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Mchmtz-ZkitW Nr. 17 62. Jchrgang. Donnerstag, dm 13. Februar 1896. Es ist eine Unwahrheit, wenn dem Volke glauben gemacht wird, es solle mit dem neuen Wahlrechte eine „Vorherrschaft des Geldsackes" eingeführt werden. Nicht die Reichen werden in Zukunft bet den Wahlen den Ausschlag geben, sondern der Mittelstand, die Handwerker, die Gutsbesitzer, die Arbeiterbeamten u. s. w. Eine Unwahrheit ist es selbst, wenn behauptet wird, daß künftig die Zweite Kammer so zusammen gesetzt sein werde, daß ein freies Wort, daß eine Op position nicht mehr möglich sei. Es ist das so wenig wahr, daß auch nach dem neuen Wahlgesetz aller Vor aussetzung nach selbst die Wahl von sozialdemokratischen Vertretern keineswegs ausgeschlossen, sondern in ver schiedenen Bezirken wahrscheinlich ist. Nur der Bil dung einer Mehrheit der Umsturzpartei in der Kammer soll durch das mittelbare Wahlrecht vorgebeugt werden. Eine Unwahrheit ist es endlich, daß die beabsichtigte Wahlreform eine Maßnahme der Reaktion sei und den Fortschritt hemmen werde. Auch mit dem neuen Wahlrecht, das ein allgemeines und geheimes sein wird, wird Sachsen in Bezug auf die freiheitliche Ein richtung seines Wahlrechts hinter keinem deutschen Staate zurückstehen. Mitbürger, laßt Euch also nicht irre machen! Glaubt nicht den Ausstreuungen jener, denen das Wahlrecht nur ein Mittel zum Umsturz und einer Vernichtung des Staates ist, vertraut nicht jenen, die sich offen als „revolutionäre Partei" bezeichnen, ver traut vielmehr der Regierung, die stets noch Euer Bestes gewollt hat, vertraut uns. Euren gewählten Vertretern, denen es gleich ernst mit der Wahrung der Volksrechte, die auch unsere Rechte sind, wie mit der Wahrung der Rechte des Staats ist! An alle vaterlandsliebenden Bürger, besonders aber auch an die wohlgesinnte Presse richten wir daher das eindring liche Ersuchen, ihrerseits dadurch an dem begonnenen Werke mitzuhelsen, daß sie der Irreleitung und Fäl schung der öffentlichen Meinung, die gegenwärtig durch ebenso fanatische, wie gewissenlose Agitatoren betrieben wird, nachdrücklich entgegentreten und mit uns das Volk darüber ausklären, daß die beabsichtigte Aenderung deS Wahlrechts, weit entfernt eine Volks entrechtung oder ein Rückschritt zu sein, lediglich eine nothwendige Abwehrmaßregel gegen den immer dro hender sein Haupt erhebenden Umsturz bildet, dazu bestimmt, wahre Freiheit und wahren Fortschritt zu sichern". Verantwortlicher Redacteur: Päul Ichne in Dippoldiswalde. Mit achtseilige« „Jllustrirteu UnterhaltmrgSblatt". Mit land- «nd harrStvirthschaftlicher Monatsbeilage. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Für die diesjährige Faschings zeit hatte am vergangenen Dienstag Herr Belger, der neue Besitzer der „Reichskrone", einen öffentlichen Maskenball angesetzt. Der von ver kunstgeübten Hand des Herrn Gärtner Philipp mit grünem Reisig geschmückte, von lauschigen Lauben umgebene Ballsaal füllte sich um die festgesetzte Stunde gar bald mit allerlei Masken, theilS Charaklerpersonen oder Volks trachten darstellend, theils auch in Phantastekostüme gekleidet, Vie sich bei den ununterbrochenen Klängen der Etadlkapelle im Saale bunt durch einander be wegten. Ritter, die bald ihr Evelsräulein gefunden. Soldaten mit dem nöthigen weiblichen Anhängsel und Mönche, die eS mit dem Cölibat nicht sehr streng zu halten schienen, langweilige Engländer und spaßhafte Harlekins, die sich einen Schornsteinfeger zum An führer erwählt hatten, ein alter sächsischer Postillon, alle tollten durcheinander und warteten im Schweiße ihres Angesichts der Stunde der Demaskirung, die manche heitere Erkennungsscene darbot und nach welcher die Festtheilnehmer mit offenem Visier sich weiter dem Vergnügen Hingaben. — Am 9. Februar waren im Bahnhofhotel die Vertrauensmänner des Bundes der Landwirlhe aus 18 Gemeinden deS Bezirks versammelt, um sich über Verschiedenes zu besprechen, unter anderem über eine in Anzeiger für Dippoldiswalde Md Umgegend Amtsölalt sm die Königliche Amtshlluptmamischast, das Königliche "Amtsgericht und den Stadtrath zu Dippoldiswalde. nächster Zeit hier stattfindende allgemeine Versamm lung der Bundesmitglieder. — Die für ihre Mitglieder segensreich wirkende hiesige zweite Begräbnißgesellschaft, zur Zeit unter dem Vorsitz des Herrn EchuhmachermeisterS Lohse stehend, kann mit Befriedigung auf ihr letztes VereinS- jahr zurückblicken. Zunächst erhöht- sich die Mitglieder zahl von 230 auf 240, das Vermögen aber von 2042 auf 2148 Mark. Die bisher SO Mark betragende Begräbnißunterstützung konnte man auf öS Mark erhöhen. Im verflossenen Jahre wurde erstere an die Hinterlassenen von 13 Verstorbenen ausgezahlt. Da neben besteht aber auch noch eine Krankenkaffe, welche von der Begräbnißkaffe gesondert, eine wöchentliche Unterstützung von 1,50 Mark gewährt und ebenfalls über ein Vermögen von 774 Mark verfügt. — Für rechtzeitiges Erscheinen am Brandplatz und erfolgreiche Löschthätigkeit gelegentlich deS Schuppen brandes beim Hausbesitzer und Schneidermeister Fritzsche in Kreischa, am 13. Dezember vor. Jahres, hat die königl. Brandoersicherungskammer der Spritze der Ge meinde Gombsen 30 Mk., sowie der Spritze der Gemeinde Lungkwitz 25 Mk. Prämien bewilligt. — Im bevorstehenden Sommer soll bei der Post agentur in Hennersdorf (Bezirk Dresden) eine Telegraph« »'anstatt eingerichtet werden, zu deren Anschluß an das Reichstelegraphennetz Gemeindewege in den Fluren von Schmiedeberg, Naundorf, SadH- dorf und Hennersdorf zu benützen sind. Mit der AuS- kundung der neuen Linie hat der Kaiser!. Ober-Post- direktor Herrn Postinspektor Spott in Dresden be auftragt, welcher die örtlichen Feststellungen noch im Laufe dss. Mts. vornehmen wird. Grenze Moldau. Auch in hiesigen Forsten werden vielfach berechtigte Klagen über diesjährige Wind- und Schneebrüche laut. So hat das Rehefelder Revier in den Abtheilungen 62, 40, 43 und 34 besonder» stark gelitten. Nach oberflächlicher Schätzung dürfte daselbst der Schaden zusammen über 2000 Festmeter betragen. Dresden. In der Sitzung am 10. Febr. ertheilte die Zweite Kammer nach dem Anträge der Rechen- schastsdeputation ohne Debatte der Königl. Staats regierung wegen Verwaltung der Staatsfinanzen in den Jahren 1892 und 1893 zu den Kapiteln 1—21 des betreffenden Rechenschaftsberichts Entlastung und lieb sodann ebenfalls ohne Debatte die Petition und Beschwerde des Oswald Berger in Thalheim i. E. auf sich beruhen. — Die Erste Kammer bewilligte am 11. Febr. auf Antrag der zweiten Deputation die Kap. 73 bis mit 87, mit Ausnahme de« Kap. 77rr des Staats haushaltsetats auf die Periode 1896/97, das Departe ment der Finanzen nebst unmittelbaren Dependenzen betreffend. Zu Kap. 75 regte Graf Rex-Zedlitz die Erneuerung der sog. .Picardie" im Köngl. Großen Garten an. Staatsminister v. Watzdorf stellte die Erfüllung dieses Wunsches sür spätere Zeil in Aus sicht. Zu Kap. 76, Forstakademie zu Tharandt, be glückwünschte Major v. Wiedebach die Regierung wegen der Erhaltung dieser weltberühmten Hochschule. Zu Kap. 79 regte Wecke-Wiesa die Erhöhung deS Titels 21 zum Zwecke der Vermehrung der Straßen an. Zu Kap. 80, Hochbauverwaltung, wünschte Bürgermeister Beck eine Dccentralisation derselben. Staatsminister v. Watzdorf erklärte, daß zunächst dieser Frage auch aus Mangel an technischen Kräften nicht näher getreten werden könne. Hierauf gelangte der Antrag der vierten Deputation, die Petition deS Stadt sekretärs Otto Scheibe in Riesa für seinen Mündel, den vormaligen Staatsbahnschaffner Karl Friedrich Dalhe daselbst, um nachträgliche Gewährung von Pension, der Königl. Staatsregierung zur Berück sichtigung zu überweisen, zur Berathung. v. Trützschler beantragte, die Petition zur Kenntnisnahme zu über weisen, und wurde hierin unterstützt durch Staats minister v. Watzdorf und ElaatSminister a. D. v. Au das sächsische Volk Ächtet die sür die Wahlgesetzvorlage eintretende Mehr heit der Zweiten Kammer solgende Erklärung: „Die von der.Regierung im Einverständnisse mit -den Mehrheitsparleien der Ständekammern beabsichtigte Abänderung deS bestehenden Wahlrechts wird von den Anhängern der Umsturzpartei dazu benutzt, um unter dem Vorwande, als werde bei dieser Wahlreform eine „Entrechtung deS Volkes" geplant, die gedachte Maß nähme zu verdächtigen und die Volksleidenschaften gegen Regierung und Stände in unverantwortlicherWeise aufzustacheln. Folgendes der wahre Sachverhalt: Die Vertreter der sozialdemokratischen Partei in der Zweiten Kammer haben bei dieser unter dem 15. November v. I. einen Antrag eingebracht, gemäß dessen das be stehende Wahlrecht sür die Zweite Kammer beseitigt und ein allgemeines, auch auf die Frauen und auf Personen unter 25 Jahren sich erstreckendes Wahlrecht eingesührt werden soll. Es ist den Vertretern dieser Partei also nicht genug, daß die sozialdemokratische Partei, während sie bis vor wenigen Jahren noch in keinem VolkSvertretungskörpec eines deutschen Staates einen Vertreter hatte, in der sächsischen Zweiten Kammer schon seit Jahren deren 14 hat, die, ihren Grundsätzen getreu, der Regierung und den Ständen eine gedeih liche Ausübung ihrer Zuständigkeiten und Pflichten schon jetzt nach Kräften erschweren. Es ist ihnen nicht genug, daß die sozialdemokratische Partei, falls sie in gleicher Weise sortwächst wie bisher, aller Annahme nach schon bei den nächsten Wahlen sich erheblich ver- stärkt haben würde. ES ist ihnen nicht genug, daß die sozialdemokratische Partei unter der gleichen Vor aussetzung in absehbarer Zeit die ausschlaggebende Partei in der Zweiten Kammer sein würde. Die so zialdemokratische Partei will diesen Zeitpunkt noch be schleunigen, will durch die Beseitigung des bestehenden Wahlrechts und Einführung eines Wahlrechts der Massen die Macht schon jetzt an sich reißen und den von ihrem berufensten Vertreter, dem Abgeordneten Bebel, aus dem Parteitage zu Breslau unter lautem und allgemeinem Beifall der Gesinnungsgenossen ge- thanen Ausspruch: „Haben wir eines Tages die Macht, unsere Forderungen rücksichtslos durchzusühren, so machen wir mit den bisherigen Eigenthümern kurzen Prozeß!" zur Wahrheit machen, will als sozialrevolu- tionäre Partei alles Bestehende vernichten und an Stelle der Freiheit und der Ordnung die Anarchie setzen, die alsbald einer Gewalt- und Schreckens herrschaft Platz machen müßte. Dagegen unser innig geliebtes Vaterland, dagegen Staat und Gesellschaft zu schützen, war unser Recht, ist unsere heilige Pflicht! Das aber konnten wir nur, indem wir, die An- .gegriffenen, den hingeworsenen Fehdehandschuh auf hoben und dem Vornehmen der Umsturzpartei mit dem Anträge entgegentraten, das bestehende Wahlrecht zwar abzuändern, aber in dem Sinne, daß der Durch brechung der Dämme von Ordnung und Recht in dem ein,»fügenden Wahlrecht eine Schutzwehr entgegen- 'gesetzt wird. Wie wir aber unsererseits wahrscheinlich »schon jetzt aus eine Aenderung des Wahlrechts nicht -»gekommen sein würden, wenn wir nicht durch jenen Antrag der Umsturzpartei von neuem und eindringlich auf die in nächster Nähe drohende Gefahr aufmerksam -gemacht und herausgesordert worden wären, so liegt eS unS auch durchaus fern, durch die beabsichtigte Aenderung des Wahlrechts das „Volk zu entrechten". Mitbürger, alles, was in dieser Beziehung von den gegnerischen Agitatoren «»«gestreut wird, ist Un wahrheit ! Es ist eine Unwahrheit, daß Jemandem das Wahl recht entzogen werden soll. Im Gegentheil, da« Wahl recht soll künftig erweitert werden und zwar dadurch erweitert werden, daß nicht wie jetzt nur derjenige wählen darf, der mindestens 3 Mk. direkte Staats steuern zahlt, sondern jeder Steuerzahler stimmberechtigt ein soll. s Inserate, welche bei bed bedeutenden Auflage de« Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, «erden mit 1V Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen den! Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. Die' „Weißeritz.Zeitung" 'erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be-