Volltext Seite (XML)
15. Januar 1901. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 81 Berichte über Versammlungen aus Fach vereinen. Verein deutscher Eisenbahn- Verwaltungen. (Die Thätigkeit des Vereins in technischer Beziehung 1850 bis 1900.) Bei den gewaltigen Anforderungen, welche heute Industrie und Verkehr an das Eisenbahnwesen stellen, verlohnt es sich, einen Rückblick auf die Entwicklung der deutschen Eisenbahnen und die Thätigkeit der technischen Kräfte zu werfen, welche bis jetzt vor nehmlich zum Ausbau dieses für die culturelle Auf- schliefsung und pecuniäre Hebung eines Landes wich tigsten Gebietes beigetragen haben. Die Geschichte des „Vereins deutscher Eisenbahn-Techniker“, welche gleichzeitig eine Geschichte des deutschen Eisenbahn wesens darstellt, zeigt, welche schwierigen Auf gaben seit Einführung der Bahnen in Deutschland zu lösen gewesen sind, welche ungeheure Arbeit in dem Zeitraum eines halben Jahrhunderts auf diesem Gebiete geleistet worden ist. An Hand einer jüngst unter dem Titel „Die Thätigkeit des Vereins deutscher Eisen bahn-Verwaltungen in technischer Beziehung 1850 bis 1900“ erschienenen Schrift lassen wir hier über die Geschichte der Gründung dieses Vereins und seine Thätigkeit einige Mittheilungen folgen. Nach Inbetriebsetzung der ersten Eisenbahn in England, der Stockton-Darlington-Bahn im Jahre 1825, wurde in Deutschland am 7. December 1835 die erste, mit Locömotivkraft betriebene Bahn von Nürnberg nach Fürth eröffnet, welcher am 24. April 1837 die erste Strecke der Leipzig-Dresdener-Bahn (und in Oesterreich am 19. November 1837 die Kaiser Ferdi nands-Nordbahn) sich anschlofs. Am 3. November 1838 wurde in Preufsen bereits das erste Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen erlassen ; es wies jedoch mancherlei Mängel auf, so dafs die Berlin - Stettiner Eisenbahn die preufsischen Eisenbahngesellschaften zu einer Versammlung am 10. November 1846 nach Berlin einlud. Es folgten diesem Rufe 10 von den 17 damals in Preufsen bestehenden Verwaltungen und gründeten bei dieser Gelegenheit den „Verband preufsischer Eisenbahn-Directionen“, der auf der nächsten, am 28. und 29. Juni 1847 in Köln abgehaltenen Ver sammlung bereits 21 Verwaltungen zählte. Der Ver band wurde dann weiter auf die Eisenbahnen des ge summten deutschen Bundes, denen auch österreichische Verwaltungen sich anschlossen, ausgedehnt, so dafs ihm auf der vom 29. November bis 2. December 1847 in Hamburg tagenden Versammlung schon 40 Verwaltungen als Mitglieder angehörten. Auf letzterer Versammlung gab man dem Verein den Namen „Verein deutscher Eisenbahn-Verwaltungen“, unter welchem er heute noch fortbesteht. Die ersten Bestrebungen dieses Vereins waren auf Anbahnung einer einheitlichen, deutschen Eisenbahn- Gesetzgebung gerichtet. So wurden auf der in Dresden im Jahre 1848 abgehaltenen Generalversammlung „gleich- mäfsige Construction der Bahn und der Betriebsmittel, soweit sie erforderlich ist, um die Transportmittel von einer Bahn ungehindert auf die andere übergehen zu lassen, namentlich eine gleiche Spurbreite, ein gleiches Minimum der Höhe und der Breite der Ueberbrückungen und Tunnels, gleiche Bufferhöhe und Bufferdistanz u. s. w.“ beantragt. Die Angelegenheit wurde schliefs- lich einer Commission überwiesen, welche in Wien am 15. bis 19. October 1849 ein Promemoria der König!. Hannoverschen Eisenbahn - Verwaltung vom 27. Sep- J 11.21 tember 1849 nebst Vorschriften für Bahnbau, Betriebs mittel und Telegraphensystem der Versammlung vor legte und den Antrag stellte, die Techniker der deut schen Eisenbahn - Verwaltungen zur Berathung der in dem Promemoria gemachten Vorschläge einzuladen. Infolgedessen traten die Techniker der Eisenbahn- Verwaltungen in der Zeit vom 18. bis 27. Februar 1850 in Berlin zusammen und vereinbarten die „Grund züge für die Gestaltung der Eisenbahnen Deutschlands“ und die „Einheitlichen Vorschriften für den durch gehenden Verkehr auf den bestehenden Vereinsbahnen“. Gleichzeitig constituirten sich die auf dieser Versamm lung anwesenden Techniker der deutschen Eisenbahnen zu einem „Verein der deutschen Eisenbahn-Techniker“. Obwohl dieser Verein anfänglich den Charakter eines Privatvereins besafs, hat er doch seine ganze Thätig keit ausschliefslich dem „Verein deutscher Eisenbahn- Verwaltungen“ gewidmet. Im Jahre 1892 wurden gelegentlich der Vereinsversammlung in Graz die Techniker-Versammlungen als eine „organische Einrich tung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen“ dadurch gekennzeichnet, dafs man die Techniker-Ver sammlung als „einen erweiterten Ausschufs für tech nische Angelegenheiten erklärte“. In solcher Weise hat auch der „Verein der deutschen Eisenbahn-Tech niker“ die Vorberathung der wichtigsten technischen Arbeiten für die Generalversammlungen des „Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen“ übernommen und sich die hervorragendsten Verdienste um die Förderung des deutschen Eisenbahnwesens erworben. So viel über die Geschichte des Vereins. — Betrachten wir nun die Ergebnisse der 'Thätigkeit des „Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen“ und die Bedeutung derselben für die einheitliche Gestaltung des Eisenbahnbaues in Mitteleuropa! Zu den wich tigsten Arbeiten des Vereins gehören unstreitig die schon auf der ersten Techniker-Versammlung berathenen „technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupteisenbahnen“, aufgebaut auf den „Grundzügen für die Gestaltung der Eisen bahnen Deutschlands“ und den „einheitlichen Vor schriften für den durchgehenden Verkehr auf den bestehenden Vereinsbahnen“. Den „technischen Ver einbarungen“ wurde im Jahre 1867 eine „Signalordnung für die deutschen Eisenbahnen“ beigefügt und durch diese grundlegenden Mafsnahmen eine einheitliche Ge staltung des Baues, der Betriebs-Mittel und -Einrich tungen , sowie eine Herabminderung der Unfälle im Eisenbahnwesen herbeigeführt. Des weiteren waren auch die technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Nebeneisenbahnen, sowie die Grundzüge für den Bau und die Betriebs einrichtungen der Localeisenbahnen (Kleinbahnen) Gegenstand der Berathung. Der Verein hat sich ferner die Aufstellung und Beantwortung wichtiger technischer Fragen, die in das Gebiet des Eisenbahn wesens schlagen, angelegen sein lassen. So fanden auf der in Frankfurt a. M. im Jahre 1856 abgehaltenen Generalversammlung Erörterungen über die Construc tion eiserner Gitter- und Kettenbrücken, Imprägnirung von Schwellen, Schienenbefestigung und Bremsvorrich tungen statt, die schon zu umfangreichen literarischen Arbeiten anwuchsen. Welche Arbeit während der einzelnen Techniker-Versammlungen zu leisten war, erhellt aus der Zahl der zur Beantwortung an den Verein gerichteten Fragen: Es waren in Dresden (1865) 71 Fragen, München (1868) 54, Hamburg (1871) 26, Düsseldorf (1874) 75, Stuttgart (1878) 121, Berlin (1884) 157 und in Strafsburg i. E. (1893) 103 Fragen 3