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262 Im Jahre 1867 wurde der Mitangeklagte Kaden, 48 Jahre alt, geboren in Berthelsdorf bei Freiberg, bisher Revierschreiber, al- Kassirer de- Borschußverein» eidlich in Pflicht genommen. Kaden übernahm mit dieser Function statutengemäß die Verpflichtung, alle eingehenden Gelder zur Aufbewahrung in der VereinS- kasse zu übernehmen und davon die vorkommenden Ausgaben, jedoch nur gegen Anweisung de- Director-, mit welchem er die Kasse unter gemeinschaftlichem Ver schlusse zu halten hatte, zu bestreiten, sowie die zum Geschäftsbetriebe nöthigen Bücher zu führen. Der Dlrector und der Kassirer sollten statutengemäß von einem Controleur durch monatliche Revision der Bücher und der Kasse, sowie durch eine vom Generalvorstande zu wählende, alljährlich einmal bei Abschluß de- Ge schäftsjahres in Thätigkeit tretende Revisionscommission beaufsichtigt werden. Durch die Geständnisse de- Kassi- rerS Kaden, denen Engelbert Brückner nichts entgegen zusetzen vermochte, wurde nun ermittelt, daß beide An geklagte ihren statutengemäßen Verpflichtungen zum Mindesten seit dem Ende der 60er Jahre in den wesentlichsten Punkten nicht nachgekommen waren. Ins besondere wurde die Verpflichtung, die Kasse unter ge meinschaftlichem Verschlusse zu halten, niemals einge halten, auch unterließ Brückner es in zahlreichen Fällen, dem Vorstand in den Sitzungen über beanspruchten Eontocorrentcredtt Vortrag zu erstatten, und überschritt vielfach die vom Vorstände für die Höhe der Conto- corrente festgesetzten Summen. Um diese- statuten widrige Gebühren zu verdecken, veranlaßte Engelbert Brückner den Kassirer Kaden zur Anlegung von „Ne benconten", „Geheimconten", welche Kaden mit dem Jahre 1872 in ein Buch, das „große Geheimbuch", eintrug. Dieses Buch wurde zwar in der Hauptsache kaufmännisch geführt, hat jedoch niemals dem Contro leur oder der Revisionscommission zur Einsicht vorge legen, auch nicht vorgelegt werden sollen. Die mit den Jahren immer mehr sich steigernden und schließlich auf Hunderttausende sich belaufenden Geheimentnahmen hätten von den revidirenden Vor standsmitgliedern entdeckt werden müssen, wenn nicht zu ihrer Verbergung von Kaden und Brückner die ver schiedensten Mittel ergriffen worden wären. Als nämlich das Geheimentnehmen noch auf ge ringe Summen, wenige Tausende von Thalern, sich beschränkte, half man sich zur Verdeckung desselben dadurch, daß man auf den den Bankiers in den osficiellen Bereinsbüchern eröffneten Contocorrenten bei Eingängen von Zahlungen seilen derselben geringere Summen, als die Einzahlungen betrugen, ins Credit eintrug. Das dadurch frei gewordene baare Geld verwendete man zur Bestreitung von Geheimgeschäften und eröffnete zur eigenen Controle den Bankiers im Geheimbuche insoweit ein Credit. Als auf diese Weise im Jahre 1875 die osficiellen Bankierconten mit dem wirklichen Sachverhalte in so grellen Widerspruch getreten waren, daß es einem Vorstandsmitgliede, dem Freigutsbesitzer Schubert auf Troischau, auffällig wurde und diefer infolge desfen Brückncr'n zur Herbeiziehung von Conto- correntauszügen aus den Büchern der betreffenden Bankiers veranlaßte, mußte die Differenz wieder aus geglichen und auf irgend welche Weise das osficielle Credit der Bankiers wieder auf normale Höhe ge bracht werden. Dies erreichten Brückner und Kaden dadurch, daß sie die osficiellen Darlehnsconten durch Correcturen, Rasuren und auf andere Weise um so viel herabminderten, als die zur Wiederherstellung der officrellen Bankiersconten nothwendige Summe (über 400000 Mark) betrug. Insoweit hierdurch das Manco noch nicht zu decken war, half man sich weiter mit „Gefälligkeiten" solcher Firmen, welche von Engel bert Brückncr'n im Geheimen Credit erhalten. Diese gaben nämlich zu den Geschäftsjahresschlüssen eine An zahl Wechsel ohne Accept mit Summen von nahe an 100000 M. ausgefüllt, ins Vereinsportefeuille, und Brückner legte den revidirenden Vorstandsmitgliedern diese Wechsel als Bestand des Portefeuilles mit dem Versichern vor, daß dieselben „gut" seien und durch das Accept der Trassaten jederzeit zu Gelvwcrthen ge macht werden könnten. Dieses ganze Gebühren hatte zur weiteren nothwendigen Folge, daß die Jahres bilanzen des Vereins falsch gezogen und die Mitglieder desselben über die Lage des Vereins vollkommen im Unklaren gelassen werden mußten. Nach den eigenen Zugeständnissen der als Zeugen in der HauptveiHandlung abgehörten Mitglieder der Revlsionscommission und des Controleurs hätten jene Manipulationen wohl ausgedeckt werden können, wenn sachverständig revidirt worden wäre und man insbeson dere die Strazzen, in welchen auch die Geheiment nahmen eingetragen zu werden pflegten, mit den Haupt büchern verglichen hätte. Einestheils fehlte es jedoch den Mitgliedern an dem nöthigen kaufmännischen Ver- ständnlsse, anderntheils hatte Engelbert Brückner mit der Zeit durch sein persönliches Auftreten und seine geistige Energie einen solchen Emfluß auf seine Um gebung, insbesondere auch auf die Mitglieder des Ge noffenschaftsvorstandes gewonnen, daß man vertrauens selig ihn und den Kassirer schalten und walten ließ. So nur wurde es möglich, daß Brückner mit Hilfe Kaden'S für C. G. Brückner und andere Firmen nach und nach enorme Beträge im Geheimen entnehmen konnte. Hiervon sind in der Untersuchung nur zur Sprache gekommen die Entnahme für das Conto C. G. Brückner, sowie die für die Firma Hagfpiel u. Ruschpler und die für Otto Julius Lehmann. Anlangend das Conto C. G. Brückner schließt das selbe unter dem 1. März 1878 im „Geheimbuche" mit einem Saldo von über 529000 M. Von diesem Saldo waren während der insoweit wegen Unterschla gung eingeleiteten Voruntersuchung bereit» bedeutende Posten aus verschiedenen Gründen auszuscheidrn ge wesen, und kamen für die Hauptverhandlung nur noch baare Entnahmen (letztere insbesondere zum Zwecke deS Ankaufs und weiteren Betriebs von böhmischen Braun kohlenwerken), ferner der Firma C. G Brückner aus dem Portefeuille des Vereins heimlich zugeeignetc Wechsel und beim Vereine für die Firma C. G. Brück rer diScon- tirte Gefälligkeitswechsel, welch« Brückner bei Ver fall nicht au» dem Vermögen der Firma deckte, sondern lediglich im Debet de» Geheimconto buchen ließ, in Frage. Engelbert Brückner war nun durchaus nicht abredig, diese sämmtlichen Beträge und Wechsel für seine Firma aus dem Berein-vermöaen entnommen, beziehentlich Gefälligkeitswechsel für seine Firma bei dem Vereine diScontrrt zu haben, räumte auch ein, hierbei statuten- widriA verfahren zu sein und den übrigen Borstand mitgliedern diese Entnahme verheimlicht zu haben. Derselbe bestritt jedoch auf das Entschiedenste, daß er in rechtswidriger Absicht dabei gehandelt habe, er habe nur Dar lehne entnehmen und dieselben seiner Zeit zu- rückzahlen wollen, sei auch bei der Umfänglichkeit und dem Werthe seine- Geschäft- und bei dem ihm infolge dessen in der Geschäftswelt eröffneten bedeutenden Credite in der Lage gewesen, die entnommenen Sum men dem Vereine zurückzuerstatten. Allerdings mußte er gleichzeitig zugestehen, daß er letzteres nur nach und nach durch Realisirung größerer Gefchäftswerthe würde haben ermöglichen können, also in keinem Falle jeder zeit auf Erfordern zur Zurückerstattung der statuten- widrig entnommenen Beträge in der Lage gewesen fei. Dies hatte sich auch durch die im Laufe der Vorunter suchung vorgrnommenen monatlichen Abschlüsse der Brückner'schen Geschäftskassen ergeben und wurde in der Hauptverhandlung durch das Zeugniß des lang jährigen Buchhalters der Firma C. G. Brückner, Karl Theodor Honymus, bestätigt. Der Kassirer Kaden mußte in der Hauptverhand lung zugestehen, daß er das Geheimconto C. G. Brück- ner's auf Anweisung, beziehentlich mit Einverftändniß Engelbert Brückner's geführt und demselben in statuten widriger Weise die für dessen Firma beanspruchten Gelder aus der Vereinskasse gegeben habe, ohne davon, daß Brückner zur sofortigen Zurückerstattung der nach und nach auf Hunderttaufende sich steigernden Beträge jederzeit in der Lage sei, überzeugt zu fein. Er machte zu seiner Entschuldigung nur geltend, daß er unter dem Drucke der Abhängigkeit von einem herrischen Charak ter, wie Engelbert Brückner, gestanden, und nachdem er einmal den unrechten Weg betreten, sich aus Besorg- niß um seine und der Seinigen Existenz nicht habe er mannen können, dem statutenwidrigen Treiben durch Aufdeckung desselben ein Ende zu machen. Vom Jahre 1876 an hat Kaden in der Hauptsache das Conto C. G. Brückner nicht mehr geheim geführt nnd zwar, wie er versichert, um Engelbert Brückncr'n dadurch zur Leistung von Rückzahlungen auf desfen enorm ange- wachsenes Conto zu veranlasfen. Das osficielle Conto C. G. Brückner kam in der Hauptverhandlung nur noch insoweit in Frage, als in einer im Monat November 1876 abgehaltenen Sitzung des Gesammtvorstandes der Blancocredit der Firma C. G. Brückner auf 30000 M. mit der Maßgabe fest gesetzt worden war, daß Brückner sein sich bedeutend höher belausendes officielles Conto bis auf diefen Be trag herabzumindern gehalten fein sollte. Insoweit nun Brückner dieser Verpflichtung nicht nur nicht nach gekommen war, sondern trotz des Bestehens derselben ftir sein Conto noch weiter mtt über 100000 M. be lastet und Kaden ihm diese Beträge aus der Vereins kasse ausgezahlt hatte, standen Beide unter der Anklage der Untreue, zu deren Widerlegungen Brückner nur geltend zu machen vermochte, daß seine Firma bis zum Zusammenbruche des Vereins solvent gewesen sei, er auch in dem Besitz der Kohlenwerke ein sehr aussichts volles Vermögensobject gehabt habe. Hiernach will Brückner bei jener Verfügung über Vereinsgelder sich nicht dessen bewußt gewesen sein, daß der Verein hier durch Schaden erleiden werde. Es wurde jedoch in der Hauptverhandlung festge stellt, daß die Kohlenwerke bis zum Ende des vorigen Jahres noch keine Ausbeute gegeben hatten, obgleich sie Hunderttausende verjchlangen, auch wurde durch das Gutachten des kaufmännischen Sachverständigen, Herrn de Möville aus Dresden, festgestellt, daß bei Einsetz ung des Gesammtcontos C. G. Brückner in die Pas siven der Firma eine Ueberbilanz kaum herzustellen gewesen wäre. Inzwischen ist zum Vermögen der Firma C. G. Brückner, sowie zu dem der Inhaber derselben der Concurs eröffnet worden, und nur aus dem Vermögen dcr Firma ein Ausfall für die Chiro grapharier (20 bis 25 Procent) zu erwarten. Die persönlichen Vortheile, welche Engelbert Brückner durch jene geheimen Entnahmen und durch die Ueberschrei- tung seines osficiellen Firmencontos nachweislich ge habt hat, bestanden in dem ihm für seine Firma nach gelassenen, etwas geringeren Zinsfüße und weiter insbefondere darin, daß er als Dlrector des Vereins und Chef der Firma C. G. Brückner in einer Perfon in der Lage war, für feine Firma sich Credit in Be trägen zu verschaffen, in denen er ihn von fremden Leuten nimmermehr erhalten haben würde. Anlangend weiter das Conto Hagspiel und Ruschpler, beläuft sich dasselbe einschließlich eines persönlichen Contos des Mitinhabers der Firma, Max Ruschpler, und eines Hypothekencapitals auf über 400000 M. und ist vom Jahre 1873 bis zum September 1877 geheim geführt worden. Die hierbei Brückncr'n und Kaden Schuld gegebene Untreue ist insbesondere da durch verhangen worden, daß Brückner mit einer ihm (für den Vorjchußvereln) an dem Fabrlkgrundstücke der Firma an erster Stelle eingeräumten Hypothek von 60000 M. nachttäglich hinter Hypotheken im Betrage von mehr als 100 000 M. zurückgetreten ist und daß Beide, Brückner und Kaden, der Firma Hagfpiel und Ruschpler aus Vereinsmitteln noch zu Zelten baare Darlehne in bedeutenden Summen gegeben, beziehent lich deren Wechsel discontirt haben, wo ausweislich der zwischen denselben gepflogenen Correspondenz der Stand jener Firma schon ein so schlechter war, daß die Dar leiher mit Bestimmtheit annehmen mußten, der Verein werde und müsse hierdurch zu Schaden kommen. Zwar hatte Engelbert Brückner, als Anfang deS Jahres 1877 die Verhältnisse der Firma sich höchst bedenklich ge staltet hatten, eine Sicherheit für die damals schon auf über 200000 M. sich belaufende Contocorrentschuld dadurch zu erlangen gesucht, daß er über sämmtliche fertige und halbseitige Instrumente der Firma, sowie alle zur Fabrikation gehörigen Utensilien und Vorräthe mit den Inhabern der Firma Hagfpiel und Ruschpler einen Kaufvertrag abschloß. Dieser Vertrag wurde von dem Sachwalter der Lontrahenten, dem Advocaten I)r. Stein II in Dre-den, angefcnigt und in denselben die Bestimmung ausgenommen, daß die sämmtlichen Mo bilien in den Händen der Firma Hagspiel und Ruschp ler verbleiben und es ihr unbenommen bleiben solle, die fertigen Instrumente dann weiter zu verkaufen, wenn sie dieselben durch neue ersetzte Gegenstand des Kaufvertrags waren Mobilien im GesammtweNhe von über 100000 M. Nach der in dem neuerdings zur Firma Hagfpiel und Ruschpler eröffneten ConcurS auf genommenen gerichtlichen Taxation der zur Zeit noch vorhandenen Mobilien betrug jedoch deren Gesammt- werth nur noch 40000 M. und es ist infolge verschie dener Reclamationen schließlich in die Hände des Gü tervertreters im Concurs des Vorschubvereins nur eine Summe von wenigen Tausend Mark davon gelangt. Weiter hätte Brückner Gelegenheit gehabt, im Jahre 1877 den Verein wegen einer Summe von nahezu 100 000 Mark dadurch zu decken, daß die Firma Hag spiel u. Ruschpler ihm aus die Forderung des Ver eins an sie eine ihr an einen gewissen Lang in Lon don zustehende gleich hohe Forderung, welche durch Vermittelung des Bankhauses Knauth, Nachod u. Kühne, in Leipzig an sie auszuzahlen war, rechtsgiltig abtrat. Nach den bezüglichen Abtretungsurkunden hatte die Firma Hagspiel u. Ruschpler es selbst übernommen, die übri gen Betheiligten von der erfolgten Cession in Kennt- niß zu setzen; es ist dies aber nicht geschehen, und weder Brückner, noch Kaden haben sich darum geküm mert, ob Lang in London und das Leipziger Haus hiervon avisirt morden sind. Das Geld selbst (96 500 Mark) ist bis auf wenige Tausend Mark, welche an den Verein gelangt sind, von Knauth, Nachod u. Kühne welche durch Langen zur Zahlung an Hagspiel u. Rusch pler angewiesen worden waren, an Letztere ausgezahlt und von ihnen in ihren eigenen Nutzen verwendet worden. Noch im März 1878, zu einer Zeit, wo die Firma Hagfpiel u. Ruschpler unmittelbar vor dem Bankrott stand, gaben Brückner u. Kaden, obgleich sie hiervon Kennlnlß hatten, der Firma nochmals über 9000 M. aus Wechsel hin. Aus dem Concurs diefer Firma werden für die Chirographarier nach amtlicher Mtt- theilung mehr nicht als 5 bis 6 Procent ausfallen. Der dritte Untreuefall endlich bettaf ein Darlehn von über 4000 M., welches Kaden in der Hauptfache mit Brückner's Einverftändniß einem Mitglieds des Vereins, einem gewlsfen Otto Julius Lehmann, damals in Roßwein, Mitinhaber der liquidirten Firma Bau mann u. Lehmann in Grünroda, zu einer Zeit aus der Vereinskasfe gegeben hatte, wo fein persönlicher Credit durch Vorstandsbeschluß suspendirt und derselbe notorisch insolvent, auch kaum in der Lage war, wieder in bessere Vermögensverhältnisse zu kommen. Die bei den Angeklagten entschuldigten hier ihr Vorgehen da mit, daß sie geglaubt hätten, im Interesse des Vereins zu handeln, weil sie sich hätten der Unterstützung Leh- mann's in einem Processe versichern wollen, welchen der Vorschußverem gegen die Erbin des verstorbenen Mitinhabers der Firma Baumann u. Lehmann an- strengte und in welchem dcr Vertreter der Gegenpar tei, ein Berliner Rechtsanwalt, Lehmann' angeblich zu falschem Zeugniß zum Nachtheil des Vereins anzustis- ten versucht hatte. Lehmann bestätigte, als Zeuge ab gehört, in der Hauptsache den vorerwähnten Sach verhalt. Daß Kaden in irgend einem der ihm zur Last ge legten Fälle persönliche Vortheile gehabt, ist nicht zu erweisen gewesen. Auf Grund der Ergebnisfe der Beweisaufnahme hielt die durch Herrn Staatsanwalt Stein von hier vertretene kömgl. Staatsanwaltfchaft die Anklage in allen Punkten aufrecht. Die Vertheidiger der beiden Hauptangeklagten, Herr Advocat Schneider von hier für Engelb. Brückner, Herr Advocat Häntzschel von Chemnitz für Kaden, be tonten ,n der Hauptsache den Mangel der rechtswidri gen Absicht bei ihren Defendenden und beantragten deren Freisprechung. Gleichen Antrag stellte für Richard Brückner dessen Vertheidiger, Herr Advocat Or Enzmann aus Chemnitz. Das in der sechsten Nachmittagsstunde am 8. d. M. verkündete Erkcnntniß des Schöffengerichts lautete für Engelbert Brückner wegen fortgesetzter Unterschlagung und wegen in zwei Fällen begangener fortgesetzter Un treue aus 8 Jahre, für Kaden wegen wissentlicher Bei hilfe zu jener Untcrfchlagung und Mittäterschaft in den beiden Untreuefällen auf 3 Jahre 6 Monate, für Richard Brückner wegen einfachen Bankrotts auf 1 Woche Gefängniß, und wurden Engelbert Brückner auf 5 Jahre, Kaden auf 3 Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, ihnen jedoch 6 Monate Gefäng niß auf die erlittene Untersuchungshaft in Anrechnung gebracht. Dagegen wurden dieselben wegen des Con tos Lehmann und bezüglich gewisser Summen der übrigen Conten freigesprochen. Das Schöffengericht war zusammengesetzt aus Herrn Bezirksgerichtsdirector Appellationsrath Ür. Schilling als Vorsitzenden und den Herren Gerichtsräthen Reichenbach und v. Löben, sowie als Schöffen den Herren Fabrikant Rüdiger, Spinnercibesitzer Müller und Postdirector a. D. Temper von hier, sowie Rltter- gutspachter Bonitz von Neusorge. Als Ergänzungs schöffe fungirte Herr Oekonom Donner von hier. -— ", " Statistik und VotkswirtlMaft. Ii. Dresden, 8. März. Der 1877er Bericht über den Geschäftsbetrieb der sächsischenBank zuDreSden theil zunächst unter Personalien die Zuwahl der Herren Director Gustav Hartmann in Chemnitz und geh. Commerzienrath Fedor Zschille in Dresden an Stelle zweier verstorbenen Mitglieder in den Berwaltungsrath mit. Bon den seit Ende 1876 präclu- dirten Banknoten aus Thalerwährung sind am Jahresjchluß noch 4N880 Thlr. in Circulation geblieben. Der Zinsfuß stellte sich im Durchschnitt auf 4,r» Procent gegen 4,«» Procent in 1877 für den Wechseldiskont und auf 5,»t Procent gegen 6,«» Procrnt in 1877 jür Lombarddarlehne. Von Banknoten in Reichswährung waren durchschnittlich in Lirculation 37 768 050 M. mit einer Baarbedcckung von 23 676 111 M. und einem ungedeckten Betrag von 14 181 939 M, und war an Banknotensteuer 3996 M. zu zahlen. Der «esammtnmsay auf Kassenconto betrug 977 075 954 M Aus Wcchjelconto hatte die Bank von Wechseln auf sächsische Plätze Bestand und Eingang 109 017 Stück mit 141 390 010 M und abzüglich Ausgang einen Bestand von IS 873 Stück mit 19 737 089 M„ und von Wechseln aus auswärtig Plätze einen Bestand und Eingang von 68 388 Stück mit 161 906 634 M. und abzüglich Ausgang einen Bestand von 8S08 Stück mit S4 »41 406 M, also mit 44 078 494 M als Gejammt vechselbestand Der Ge sammtumfatz bezifferte sich aus »IS 406 Stück, betragend bis 719 666 M. mit einem hieraus erzielten Gewinn von zu sammen I 649 966 M. Rach Ausweis de» Lombardcontos wur den einschließlich Bestand gegen Berpsändung von Efsecten und Wechseln ausgeliehen aus 1041 Pfandscheine 27 841 922 M und verblieben abzüglich Rückzahlungen noch 490 Pfandscheine mit 6 223 66t M Vorschuß Der Gesammtumsatz hierin be stand in 6960 einzelnen Erveduivnen im Betrage von 6t 694031 M. mit einem Zmsenerträgniß von 261 806 M Aus Effecten- conto ergiebt sich in Eingang und Ausgang ein Gesammtumsatz von 97 616 493 M mit einem Reingewinn von 666 876 M Das Essectrnconto deS Reservesonds enthält 412 200 M. »pro- centige Partialobligationen der Ihode schen Papierfabrik ä 100 Procent. Aus dem Tonto der laufenden Rechnungen betrug Eingang und Bestand 237 869 638 M., der AuSgang über 239,» Millionen Mark, mithin Saldo 1 »61 031 M zu Gunsten der Bank. An Baaremlagen aus DarlehnSbücher bezifferte sich Bestand und Eingang aus 610 Bücher mit tb 66t 208 M. Ein läge und verbleiben abzüglich Ausgang 314 Bücher mit I 804 701 M. Einlage Außerdem waren vorhanden an ver zinslichen Einlagen mit festgestellten Kündigungsfristen ein schließlich Bestand 4 168 093 M. und abzüglich Rückzahlungen verblieben 2 380 697 M. Ta- Conto für zweifelhafte Bußen stände schließt mit ausfallenden, abzuschreibenden 162 603 M DaS Jmmobilienconto ist unverändc-t 620 000 M Auf Conto für AnsertigungSkoften der Banknoten aus Reichswährung bleiben noch zu tilgen 26 649 M. Der Pensionssond besteht nunmehr aus 268 000 M. tönigl. sächsischer 3procentiger Ren tenanleihe, wogegen die Bank mit 1041 M. in Vorschuß ge treten ist. DaS Gewinn und Verlustkonto ergiebt sür das 13. Rechnungsjahr einschließlich VortragS von 1877 einen gejammten Reingewinn von 1892 169 M. Davon sind 4^ Procent Zinsen mit 1 360O00 M. zu gewähren, 20 Procent dem Rejervejond mit 107 662 M. zuzusuhren, 6 Procent Tamiäme sür den Ver- waltungsrath mit 32 268 M, 3 Procent für die Direktoren mit 16 134 M. abzuziehen, ferner If4 Procent mit 376Oov M. Superdividende zu gewähren und restliche 11204 M. auf neue Rechnung vorzutragen. Vorbehältlich der Genehmigung der Generalversammlung kommen daher aus jeden, den Actien bei- geg»denen Tividendenschein Nr 9 pro 187» zusammen 5^ Pro- cei.l oder M. 34 60 zur Vcrtheilung. DaS Gewinn- und Verlusiconl» beläuft sich mit 2 646 712 M., die Bilanz mit 126 411 683 M. Tie Pest in Rußland. * Berlin, 9. März. Vom Professor Dr. Lewin ist in Erwiderung aus eine an ihn gelichtete Anfrage folgendes Telegramm aus St. Petersburg vom gest rigen Tage elngegangen: „Bei Prokowjew fand ich keinerlei Symptome von Pest. Seine Trüjenanschwel- lungen sind Ueberbleibsel einer vor mehreren Jahren überstandenen, jetzt nicht mehr vorhandenen Syphilis. Auch sonst habe ich in den Spitälern Fälle verdäch tiger Art nicht vorgefunden." — Die „Köln. Ztg." meldet aus Berlin: Das Cultusministerium und die Oberpräsidien sind wegen Vorbereitung von Sicherheitsmaßregeln in voller Thätigkeit. Namentlich handelt es sich um Einrich tungen von Quarantänen und Lazarethcn. So soll einer Aufforderung der königl. Regierung an die städtischen Behörden zu Bromberg zufolge dort ein bedeutendes Lazareth für etwa aus Rußland ankom- mcnde pestkranke oder pestverdächt.ge Fremde eingerich tet werden. * Bremen, 8. März. Die gemeinschaftliche Preu ßen Oldenburg-Bremische Ouarantänccommission macht bekannt, daß mit dem gestrigen Tage die Quaran- länebestimmungen des zwischen Preußen, Olden burg und Bremen bestehenden Staatsvertrages vom 1. Januar 1868 für aus russi chcn, sür verdächtig er klärten Häfen kommende Schiffe in Kraft getreten sind. St. Petersburg, 9. März. (Tel.) General Graf Loris Melikow telegraphirt aus Astrachan vom 7. d.: In einer gestern m Wetljanka stattgefundenen gemeinsamen Sitzung der ausländischen Aerzte und des Professors Eichwald wurde ein schriftliches Pro tokoll aufgenommen, in welchem die VDr. Hirsch, Biesiadecki, Kabiadi», PetreSko und Professor Eichwald constatiren, daß die von Mitte October vor. I. bis Ende Januar d. I. im Gouvernement Astrachan beob achtete Seuche eine Pestepidemie war, welche den Cha rakter der sogenannten levantinischen Bubonenpest trug. Ueber den Modus der Einschleppung dcr Seuche glau ben sich die gedachten Aerzte der Beschlußfassung bis dahin enthalten zu sollen, bis die weiter anzustellenden Untersuchungen genauere Daten ergeben haben werden. Die Epidemie sei indeß als erloschen zu betrachten, da seit dem 9. Februar weder ein einziger weiterer Erkrankungs-, noch Todesfall vorgekommen fei. Jedoch könne eine Garantie dafür nicht übernommen werden, daß die Seuche in den früher heimgesuchten Orten, namentlich in Wetljanka, eventuell nicht wieder auf trete. D>e Aerzte rathen schließlich folgende von Pro fessor Eichwald vorgeschlagene Maßregeln an: 1) Län gere ärztliche Aufsicht »n den verdächtigen Ortschaften; 2) Aufrechthaltung der bestehenden Absperrung jedes inficirt gewesenen Dsrfes bis zum Ablauf der ge setzlichen Frist von 6 Wochen; 3) Aufrechthal tung der allgemeinen Absperrung der gejammten inficirt gewesenen Ortschaften mit 10tägiger Qua rantäne. Dagegen erachten die Aerzte die Auf rechthaltung des um das asttachanische Gouvernement bestehenden Cordons für unnöthig. — Vom 8. d. M. telegraphirt General Loris - Melikow aus Astrachan: Es sind keine Epidemiekranke vorhanden; die Qua rantäne der Dörfer Wiasowka und Batajewka ist ausgehoben worden, und verringert sich dem ent sprechend die Absperrungslinie. Gleichzeitig sind die Beschützungslinien rund um das asttachanische Gou vernement herum, sowie die Quarantäneeinrichtungen zu Sarepta, Achtuba und Elton ausgehoben worden. EingesandteS. * AuS Kassel schreibt die dortige „Tagesp." unterm 7. März über da- Gastspiel eines Mitgliedes des Dresdner HoftheaterS: DaS alte, doch noch immer gern gesehene Raimund'sche Stück „Der Verschwender" ging gestern Abend über unsere Bühne und hatte sich aroßer Theilnahme von Seiten des PublicumS zu er- tteuen. Die Rolle de» „Valentin", einem Gast, Hrn. Richter, vom Dresdner Hostheater anvcrtraut, war in guten Händen, auch dcr österreichische Dialekt gelang dem Gaste besser, al» wir e» sonst wohl hier zu hören gewohnt sind. DaS Spiel des Hrn. Richter entsprach dabei durchaus dem naturwahren Charakter des „Va lentin", ohne jedoch etwas Ungewöhnliches zu bieten, » wozu wohl auch diese harmlose Rolle kaum einige Ge legenheit giebt. Die wohlbekannten und allbcliebten Lieder des „Valentin" kamen durch eine angenehme und sonore Stimme in mehr alt gewöhnlicher Weise zur Geltung. Perautwonticher Redakteur: Hofrath I. V HarNuauu io Dresden Druck »o» B G Deubner „ DreSben,