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Fenster, gegen Mitternacht vom 6. zum 7. Mai, wo bereits RuA eingetreten, von der Gartenseite ver- mtttelst eines Weinspaliers oder einer Leiter in die im ersten Stock gelegene Wohnung des genannten Stabsoffiziers eingedrungen. Aufgesundene Fußspuren weisen hierauf hin. Er hat sich zunächst seiner Fuß bekleidung entledigt, die — ein Paar alte Knöpf stiefeletten — unter einem im Vorzimmer stehenden Schranke vorgefunden wurden, und ist in das Schlaf zimmer gedrungen. Hier hat er den Schlafenden durch Hammerichläge zu betäuben und gleichzeitig denselben, wie ein im Bett vorgefundenes fremdes Taschentuch beweist, am Schreien zu hindern gesucht. Oberst lieutenant Prager mag vom ersten Schlage nicht sofort betäubt gewesen sein, sein durch mehrere Hammer schläge blutrünstig geschlagener rechter Unterarm deutet darauf hin, daß er sich gegen die geführten Schläge, die mehrere Schädelzertrümmerungen veranlaßt haben, zu decken versucht hat. Auch muß er versucht haben, sich vermittelst seines Revolvers zu mehren; dieser, den der Ermordete sonst in seinem Bettschränkchen verwahrt, hat am Fußboden des Schlafzimmers gelegen. Das Messer, womit der Mörder den Schnitt durch die Kehle seines Opfers vollbracht, ist gleichfalls aufgefunden worden, ebenso einige Wäschestücke. Die Besichtigung der Leiche hat ergeben, daß es sich nur um einen Raubmord handele. Schreibtisch, Schränke und Kommoden standen offen, Portemonnaie und Uhr fehlten, ebenso Wäsche, CivilkleidungSstücke und ein Paar neue Stiefeln. Die vorgefundenen fremden Wäschestücke deuten darauf hin, daß der Mörder seinen Anzug gegen einen solchen seines Opfers vertauscht hat. Andererseits deutet aber, wie auch das Liegen taffen der Mordwerkzeuge, darauf, daß derselbe durch das Morgengrauen überrascht worden sein mag und unter Mitnahme der Werthsachen, die er in dem durch wühlten Schreibtisch und einer aufgesprengten Kassette gefunden, ziemlich eilig entflohen ist. Oberstlieutenant Prager hat möglicherweise eine kleine, zu den laufenden Ausgaben des Offizierkasinos der Garnison Metz, dessen Vorstandsmitglied er war, bestimmte Summe in seiner Wohnung ausbewahrt, der Mörder mag geglaubt haben, bei ihm die Kasse des Kasinos zu finden, er muß also eine genaue Kenntniß von den Verhältnissen seines Opfers, von dessen Lebensgewohnheiten, wie auch von der Oertlichkeit gehabt haben. Der Vermuthung, es könne ein Racheakt vorliegen, widerspricht die allgemeine Beliebtheit und der streng ehrenwerthe Lebenswandel des Verstorbenen. Polizeikommiffar von Eckensteen führt dis Untersuchung; ein verhafteter Ausrufer einer Schaubude, auf den sich der Verdacht gelenkt, wurde / wieder entlassen, da er sein Alibi nachweisen konnte. Die Mordthat wurde unterstützt durch die abgelegene Wohnung des Verstorbenen. Die Flucht des Mörders erleichterte der Umstand, daß Vorsaal wie Hausthür nicht verschlossen, sondern nur eingeklinkt gewesen find. Am 10. d. M. hat die feierliche militärische Beisetzung des Ermordeten auf dem Trinitatiskirchhofe statt gefunden. Gerüchtweise verlautet, daß der Mörder in der Person eines Offiziersdieners ermittelt worden sein soll. — Kommt da vor Kurzem ein Einwohner eines Dorfes am linken Elbufer nach der Residenz. Nach abgewickeltem Geschäft kommt ihm plötzlich der Gedanke, er könne sich hier einmal einen Frühjahrsanzug kaufen; gedacht, gethan. Er sucht ein vielberufenes Geschäft für Herrengarderobe auf, das durch seine Reklame artikel — frei nach berühmten Berliner Mustern — ihn oft ergötzt hat. Den drei ihn freundlich in Be schlag nehmenden dienstbaren Geistern erklärt er sofort, sich die Sache bloß einmal ansehen zu wollen. Doch diese vorsichtige Aeußerung thut der Freundlichkeit durchaus keinen Eintrag. Mit unglaublicher Zungen fertigkeit bemühen sich die Drei, ihm gegen seinen aus gesprochenen Willen einen der Frühjahrsanzüge auf zuschwatzen, die man in Menge herbeigeschleppt bringt. Doch alle Liebesmüh ist verloren. Er will gehen, ohne gekauft zu haben. An der Kaffe drückt man ihm einen Zettel in die Hand. Darauf liest er im Dämmerschein eine „30". Halt! denkt er, hier mußt du zahlen, weil du nichts gekauft hast, und erlegt — 30 Reichs pfennige. Doch so war es nicht gemeint. Man bringt ihm einen Anzug, den er für 30 Mark gekauft haben soll. Man hindert ihn mit Gewalt am Fortgehen und er kann nur dadurch der Freiheitsberaubung ein Ende machen, daß er 3 Mark erlegt, vorgeblich als Ab schlagszahlung. Daheim angekommen, sucht er Hilfe bei der Polizei und findet sie, und seine drei Peiniger sehen bereits ihrer Aburtheilung durch das Gericht entgegen. Dohna. In hiesiger Strohstofffabrik zerbarst am Montag ein Dampfrohr, das große Verheerungen an richtete und sogar eine Wand in die Müglitz warf. Wäre dieses Unglück 5 Minuten zeitiger passirt, so würde der mit Anfeuern beschäftigte Heizer wohl kaum mit dem Leben davon gekommen sein. Pirna. In große Lebensgefahr kam am 9. Mai 368 - ein Schornsteinfegerg-Httfe beipi Kehren de» Schlaffe» Sonnenstein. Die Schornstetnküpfe desselben sind mit starken und schweren Eisenplatten belegt, von denen die eine, ohne daß e» der Schornsteinfeger be merkte, mitten gesprungen war. Als er auf dieselbe den Fuß aufsetzte, brach sie vollends durch und die eine Hälfte, auf welche der Gehilfe getreten war, stürzte mit furchtbarem Getöse herab auf das Dach und von diesem auf die Plattform des „hohen Werkes". Der im Sturz mit fortgeriflene Schornsteinfeger hatte das Glück und die Geistesgegenwart, im Fallen die Dachrinne zu erfassen und sich daran festzuhalten und so vor dem Sturze in die Tiefe, der wohl seinen so fortigen Tod zur Folge gehabt haben würde, zu be wahren. Aus seiner gefährlichen Lage vermochte sich der Verunglückte selbst zu befreien, da es ihm gelang, sich auf das Dach zurückzuziehen und über dasselbe in Sicherheit zu kommen. Freiberg. Das königl. Landgericht verhandelte am 13. Mai in der Strafsache gegen den Schuh machermeister Fr. Hermann Rasche in Dippoldiswalde wegen Sittlichkeitsvergehen (tz 182 des R.-Str.-G.-B.) und verurtheilte den Angeklagten zu 6 Monaten Ge- fängniß. Dorfschellenberg. Den hiesigen Ortspolizeidiener Holler, welcher im Begriffe war, zur Vollendung seines Baues einige Steine auf einen« Wagen nach seiner Baustelle zu bringen, ereilte ein gräßliches Unglück. Auf der etwas abfallenden Straße konnte Holler den Wagen nicht genug zurückhalten, ein anderer Mann sprang herzu, um Hilfe zu leisten. Bei dieser Gelegen heit kam Holler zum Fallen, ein Rad des beladenen Wagens ging dem Bedauernswerthen quer über die Brust. Holler wurde von seinen qualvollen Schmerzen bald durch den Tod erlöst. In Chemnih wollte am 10. d. Mts. der Luft schiffer Feller-Leipzig seine 99. Luftfahrt machen, als der Ballon, den die damit beauftragten Soldaten wegen des starken Windes während der Füllung nicht erhalten konnten, mit gewaltigem Knall zerplatzte. ErdmannSdorf. Die vor einen leer von Chem nitz am Freitag, Nachmittag zwischen 6 und 7 Uhr, zurückkehrenden Lastwagen gespannten Pferde eines hiesigen Industriellen, durch irgend welchen ungünstigen Umstand scheu geworden, konnten von dem Kutscher nicht beherrscht werden und kamen im rasenden Galopp die Hauptstraße bergab zum Unglück auf ein dieselbe Straße zurückkehrendes Geschirr mit voller Wucht von hinten angefahren. Letzterer Wagen wurde hierbei völlig zertrümmert, der Kutscher dieses Wagens heraus geschleudert. Während dieser mit leichten Verwun dungen an den Füßen und zerrissener Kleidung davon kam, hat der Kutscher des erstgenannten Geschirres schlimmere Verletzungen davon getragen und mußte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, da der selbe bei dem Versuche, die Pferde im Zügel zu halten, eine Strecke Weges geschleift wurde. Ehrenfriedersdorf. Als am vergangenen Mitt woch Abend eine hier weilende Spielertruppe auf dem Marktplatze Vorstellung gab, ereignete sich dabei der Unglücksfall, daß eine brennende Solaröllampe, welche an einer Stange befestigt war, auf den 13 Jahre alten Knaben des Zimmermeisters Wagler hier herab fiel, sodaß das Kind hell zu brennen anfing. Trotz dem man sofort wollene Decken zur Hand hatte und damit das Feuer erstickte, sind die Brandwunden am Kopfe immerhin nicht unerheblich und insofern be- sorgnißerregend, als möglicher Weise ein Auge ver loren gehen wird. Reichenbach. Unser Reichstagsabgeordneter im 22. sächsischen Wahlkreise (Reichenbach, Auerbach, Kirch berg rc.) Landgerichtsdirektor Kurtz-Dresden siegte in der Stichwahl über den Sozialdemokraten nur mit einer Mehrheit von 543 Stimmen. Die Wahl prüfungskommission des Reichstags hat nun die Wahl Kurtz's beanstandet und beantragt, Beweiserhebungen in Betreff der Verbote von Versammlungen in Mylau, Netzschkau, Schönbach und Oberhainsdorf anzustellen. Sodann soll Beweis erhoben werden über kenntliche Stimmzettel in Kirchberg und Bedrohung der Arbeiter einer Tuchfabrik daselbst im Falle einer sozialdemokra tischen Stimmenabgabe. Endlich soll der Beweis er hoben werden, ob in Mühlgrün die Steuerrestanten von der Wahl ausgeschlossen worden sind. Leipzig. In allen ihren Theilen, innerlich wie äußerlich ist nunmehr die hiesige Markthalle fertig gestellt worden, sodaß im Laufe dieses Monats ihre Eröffnung erfolgen kann. Altenburg. Der 18. deutsche Gastwirthstag, welcher vom 25. bis 29. d. M. hier stattfindet, hat Festprogramm und Tagesordnung bekannt gegeben. Unter den zahlreichen Anträgen befindet sich auch einer, der zugleich eine Bereicherung (?) des deutschen Sprach schatzes in sich schließt. Antrag des VerbandSvorstan« deS: Trunkenboldisten betr. IaßsKgtfOiHte. Berlin. Kaiser Wilhelm ist am 12. d. M. früh 8 Uhr wieder in Potsdam eingetroffen. — Kaiser Wilhelm traf in Fortsetzung seiner gegen wärtigen Reise-Tournee am Sonnabend Abend gegen 9 Uhr in dem oberhesfischen Städtchen Schlitz ein, und nahm im Schlosse des Grafen Görtz Absteige quartier. Am Sonntag Vormittag wohnte der Kaiser dem Gottesdienste in der mehr wie tausendjährigen Ortskirche bei. Nachmittags war der Kaiser unter Anderem bei der Umsetzung einer in den Kriegsjahren 1870/71 im Schloßgarten gepflanzten Eiche zugegen und betheiligte sich auch thätig an dem Werk. Am Montag fand zu Ehren des Kaisers ein großer Auf zug der Bauern der Grafschaft Schlitz in ihrer eigen artigen Landestracht vor dem Schlosse statt. — Die „Politische Korrespondenz" enthält einen offiziösen Berliner Brief, der sich in seiner ersten Hälfte mit den Handelsvertrags-Verhandlungen beschäftigt. In demselben heißt es: Wie man annimmt, werden die augenblicklich hier stattfindenben Vorbereitungs arbeiten für die deutsch-schweizerischen Vertrags verhandlungen sich noch bis Mitte des Monats hinziehen, alsdann erfolgt der Eintritt in die eigent lichen Verhandlungen, die auf mindestens 2 Monate angeschlagen werden. Die Aussichten sind nicht un günstig, ohwohl der neue, von der Schweiz aufgestellte Tarif höher ist, als der bisherige, wird aber auch wohl hier die entsprechende Würdigung des wohlver standenen beiderseitigen Interesses den erwünschten Ab schluß herbeiführen. An die Verhandlungen mit der Schweiz werden sich alsdann diejenigen mit Italien anschließen. Hinsichtlich der Frage, welche Aufnahme die neuen Handelsverträge im Reichstage finden dürften, schreibt der Gewährsmann der „Politischen Korresp.": Das darf wohl als sicher angesehen werden, daß die Regierung alle Energie aufbieten und auch vor keiner Konsequenz zurückschrecken würde, um die Verträge durchzubringen. Mannheim. Am Abend des 11. Mai ist ein Wolkenbruch mit Hagelwetter und föhnartigem Sturm über die hiesige Gegend niedergegangen. In einigen Straßen der Stadt stand das Wasser fußhoch. Sämmt- liche Keller wurden völlig überschwemmt. Die Obst ernte ist nahezu vernichtet, der angerichtete Schaden sehr beträchtlich. Helgoland. Auf der Insel Helgoland gab es dieser Tage hohen Besuch. Es traf daselbst der neue, für den Dienst zwischen Hamburg und Helgoland be stimmte Schnelldampfer „Cobra" am Sonntag Nach mittag 2'/« Uhr ein. Der prachtvoll ausgestattete Dampfer hatte die Staatssekretäre v. Bötticher, Frei herr v. Marschall und Hollmann, ferner den Minister Herrfurth, den Oberpräsidenten v. Schleswig Holstein, v. Eteinmann, den Reichstags-Präsidenten v. Levetzow und viele andere hohe Staatsbeamte, sowie zahlreiche andere Personen von Distinktion an Bord. Aus An laß der glücklichen Probefahrt der „Cobra" fand am Sonntag Abend auf Helgoland großes Festessen und später Feuerwerk statt. Oesterreich. Der Entschluß des österreichischen Abgeordnetenhauses, an Stelle der sonst üblichen Adresse eine einfache Loyalitäts-Kundgebung als Antwort auf die Thronrede des Kaisers treten zu lassen, hat sich nach den vorliegenden Wiener Mel dungen als eine Ueberraschung recht angenehmer Art erwiesen, da damit langwierigen Polemiken schnell ein Ende gemacht wurde. Nunmehr werden die sachlichen Vorlagen an die Reihe kommen, bei deren Behandlung die Intelligenz, sowie die Erfahrung und politische Fähigkeit der deutsch-liberalen Partei gewiß siegreich hervortreten dürfte. Wie angenehm der obenerwähnte Entschluß in den Kreisen ver Regierung berührte, findet den besten Beleg dadurch, daß der Minister präsident Graf Taaffe und sämmtliche Minister nach der Freitagssitzung des Abgeordnetenhauses bei dem Präsidenten Smolka erschienen, um demselben den Dank der Gesammt-Regierung für die Beantragung der erfolgten Loyalitäts-Kundgebung auszudrücken. Oesterreich-Ungarn. Im Budgetausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses gab Handelsminister Marquis Bacquehem am Sonnabend in Anknüpfung an den Abschluß des deutsch-österreichischen Handels vertrages eine Darlegung der weiteren handels politischen Pläne Oesterreich-Ungarns. Hiernach ist die Fortdauer des Meistbegünstigungsvertrages mit Bulgarien festgestellt; Griechenland ist wiederholt ein Tarifvertrag angeboten worden, an welchem man österreichischerseits festhalten will, und der Abschluß der Verhandlungen mit Serbien ist nicht mehr fern. Anlangend den deutsch-österreichischen Handelsvertrag, so gab der Minister zu, daß die Unsicherheit, welcher aus dessen vorläufiger Geheimhaltung entspringe, einen Nachtheil bedeute, aber er erklärte zugleich, es stünden weit größere Vorthelle auf dem Spiele, wenn die ver einbarten Tarife vorzeitig bekannt würden.