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/luer Tageblatt Dienstag» üen S. November 1929 Nr. 2S8 24. Jahrgang Das neue französische Kabinett T-lSku vrlaa» floßmmlolst« «»ÄL L SÄT' s-^'VÄ - - vielleicht selbst schon nachdenklich gemacht habens Die Republik kann es sich leisten, denen, die im Rausch der Phrasen über die Grenzen der politischen Vernunft hinausgetaumelt sind, goldene Brücken zum Rückzug zu bauen. Sacha i Sakao auf Sefeh! Naüie Khans erschossen! Nach einer bisher allerdings nicht amtlich ^bestätigten Nadio- ineldung aus Kabul soll Dacha i Sakao, der als Habib llllah den Thron Afghanistans dem König Aman Üll-ah entrissen hatte, samt 1.1 seiner Anhänger aus Befehl von Nadir Khan erschossen wor den sein. Das Ministerium Tardieu ist zahlenmäßig da stärkste das die dritte Republik fe gekannt hat. E- bestcht aus 16 Ministern und 12 Unterstaatssekretüren. Bei der Beurteilung der Zusammensetzung ist vor allen Mngen zu beachten, daß zwar die Minister Hubert, Marraud und Gallet bei Per Radikal-Republikanischen Linken, also der Radikalen Senatsfraktion, eingeschrie ben sind, aber nicht bet der Radikalen Partei, Der vierte Senator, der Minister ist, Senator Cheron, ge hört zur Republikanischen Bereinigung. Im übrigen setzt sich die Gruppierung nach Parteien wie folgt zu sammen: Acht Linksrepublikaner, nämlich Tardieu, LehgueS, Flandin, Pietrt, Rollin, Bareth, Heraud und Petsche; sechs Mitglieder der Radikalen Linken, näm lich Loucheur, Laurent-Ehnac, Germain Martin, Mall armee, Manaut und Deligne; zwei Sozial-Republikaner, nämlich Briand und Hennessh; zwei Mtglieder der Demokratisch-Sozialen Aktion, nämlich Maginot und Francois Poncet; drei Mtglieder der Republikanische Demokratischen Vereinigung (Marin-Gruppe), nämlich Oberkirch, Pernot und Serot; zwei Mtglieder der Un abhängigen Linken, nämlich Dekmonte und Henry Patee, ein katholischer Demokrat, nämlich Champetter de RibeS. Andre Tardieu hat am Sonnabend abend ein Ka binett endgültig gebildet. Die Mintsterliste lautet fol gendermaßen: Ministerpräsidium und Inneresr Andre Tardieu: Unterstaatssekretär im Ministerpräsidium: Heraud; Unterstaatssekretär im Innenministerium: Renee Manaut; Justizministerium: Senator Lucien Hubert; Finanzministerium: Senator Eheron; Unterstaatssekrctär im Finanzministerium: Cham- Petier de RibeS; Auswärtige Angelegenheiten: Briand; Kriegsminister: Maginot; Marine: Georges LehgueS; Unterstaatssekretär im MarlnemtntsteriuM Deligne; Landwirtschaft: Hennessy; Unterstaatssekrctär im LandwirtschaftSmintstertum: Robert Serot; Oeffentliche Arbeiten: Pernot; Unterstaatssekretär für öffentliche Arbeiten: Mallarmee; Handel: Pierre Etienne Flandin; Luftfahrtministerium: Laurent-Ehnac; Kolonien: Pietri; -< Unterstaatssekretär im Kolonialministerium r Meide Delmonte; Arbeitsminister r Loucheur; Unterstaatssekretär im Arbeitsmintstertum für Hygiene: Oberkirch; Unterricht: Senator Pierre Marraud; Unterstaatssekretär für körperliche Ertüchtigung: Henrh Patee; Unterstaatssekretär für schöne Künste: Francois Poncet; Unterstaatssekretär für technischen Unterricht: Bareth; Pcnstonsministerium: Senator Gallet; Ministerium für Post, Telephon- und Telegraphen- wesen: Germain Martin; Ministerium für Handelsmarine: Rollin. r°g«»i°a ffu.«^o.dt»,« enthalten- -le amtlichen Sekanntmachungerr -es Nates -er Staöt UN- -es Amtsgerichts -lue. p»stsch,«.g»m»: KMtl«.i— „Mek uns, wir kaben gesiegt!" Wa« nun k ,Meh uns, wir haben gesiegt!" Das ist das be-^ herrschende, wenn auch sorgfältig verborene Gefühl in ben Kreisen um Hugenberg, deren Presse aM Tage nach Schluß des Volksbegehrens zu einem großen Teil ihre Leitartikel schon auf die Tatsache der Niederlage abgestellt Hatte. ES ist in Wahrheit ein Steg, über den sich keiner der Sieger freuen kann. Mt Hängen und Würgen hat man das Ziel erreicht und sicht sich nun in die Notwendigkeit versetzt, einen Kampf weiter ,u führen, der der Partei schon mehr Blut gekostet lat, als sie selbst zu kümmerlichem Dahinvegetieren c.ttbehren kann. ES ist noch fraglich, ob sich die Leute um Hitler über den Steg .freuen werden, denn nach dem man von der Niederlage schon fest überzeugt war, :;ctte man bereits mit der innerparteilichen Revolte gegen Hugenberg begonnen, ein enormer Vorrat an peinlich-schmutziger Wäsche flatterte bereits in allen Minden, wobei die Affäre mit dem Kronprinzen Nupp- eecht die Gipfelleistung darstellte, gegen die selbst die ! MSbegehrenstreuc reuzzeitung" sehr deutlich und entschieden Front machte — und jetzt sieht man sich! ander Erwarten vor der Notwendigkeit, weiterhin Schul-1 rer an Schulter zu kämpfen. Wahrhaftig, eine würdige Waffenbrüderschaft! Das Allerpeinlichste an der Geschichte ist, daß Hit ler, der ja^durch die Entwicklung der Dinge die Seele des Kampfes geworden ist, nicht Wetter kämpfen kann, wenn er nicht weiterhin von dem inzwischen zu sei nem Feinde gewordenen „Waffenbruder" Hugenberg die notwendige silberne und goldene Munition erhält. Ein Dilemma von grotesken Ausmaßen! Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die große Mehrzahl aller der BolksbegehrenSfreunde, denen die fanatische Hetze noch eine Spur von gesundem politischen Menschenver stände gelassen hat, im Innersten tief davon überzeugt sind, daß es Wahnwitz ist, dem Unsinn deS Volks-8 begehrens die Sinnlosigkeit des Volksentscheids folgen! zu lassen. Glaubte man selbst schon nicht mehr daran, I daß man beim Volksbegehren die notwendigen zehn Prozent der Gesamtwählerzahl zusamMenbringen wür-I de, so wird selbst der geschickteste Dialektiker im Hu-» genbergschen Lager keinen Menschen davon überzeugens können, daß es auch nur im Entferntesten möglich seins würde, für den Volksentscheid das Fünffache der so! mühselig erzielten Zahl zusaMmenzubringen. Es ist! ja außerdem noch zu bedenken, daß im Gegensatz zum Volksbegehren, beim Volksentscheid die Abstimmung ge-l heim bleibt. Bisher kennt Man nur eine ganz kleine Blütenlese voN den Fällen, wo in ländlichen Bezir ken die Wähler zur Eintragung zum Volksbegehren kom mandiert wurden und sich kommandieren ließen, weil sie ganz genau wußten, daß mit den Terrordrohungen der Herren Gutsbesitzer usw. nicht zu spaßen ist. Das trifft nicht nur für Pie zahllosen kleinen Gutsbszirke zu, wo der Gutsherr sozusagen das ganze Gesinde je den Augenblick und an Hand der Listen mühelos kon trollieren kann, es trifft ebenso gut auf die vielen kleinen Landstädtchen zu, wo Gevatter Schneider und Handschuhmacher, KoloniaVvarenhändler und Zigarren händler fast in dem gleichen Maß« den Bohkotterror der „Spitzen der Gesellschaft" zu fürchten haben. Wir wollen nicht so kühn sein, an die würdigste Krönung dieser politischen Tragikomödie zu denken, daß nämlich infolge des geheimen Stimmverfahrens beim Volksent scheid dank der eben angedeuteten Sachlage etwa gar weniger Stimmen, als beim Volksbegehren zusammen kommen könnten, obwohl diese Möglichkeit nicht völlig von der Hand zu weisen wäre. Auf jeden Fall wäre eS gut, wenn Regierung und Behörden die Drahtzieher der Komödie, wenn sie es absolut wollen, mit verschränkten Armen in ihr Ver derben laufen lassen und nur da rücksichtslos und mit allen gesetzmäßigen Mitteln einschreiten, wo Verstöße gegen das Gesetz sichtbar werden. Aktionen der Re gierung würden neue Gegenaktionen zeitigen und Ge legenheit zu erneuter Propaganda geben^ Man mache den Gegnern diese Fr 'ude nicht. Daß die Beamten, die sich durch Eintragung in die Listen deS Volksbegehrens als Feinde derer entlarvt haben, denen sie den Dienst eid geschworen haben, zur Verantwortung gezogen werden sollen, kann nicht bestritten werden. Man ver meide e» aber, Märtyrer zu machen. Man würde da durch auch eine Entspannung der Atmosphäre erreichen können, die der Deutschnationalen DolkSpartet, die ja längst nicht me'hr mit Hugenberg zu identifizieren ist, die Rückkehr zur Vernunft ermöglichen könnte. Eine kühne Hoffnung, aber immerhin eine Hoffnung. Die ungcheuren Kosten, die Hugenberg für di« Propaganda zum Bolk»bege>hren hat ausbringen Müssen und di« nur ein so kümmerlich«- Ergebnis brachten, werden ihn Ermäßigung cies Reicksbattkäiskontes Die Reichsbank hat den Wechseldiskont um V, Pro zent von 7V, auf 7 Prozent uneben Lombardzins fuß von 8V, auf 8 Prozent ermäßigt. In der ZentralauSschutzsitzung der ReichSvank am Sonnabend begründete der Vorsitzende, Reich-bankprä- sident Tr. Schacht, die LMontsenkung von 7Vs aus 7 Prozent wie folgt: , „Tie Beunruhigung, die im Frühjahr im Zusam menhang mit dem Verlauf der Pariser Verhandlungen in Deutschland entstanden und durch da» Verhalten gewisser ausländischer Kreise noch verschärft worden war, Hatte damals zu einer starken Verminderung de» Bank hatte sich! daher veranlaßt gesehen, trotz ver minderter Aktivität der Wirtschaft ihren Diskont- und Lombardsatz am 25. April um! ein Prozent zu er höhen und außerdem im Kreditgeschäft starke Ein schränkungen eintreten zu lassen. In der Zwischenzeit haben sich Hie Verhältnisse de» Marktes und der Reichsbank grundlegend geändert. Es war der Bank Möglich, ihren Gold- und Devisenbestand wieder^ —lf. zufüllen; er betrug am 31. Oktober 1929 2588 Milk. RM gegenüber ,1991 Mill. RM am 30., .Wrril 1929 und 2696 Mill. NM am 31. Oktober 1928. Die In anspruchnahme der Reichsbank im Kreditgeschäft ist zurückgegangen; der Bestand an Jnlandswechseln senkte X sich von 2734 Mill. RM am 30. April auf 2119 Mill- RM am 31. Oktober d. I. Sowohl der Umlauf an Noten- und Rentenbankscheinen als auch der gesamte Zählungsmittelumlaus bewegen sich, etwa in BorjahrS- höhe. Tie Deckung der umlaufenden Reichsbanknoten durch 'Dold 'Und deckungsfähige Devisen besserte sich von 43 Prozent am 30. April 1929 auf 53,6 Prozent am 31. Oktober 1929. Vom Standpunkt des Status der Reichsbank be stehen daher keine Bedenken, der nach! wie vor schwer kämpfenden Wirtschaft durch eine Senkung de» Diskont satzes entgegenzukommen. Daß! dieser Schritt nicht eher getan werden konnte, war in der Hauptsache in den angespannten Verhältnissen an den ausländischen Geldmärkten begründet. Tja sich indessen neuerdings an den meisten Auslandsgeldplätzen mit Zinssenkungen verbundene Erleichterungen durchzusetzen beginnen, Hat da» Reichsbankdirektorium sich entschlossen, den Ti-kont- u»d Lombarsatz der Reichsbank urtt V» Prozent zu erckäßigen.' Bet der Bemessung der Herabsetzung mußte auf die internationalen Geldmarktverhältntsse, die rs- latkve Höhe der Sätze des Berliner offenen Markte» und die zum Jahresschluß zu erwartenden Mehran- sprüche die gebotene Rücksicht genommen werden. Unveränderter Goldsatz der Golddiskonttxmk Der Diskontsatz der Deutschen Golddiskontbank ist nicht herabgesetzt, sondern unverändert auf 6 Prozent belassen worden. Aufhebung von Hugenbergs Immunität? Di« Strafanzeige wegen verleumderischer Beleidigung, die Reich Linnen Minister Severing gegen Hugenberg erstattet hat, weil Hugenberg den bei der Stimmzählung Les Volksbegehrens be teiligten Beamten bvn Vorwurf der Wahlfälschung gemacht hat, ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin I «^gegangen. Gsneralstaatsanwalt Wilde wird am Montag dem preußischen Justizministerium über die Angelegenheit Bericht erstatten. Er will laut „Montagspost" den Antrag stellen, baß sich Las preu ßische Justizministerium für die Aushebung der Immunität Les Reichstagsabgeordneten Hugenberg einsetzt. Landung eines polnischen Militärflugzeuges aus deutschem Gebiet Am Sonnabend nachmittag gegen 2>- Ahr landete bei Per Stabt Bomst an der polnischen Grenze auf deuiMm Gebiet ein polnisches Militärflugzeug. Der Pilot, ein Flugschüler der Po sener Militärflugschule, gab an, er habe wogen BenzinmanWs notlanden müssen. Er behauptete femer, aus dem Hückfluge von Posen nach Bromberg gewesen zu sein. Ms zur Klärung der An gelegenheit wirb Las Flugzeug beschlagnahmt. Kommuniemus 1 Groß« Unterschlagungen in ter russischen Handelsvertretung Di« „Montagspost" meldet: Der 8«1 ammenbrach der Leuts ch-russischen Filmgesellschas t „D «- russ a" hat auf Lie Zusammensetzung der leitenden Stelle« der russischen Handelsvertretung einen «roßen, unvorheraesHenen Einfluß ausgeübt. Der Leiter Ler Photo-Kino-Zentral«, Lerer, und der Leiter Ler sozialen Abteilung, Lewin«, sind au« den« g»- MZM Mzeiger für -as Erzgebirge