse feine politischen Freunde, dem Antrag der Majorität der Lommission nicht zuzustimmen. Wenn der Minister ausgesührt, er hätte in Elbing kein tuit uocompli vorgesunden, so sei das im Hinblick aus den bezüglichen Schriftwechsel nicht zuzugeben. Wenn der Gemeinde Elbing durch dieses Einschreiten erhebliche finanzielle Opfer auserlegt worden wären, so sollte für den Minister doch noch mehr die Rücksicht auf die gerade infolge seiner Anordnung eingetretene Verwirrung maßgebend sein. Befremdend sei e» übrigen-, daß man die Simultamsirung zwar für die Mädchen-, aber nicht für die Knabenschulen wolle. Daß der Minister bedrängte Minoritäten schützen wolle, sei gewiß lobenwerth. Aber eS frage sich doch, ob in Elbing wirtlich eine bedrückte Minorität vorhanden gewesen, denn Thatlachen hätten die Beschwerdeführer nicht angegeben. Seine politischen Freunde wären nach Alledem, wiegesagt, nicht geneigt, in die principielle Erörterung der Frage einzutreten, wie der Minister zu handeln gehabt, wenn noch re« intern gewesen. Sie erkannten eben nicht an, daß zu jener Zeit noch re« inte^ru gewesen; auch dcr frühere TultuSminister Itr. Falk theile, wie er sich freue hinzu setzen zu können, diese Auffassung. Redner legte demnächst seine persönliche Ansicht von Werth und Bedeutung der confessionellen und Simultanjchule ausführlich dar. Die Schule erfülle jeden falls ihre Ausgabe am besten, wenn sie sich beim Religions unterricht möglichst wenig mit specialisirten Dogmen, sondern mit allgemeinen religiösen Grundwahrheiten beschäftige Wenn die Schule in den Besitz der Kirche zurückgelangen sollte, so würde daS der Aushebung des staatlichen Schulzwanges gleich- kommen Die Rechte des Staates an der Schule zu wahren, würden seine Freunde sich zur unablässigen Pflicht machen Unterstaat-secretär Or. v. Goßler: Die eben abge gebene Erklärung der Nationalliberalen falle in keiner Weise mit dem hier vorliegenden Gegenstände zusammen. Die ge ringe Anzahl der wirtlich simultanen Volksschulen, auch in Nassau, stehe in eigenthümlichem Widerspruch zu dem PathoS, mrt welchem die Simultanjchule als daS Palladium der bür gerlichen Freiheit, al» Krone der freiheitlichen Entwickelung hingestellt wird. Der Höhepunkt unserer zeitgenössischen Ent Wickelung fällt in die Jahre ISS« und 1870; aber noch 1872 gab es im Ganzen erst »0 Simultanschulen. In dem vom Abg Or. Petri gerühmten Nassau sind noch nicht lO simul tane Schulen. Die Protokolle über die Sitzungen der Elbinger Behörden, sowie der Inhalt der Beschwerden derselben geben ausdrücklich zu, daß die endgiltige Zusage der entscheidenden Instanz noch nicht erfolgt sei. Auch mit der Begründung des Minorität-Votums sind ohne Zweifel Wandlungen vorgegangen ; erinnern wir unS der früheren Behandlung des Themas in der Presse und der jetzigen Ausführungen der Abg. vr. Gneist und vr. v. Sybel, so springt der Unterschied in die Augen. Man hält sich jetzt an die Thatsache, daß die Mädchenschulen in Elbing nach wie vor simultan sind DaS ist ja vielleicht im Interesse der Erziehung nicht ganz zweckentsprechend, beweist aber doch für den Fall nichlS. Sehen wir uns da- Gebiet von Erefcld an, wo die Simultanisirung am weitesten durch geführt ist, so haben wir dort 13 paritätische und 6 consessio- nrlle Schulen, aber in die ersteren gehen bOOO, in die letzteren »ooo Schüler. Also haben auch die simultanen Schulen lange nicht die Schülerzahl, die ihnen eigentlich zukäme Daß man sich endlich an die unglücklichen 3 Männer klammert, welche die Beschwerden inauaurirt haben, ist keineswegs ein glücklicher Griff. Man darf nicht so argumentiren: .Der Mann ist schlecht, deshalb dür'en wir uns um die Sache nicht kümmern". Wir können die Uwerjuchung nicht abweisen, mögen die drei Herren auch vielleicht gar kerne Kinder haben oder sonst nicht legitimirt sein! Dir Anlage zu dem Coinmissionsbericht, das Minoritätsvotum de- Abg. vr. Gneist, enthält außerdem so viele historische Jrrthümer, daß eS kaum verlohnt, die falschen Schlüffe einzeln zu widerlegen. Ich bin überzeugt, die Ma jorität Ihrer Commission hat da» Richtige getroffen. Abg. Vr. Röckerath vertheidigt die katholischen Volks vertreter gegen die Anfeindungen des vr. v. Sybel Die Ka tholiken haben ebenso wenig, wie er selbst, jemals gegen den Schulzwang angekämpft; wir halten aber allerdings den Con- fejsionali-mu» für das nothwendige Torrelat diese» Zwange». Der Abg. Petri predigt Toleranz, hat dabei aber selbst in Un duldsamkeit daS Unglaubliche geleistet. Man braucht nur seine Lulturkampfreden nachzulesen, um sich davon zu überzeugen. Der Ausfall deSfrlben Herrn gegen den päpstlichen Index hat wenig Berechtigung, besteht doch jetzt in ganz Deutschland ein viel schärferer Inder, da» Socialistengejetz. Die Lldtnger Schuleinrichtunarn, sagt man, seien durch die Regierung in willkürlichster Weise in ihrer Entwickelung gestört worden; wo hin gelange man, wenn so die Gemeindeautonomie derartig mißachtet werde? Redner giebt aus Gemeindeautonomie in Schulsachen gar nicht»; und haben wir denn überhaupt Ge- meindeautonomie? Die Statistik lehrt, daß kaum 7 Procent der Reichstag-Wähler Elbing« die Gemeindebehörden einsetzten. Diese Oligarchie könne er als angemessene Vertretung der Bür gerschaft nicht anerkennen. Die angebliche Schädigung der finanziellen Interessen Elbing» sei nicht viel mehr, al» eine bloße Redensart. Unter großer Heiterkeit de» Lenlrum» ver liest Redner ein Eircular de» Elbinger Magistrats an einige katholische, vom Propst vorgejchlagene Lehrer, in welchem sie verwarnt werden, da» Dogma von der Unfehlbarkeit anzuer kennen; da- Circular wimmle derartig von Unsinn, daß »elbst der frühere LultuSminister dem Magistrate rescribirt habe, daß dieser mit solchem Erlaß doch in da» innere Gebiet des BolkS- schulwesen- übergegriffen habe. Es handelt sich hier nicht um die 8 Männer, sondern um mehr al- 400 katholische Haus väter im Verein mit der katholischen Geistlichkeit; nur ein «ctenstück ist von den Dreien im Auftrage der Uebrigen unter zeichnet. Alle- in Allem kann nicht bezweifelt werden, daß die Regieruckh in dem Specialsalle sowohl, wie prmcipiell richtig verfahren ist. Die Debatte wird darauf geschloffen. ES folgt eine Reihe persönlicher Bemerkungen der Abgg. vr. Gneist, Vr. v. Sybel und vr. Röckerath. Abg. Stengel constatirt, daß ihm zu seinem großen Bedauern durch den von der Majorität beliebten Schluß der Debatte die Möglichkeit genommen sei, den Standpunkt der freiconservativen Fraction in der vorliegenden Frage klar zu legen. Abg. Wiedwald (Stadtverordnetenvor- steher in Elbing) spricht gleichfalls fein Bedauern aus, nicht zum Wort gekommen zu fein. Hierauf wird der Antrag Gneist in namentlicher Abstimmung mit 245 gegen 147 Stimmen abgelehnt, und der Antrag der Commission auf Uebergang zur Tagesordnung gelangt mit gleicher Majorität zur Annahme. (Für den An trag Gneist stimmen u. A. die Abgg. vr. Falk, Hobrecht, gegen denselben der Abg. Vr. Achenbach.) Die Tages ordnung ist damit erledigt. Nächste Sitzung morgen (Freitag). Auf der Tagesordnung steht u. A. die Interpellation wegen des Nothstandes in Oberschlesien. — Die „Germania" schreibt: Seit einigen Tagen wird in verschiedenen Formen die Nachricht colportirt, daß die Verständigung zwischen dem apostolischen Stuhle und der preußischen Regierung als gescheitert zu betrachten sei. Dem gegenüber können wir nur wieder holen, daß die Verhandlungen fortgesetzt werden, von einem Scheitern derselben also nicht die Rede sem kann. Vielleicht bringt die nunmehr erfolgte Rückkehr deS Botschafters Prinzen Reuß nach Wien die Ver handlungen in ein etwas rascheres Tempo, als sie bis her zu unserem Bedauern einhielten. — Wie die „K. Z." hört, wurden hier gestern zwischen dem auswärtigen Amt und dem schweizerischen Gesandten Oberst Roth Declarationen ausgetauscht, durch welche der deutsch- schweizerische Handelsvertrag auf 6 Monate, also dis Ende Juni 1880, verlängert wird. Die Ver längerung mit Italien soll dem Vernehmen nach schon etwas früher stattgefunden haben, wie es scheint, vorgestern. Da es sich Italien gegenüber nur um einen Vertrag der Meistbegünstigung handelt, ohne Einzelbestimmungen, so ist ist die Verlängerung für 1 Jahr, also bis Ende 1880, vollzogen worden. * Straßburg i. E., 18. December. Am Schlüsse der gestern Abend zu Ehren des Landesaus- fchusseS gegebenen Tafel, an welcher die meisten Mitglieder desselben Theil nahmen, hielt der Statt halter, Generalseldmarschall Frhr. v. Manteuffel, fol gende Ansprache: »Ich kann die Herren des LandeSauSschuffeS, die ich zum ersten Male die Freude habe, an meiner Tafel zu sehen, nicht scheiden lasten, ohne ihnen ein herzliches Willkommen zu sagen. Vielen von Ihnen mag es schwer geworden sein und noch schwerer werden, unter den gegebenen Verhältnissen und den gegebenen Bedingungen hier zu tagen. Daß Sre daS thun, ist »ine Bewährung von wahrem Patriotismus. Fern sei eS von mir, Diejenigen richten zu wollen, die Elsaß-Lothringen heute den Rücken wenden, ihre Kinder nicht auf heimathlichem Boden erziehen, nicht inmitten der Sitten und Bräuche de- Lande- auswachsen lasten, odcr Diejenigen, welche in Groll über die Gestaltung der Dinge sich fern halten von den Be- rathungen der Kreistage, der Bezirkstage, deS Landesaus- schuffes. Aber die Geschichte hat ihr Urtyeil gesprochen über die Emigration. Nutzen hat Frankreich nicht von ihr gehabt; den Lauf der Dinge hat sie nicht geändert, und schon Achille- Hat sein Schmollen mit dem Tode des Freunde- bezahlt und feinen Waffengesährten sich doch wieder anschließen müssen. Ich wünsche und hoffe, daß ohne solche» Opser die Kräfte für Elsaß Lothringen bald wiedergewonnen werden, die sich ihm Jahre zu Frankfurt a.M. zum zweiten Stenographen tage zusammentraten, um über eine Anzahl Vorlagen und Anträge schlüssig zu werden, 18 größere Ver einigungen, davon 6 in Nord-, 5 in Mittel- und 3 in Süddeutschland, 3 in Oesterreich und 1 in der Schweiz existtren. Die Hauptzusammenstellung ergiebt in Summa 334 Vereine gegen 270 im Vorjahre mit inSgesammt 12046, darunter 8380 ordentlichen Mit gliedern gegen 10 161, davon 7134 ordentlichen Mit gliedern im Jahre 1878. Davon entfallen auf daS deutsche Reich 253 gegen 217 vorjährige Vereine mit 5865 bez. 5123 ordentlichen Mitgliedern und hiervon auf da« Königreich Sachsen 70 Vereine mit 1556 ordent lichen Mitgliedern gegen 56 Vereine mit 1437 ordent lichen Angehörigen im Vorjahre. Oesterreich-Ungarn zählte 55 Vereine mit 1989 ordentlichen Theilnehmern gegen 40 Vereine mit 1598 ordentlichen BereinSange- hörigen im Jahre 1878. Die übrigen Vereine und Mit glieder gehören der Schweiz, Italien, Finnland, Skan dinavien und Amerika an. Hervorragende» wurde nach- gewiesenermaßen im Unterricht geleistet und zwar wur den herangebildet überhaupt 21697 gegen 20 433 Personen im Vorjahr. Davon entfallen auf 365 Lehr anstalten 14386 Schüler (gegen 1878 mehr 267), auf Verein»- und Einzelunterricht 7311 (gegen daS Vorjahr mehr 997) Personen. Im deutschen Reiche wurden davon überhaupt 10871 Personen beiderlei Geschlecht« in der Stenographie unterwiesen, wovon Sachsen mit 3797 gegen 3447 Personen im Vorjahre beiheiligt ist. Diese Ziffer ver theilt sich mit 2030 Schülern auf 53 Anstalten und auf BereinScurse rc. mit 1767 Personen. In Ueber- tragungen auf fremd« Sprachen wurden unterrichtet 4610 oder 532 mehr al» im Vorjahre und zwar: 1473 ungarisch, 1242 italienisch, 994 böhmisch, 568 polnisch, 133 schwedisch, 93 dänisch, 65 kroatisch, 16 latnmsch, 10 finnisch, 10 slowenisch, 4 französisch, je 1 englisch und spanisch. Damen wurden 855, davon 425 an Lehranstalten herangebildet. Die Zahl der an mili tärischen Lehranstalten, bez. in Mllitärcursen Ausge bildeten beträgt 662, wovon 344 auf Deutschland kommen. Die von Prof. vr. Zeibig bearbeitete Literatur übersicht führt 271 stenographische brutsche bez. fremd sprachige Schriften auf, wovon auf daS GabelSberger'sche System 96 m Geschichte und Literatur, in Lehrmitteln, Denkschriften, Abhandlungen, Statistik, Zeitschriften w. bestehende Editionen entfallen. Dieses rechtzeitig vor Weihnachten erschienene, in seiner Einrichtung ebenso als Taschenbuch anwendbare Jahrbuch empfiehlt sich auch durch dauerhaften Einband und vorzügliche Aus stattung. L Malerei. Auf dem Gebiete der jetzt mit Recht auch m der deutschen Kunst in so frischem Aufschwung begriffenen Aquarellmalerei liegen den Freunden solcher Darstellungen in der Emil Richter'schen Kunst handlung hierselbst gegenwärtig zahlreiche sehr an ziehende Blätter vor. Sie sind von einem der besten Techniker, H. Doll in München, und behandeln land schaftliche und architektonische Gegenstände mit vieler Frische des ColoritS und mit ungewöhnlicher spielen der Sicherheit und Pinselbravour. Ohne diese würde e» dem Maler nicht möglich sein, für so mäßige, dem Kunstliebhaber entgegenkommende Preise Vorzügliche» zu leisten. Ungewöhnlich schön in der Harmonie und plastischen Haltung ist eine Ansicht vom „RathhauS zu Nördlingen". Mehrere Blätter stellen Sommer- landschaften in sattem lachenden Eolorit dar. Erwähnt fei ein „Motiv au» Niederbayern" und ganz besonder- individuell ansprechend scheint un» ein Blatt „An der Donau in Niederbayern". Auch in Winterlandschaften mit reicher, keck gezeichneter Staffage „Bei Erding", „An der Würm", „In der Nähe von München" z«igt sich Doll als Virtuose. Ferner verdient ein CykluS von Engouachemalereien aus der Blumenwelt, meistens von M. de Longprs, vielfach Rosen und mit vielem Schmelz spanischen Flieder darstellend, eine Erwähnung. * In der jüngsten Sitzung der geographischen Gesellschaft in London erstattete Herr Wilford Scaven Blunt Bericht über eine von ihm in Beglei tung seiner Gattin, Lady Anna Blunt (Enkelin Lord Byron'») nach Nedschd, in Centralarabien, unternom mene Reise. Der besuchte District ist auf einem er höhten Tafellande von etwa 4000 Fuß Über der MeereSfläche, daS sich von einem flachen und dürren Thal erhebt, situirt. Er liegt südwärts von Damas kus in der Region von Jüf und dem Dschebel-Schammar, wird selten besucht und ist Europäern sehr wenig be kannt. Herr und Lady Blunt reisten mit ihren Führern fünf Tage hindurch, ohne irgend einer lebendenden Creatur ansichtig zu werden, ausgenommen einige Hasen und Gazellen, sowie eine Hyäne, als sie plötzlich von einer berittenen Beduinenbande überfallen und zu Ge fangenen gemacht wurden. Es stellte sich indeß herau», daß die Angreifer einem mit den Arabern in der Be gleitung der Reisenden befreundeten Stamm angehörten. Letzteren wurde folglich unter vielen Entschuldiaungen die Freiheit wiedergegeben und gestattet, ihre Reise fort- zusetzen In Hail anzelangt, wurden sie von dem Emir deS District» gastfreundlich ausgenommen und mehrere Tage hindurch festlich bewirthet. Sodann schlossen sie sich einer großen persischen Pilgerkarawane an, mit welcher sie Redschd erreichten, nachdem fie auf der ganzen mühfeligen Reise größtentheil» nur von Heuschrecken gelebt. Herr Blunt hat durch seine Beobachtungen die Geographie de» von ihm bereisten Landstriche- vervollkommnet. jetzt entliehen Sie, meine Herren Mitglieder de» Landeäau», ichusse», bitte ich, den Au»druck meiner warmen Anerkennung de» eljaß-lothringenschen Patriotitmu«, den Eie durch Ihr Hiersein bewähren, freundlich auszunehmen. Und nun erlauben Eie, daß ich von mir selbst und meiner persönlichen Auslassung über unser Berhältniß spreche. Ich thue die« mit voller Offenheit. Denn S«e müssen wissen, wie e» in meinem Innern aussieht. Meine Frau war kraut, al« ich in mein Amt trat. Sie ,st mir hierher gesolgt und hat sich von der Anstrengung der Reise nicht mehr erholen können; sie ift früher gestorben, al- die Aerzte e» erwarteten. Da ift mir aut allen Theilen de» Lande« und au« allen Städten Theil- nähme erwiesen worden, ohne daß ich und meine Frau gekannt waren. Rein menschliche« Milgesühl am Geschick de» Nächsten zeigt gesunden Sinn einer Bevölkerung, und tue Lheilnohme der Elsaß Lothringer hat mir unendlich wohlgethan. Ernste Kämpse habe ich in den letzten Wochen in meinem Innern durchgekämpst Die Sehnsucht, in meinem Alter mich zurück- zuziehen, da- Grab zu pflegen und der Erinnerung allein zu leben, wurde mächtig und mächtiger. Aber im Beginn meiner übernommenen Ausgabe sreiwillig vom Platze zu weichen, ent spräche weder meiner Vergangenheit, noch wäre e« im Geiste der Entschlasenen. Ich will mit Gottes Hilse Herr werden über diese unmännliche Sentimentalität, und wie die Dogen von Venedig einstmals sich mit dem Meere vermählten, will ich werben um Elsaß-Lothringen, will mit ihm die Anerkennung seiner vollen Selbstständigkeit in der Gesetzgebung und in der Bersassung des Reiches erstreben Denn Elsaß Lothringen ist kein occupirteS, kein annectirte» Land. Es ift nach einem Kriege, der Deutschland ausgedrungen wurde, diesem von Neuem beigesellt, man könnte sagen: revindicirt, und von welch' tiefer Bedeutung ist da». Vor luoo Jahren wurde dieses Land auch erst nach blu tigen Kämpfen dem deutschen Reiche zugesprochen, und von da an stieg dieses meyr und mehr und wurde die erste weliliche Macht. AIS e- dann von dieser Weltstellung herabsank und dre Centralgewalt zu schwach geworden war, um die Grenzen des Reiche- mit den Wassen zu behaupten, verlor e» »inen Theil derselben, und zuletzt kam selbst Straßburg — und mir schneidet eS in da» perz, diese alte deutsche sreie Reich»stadt noch nicht rn dem Lande»au»jchuffr vertreten zu sehen - kam selbst Straßburg an Frankreich. Und jetzt beim Wiedererstehen deS deustchen Reiche», ist Elsaß-Lothringen ihm wieder zugr- sprochen. Ich sehe hierm ein glückliche« Omen sür Deutschland« Zukunft. Laß diese Wiedervereinigung abermals im Versolge großer Aeldjchiachlen geschehen, bringt der Gang der Weltge schichte mit sich. Denn dann beruht ja die Poesie bei unserm vreljach eintönigen Soldatenlebe», daß wir e« wissen, wie von unS die Entscheidung der Schlachten abhängt und von dieser Entscheidung wieder das Geschick der Völker Diesem Geschicke war nun auch Elsaß-Lothringen Versalien, aber von dem Augen blicke an treten seine alten deutschen Landetrechte wieder in« Leben. Nie hat es diese verwirkt. Nicht freiwillig war e« zu Frankreich getreten, die Schwäche de« Reiche« hatte da» herbei- gesührt. Gleichberechtigt mit allen Ländern, die das Reich bilden, hat e» inmitten derselben seinen Platz wieder einzüneh- men; doch, wie bei allen Staaten- und Machlveränderungen, die den zunächst davon Betroffenen nicht nur in materieller Beziehung, sondern vor Allem in dem GesühlSleben Schwere» auserlegen, so befindet sich auch Elsaß-Lothringen in solcher Uevergangsperiode. Da wollen wir ehrlich und offen zujam- menhalten, da- Schwere uns gegenseitig tragen Helsen und vereint dahiu streben, durch weises Maßhallen und richtig» Erkenntnß der Verhältnisse diese UebergangSperiode selbst aozu- kürzen Habe ich das erreicht, bann spreche ich mir die Be rechtigung zu, daS liebe Grab zu pflegen und der Erinnerung zu leben; bi- dah,n aber ruse ich hell und laut in da- deutsche Reich hinein: Elsaß-Lothringen hoch!" Der Toast wurde von den fast vollzählig anwesen den Abgeordneten mit tiefer Bewegung und wachsender lauter Zustimmung ausgenommen. * München, 18. December. In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer besprachen bei der wei teren Specialdtscussion über den Justizetat die Abgg. Vaillant, Herz und Völk und der Justizminister Or. v. Fäustle die Mängel der Einrichtung der Justizge bäude, insbesondere der Münchner Landgerichte. Henne mann und Dlendorfer erörtern die im Ausschüsse diS- cutirte Angelegenheit der Veröffentlichungen der Ge richte in wenig gelesenen Blättern. Der Justizminister weist den Vorwurf der Willkür und scheinbaren Par teilichkeit bei der Bestimmung der Organe als unbe gründet zurück. Der Minister habe kein Recht, auf die Richter dabei einen Einfluß auSzuüben. Or. Rittler betont, daß nur Blätter liberaler Richtung als Amts blätter gewählt würden. Auch SchelS glaubt, daß Parteilichkeit obwaltet Derselbe Redner regt die Be schränkung der Staatsanwaltschaft bei allen Oberlan desgerichten außer dem Münchner an, ebenso Herz. Der Justizminister hält die Frage offen; er werde daS Möglichste thun. Beim Capitel, Strafrechtspflege, wünscht Frank Verringerung der Eide bei Bagatell sachen und Anwendung dcr Religionsformen. Schäfler bespricht die Zunahme der Verbrechen auf Grund der Statistik. Frhr. v. Stauffenberg, Föckerer und Vaillant treten ihm entgegen. Karlsruhe, 18. December. (Fr. I.) Da» Schwur gericht sprach den Redacteur der „Badischen Lan despost", Pseiffer, von der Anklage dec Beleidigung der Staatsreglerung durch die Presse frei. -j-f- Koburg, 18. December. Eine Ministerial- veroidnung, betreffend die Anwendung der Ver ordnungen zu Ausführung der Gewerbeord nung, ist mit dem gestrigen Regierungsblatt zur Publication gelangt. Dieselbe bestimmt u. A., daß zuständig zu Ertheilung von LegittmationSscheinen zu den in tz 58 der Gewerbeordnnng vom 21. Juni 1869 unter 2 bezeichneten Gewerbebetrieben im Umher ziehen fernerhin nicht mehr der Gemeindevorstand, sondern die landräthliche Behörde de» Bezirk» ist, in welchem der Gewerbetreibende seinen Wohnsitz hat. * Wien, 18. December. Se. Majestät der Kaiser hat heute Nachmittag 1 Uhr die Mitglieder der Dele gation de» ungarischen Reichstage» in der ge heimen Rath-stube de» großen Appartement» der k. k. Hofburg empfangen. Der Delegatton»präsident Cardi nal Haynald, richtete an Se. Majestät folgende An- fprache: Kaiserlich» und Apostolisch» königlich» Maj»stäkl Allergnädigster H«rrl Die Mitglieder drr zur Verhandlung der gemeinsamen An- Gelegenheiten der beiden unter dem ruhmvollen Ecepter E». Maiestät stehenden Staaten der Monarchie entsendeten unga rischen Delegation beugen sich bei Beginn ihrer wichtigen und schwierigen Thitiakeit in ererbter Ehrfurcht vor der heiligen Person Ew. Majestät. Seitdem di» Mitglieder der ungarischen Delegation da« letzte Mal diese» Glücke« theilhaftig wurden, war Rese Haapt- siadi freudiger Zeuge der Beweise jener »»erkünstelten herzlichen Hingebung, jener srrundlicheu treuen Ergebung und der L'edr, mit welchen di« Völker drr Monarchie Ew Mijestät die fünf- undzwanzigfte Jahretwende jenes ruhmreichen Tage« mit glän »enden Deputat,vorn feierten, an welche« aus da» neu gegrün dete Familienleben Ew Majestät drr Gegen de« Allmächtigen h»rabaestiegen So wie die Jubrlrnse der Glück und Segen wünschenden Völker in dieser Hauptstadt wiederhalten, rin ebenso lebhafte» Echo finden di» damal» zum «»»druck» gelangt»« Grsühlr auch in unser»» Herz«« und wrrden auf dem Altar« unsere» Inner- fteo zu einem für di« allkrhöchft« Familie E». Majestät Erg« tunende» Gebet».