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23. Jahrgang Dienstag, äen 10. Juli 1928 Mer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge MW. I-S-«-« «nthatt«»» Sie amtliche» ö-kaantmochungrn »es Nates »er StaSt UN» »es Mmtsgericht» flae. P-M,-«-«.».: «"»>- m->— Nr. ISS Furchtbare Schiffskatastrophe in Chile Bon 2S1 Personen nur S gerettet Der Armee-Transport Kämpfer „Angamos" ist in der Bucht von Aranca mit 291 Personen, darunter 80 Schiffsreisende, untergegangen. Der Kapitän hat auf der Schiffsbrücke Selbstmord begangen. Santiago, 8. Juli. Der Kreuzer „Venteno" und ein Zerstörer sind an der Stelle des Unterganges de» Angamos" eingetroffen, die sich südlich von Lebu an der Südküste von Chile befindet. Von dem Schiff 'E keine Spur mehr zu entdecken. Die Ursache des Un falles ist unbekannt und cs liegen nur spärliche Ein zelheiten vor.. Unter den ertrunkenen 80 Passagieren befanden sich viele Frauen und Kinder. Während dec letzten zwei Tage hat in der liegend der Katastrophe schwerer Sturm Leherrfcht. Tie vier .Geretteten sind Rekruten. Santiago, 8. Juli. Das Truppentransport schiff „Angamos" verlieh Punta Arenas an der Ma- gellan-Straße mit einer Mannschaft von 215 Personen und 76 Passagieren, also insgesamt 291 Personen an Bord. Es war mit Kohle für chilenische Marineschisfe in den nordchilenischen Gewässern beladen. Tie Passa giere waren zumeist Arbeiter, die in Negierungsdtensten? standen, mit ihren Familien. Der Sturm erhob sich i spät am Tage. Stundenlang kämpfte das Schiff! gegen Sturm und Wellen, aber schließlich wurde sein! Ruder zerbrochen, so daß das Schiff vom Sturm da-' uongetriebeu und gegen die Felsen geworfen wurde.! Das war etwa 10 Uhr abends. Man versuchte die Rettungsboote herabzulassen, aber als sie kaum das losenue Wasser berührten, würben sie umgerissen und ihre Besatzung durch die Brandung gegen die Felsen! geschmettert.oder in das stürmische Meer hinabgezogen. Das Wasser örang mit großer Schnelligkeit in das Schiff ein und drei Stunden nach dem Auflaufen des Schiffes war es so gut wie unter den Wogen begraben. > Tas Schiff brach in zwei Teile, die wenigen Leute, die sich noch an Bord befanden, wurden vom Strudel in die Tiefe gerissen. Der Rekrut Jose Aguila, der auf einem Wrackstück an die Küste gespült wurde und jetzt im Hospital in Belen liegt, erzählte: „ES herrschte schrecklicher Sturm, in dem das Schiff seine Manöverierfähigkeit verlor. Etwa 300 Yards von der Küste entfernt wurde es zwischen zwei große Fels riffe geschleudert. Bis 1 Uhr früh schwebten wir zwi-i schen Tod und Leben, während das Schiff sank. Un aufhörlich ließ die „Angamos" die Sirene ertönen, aber es nahte keine Hilfe. Als eS klar wurde, daß auch nicht die geringste Aussicht auf Rettung vorhanden war, wurden die Rettungsboote hinabgclassen, aber sie wur den von den Wogen mit solcher Gewalt hin und her geworfen, daß sie fast zugleich sanken. Meine Gefähr ten und ich selbst wurden nur die Gnade Gottes ge rettet. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist. daß ich mich an ein schwimmendes Wrackstück anklammcrtc. Eine riesige Woge hob mich 35 Fuß hoch in die Luft und schleuderte mich gegen einen Felsen. Was dann geschah, weiß ich sticht, aber als ich das Bewußtsein wieder erlangte, sand ich .mich gänzlich nackend glatt ausgestreckt aus dem Strande." Ein anderer Ueberlebender, der Matrose Andreas Carrillo, konnte nicht erklären, wie er dem Tode ent ronnen ist. Nachdem ich an den Strand gespült war. so erzählt er, schaute ich nach dem Schiff aus, konnte aber nichts von ihm bemerken. Es mußte bereits un tergegangen sein. Ich ging darauf zum zrächstgelege- nen Hause und klopfte an die Tür, die Bewohner wollten mich aber wegen meiner Nacktheit nicht ein lassen und es dauerte eine Stunde, bis ich sie davon überzeugt hatte, daß ich wirklich Hilfe brauchte. Ich ruhte mich dort ein wenig aus, dann suchten wir am Strande entlang nach anderen Uebcrlebenden und fan den drei, die gleichfalls unbekleidet waren, wie ich selbst es gewesen war. Diese drei Geretteten waren Rekruten. Wie berichtet wird, sind an der Küste von Strandwächrern zahlreiche Leichen geborgen worden. Tie „Angamos" war 1890 in Schottland für die ita lienische Flotte gebaut worden und hieß ursprünglich „Citta dt Venezia". Santiago, 8. Juli. Die genaue Zähl der bei dem Untergange des chilenischen Transportschiffes „An gamos" ums Leben gekommenen Personen dürfte wohl niemals bekannt werden, da das Schiff unterwegs an mehreren Orten angelegt und die Passagierlisten sich beständig erhöht hatten. Die vier geretteten Rekruten erzählen schreckliche Einzelheiten von den Kämpfen um die Rettungsringe, die plötzlich in den Booten und selbst um die kleinen nach der Katastrophe umhertrei benden Wrackstücke entstanden. Om clen Nationalfeiertag. Berlin, 7. Juli. DaS ReichLkabinett wird laut „Voss. Ztg." seine nächste Sitzung am Montag nach mittag abhalten. Zur Beratung stehen fast ausschließ lich Fragen der auswärtigen Politik: der deutsch polnische Handelsvertrag und der Kelloggsche Vorschlag eines AntikriegSpaktes. Am Dienstag soll der aus wärtige Ausschuß des Reichstages sich zum ersten Mal versammeln. Reichskanzler Müller, der während Streiemanns Urlaub das Auswärtige Amt leitet, wird über diese aktuellen Angelegenheiten der Außenpolitik vertrauliche Erklärungen abgeben. Am Dienstag steht auf der Tagesordnung des Reichstagsplenums der vom Retchsrat beschlossene Gesetzentwurf über die Erklärung des Verfassungstages zum Nationalfeiertag. Wie das Blatt HÜrt, wird Reichsinnenminister Severing die Beratung dieses Gesetzentwurfes mit einer längeren Ansprache etnletten. Wie das Blatt weiter schreibt, würde eine Ablehnung des Gesetzentwurfes keine Nie derlage der Regierung bedeuten, da er nicht von ihr eingebracht ist, sondern aus dem Reichsrat kommt. Sie würde aber nicht ohne Rückwirkungen auf die preu ßische Frage bleiben, die von der Deutschen Volkspartei auch jetzt noch als ausschlaggebend für ihre Einstellung im Reiche bezeichnet wird. Man könne sagen, daß das Votum der Deutschen Volkspartei bet der Abstimmung über den vom Reichsrat vorgeschlagcnen Nationalfeier tag von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung über die Umbildung der preußischen Negierung sein werde. Einweihung -es Abstkmmungsüenkmals in Menfiekn. Ml lenste in, 8. Juli. DaS zur Erinnerung an die Abstimmung int Jahre 1920 in Jakobsbexg er richtete Denkmal wurde Heut« enthüllt. Die Wethe feier wurde durch einen Festzug «tngelettet, an dem vor allem die Heimatverein« der Provinz und die H-.» mattreum an» Vst, «Ä» i-v 5000 Personen, mit mehr als 100 Fahnen teilnahmen. Vor dem Abstimmungsdenkmal sprach nach der Fest rede des stellvertretenden Vorsitzenden des Ostdeutschen Hetmatdienstes, Schriftsteller Max Worgttzki, als Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden Obcrpräsi- dent Siehr: Trotz aller erdenklichen Schwierigkeiten haben Ostpreußens Söhne und Töchter die Heimattreue gehalten. Für diese Treue im Namen der Reichs- irnd Staatsregierung heute erneut zu danken, sei ihm ein Herzensbedürfnis. Die Reichs- und StaatSregierungen hätten eS sich von jeher angelegen sein lassen, diesen Dank dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß sie der ganzen Provinz Ostpreußen in jeder nur denkbaren Weise, soweit es im Nahmen ihres Könnens überhaupt liege, Hilfe angedeihen ließen. Auch weiterhin werde alles getan werden, .um die ostpreußische Heimat zu stärken und ihre schwere Lage zu erleichtern. Weiter sprach der Vorsitzende des Verbandes der Heimattreuen Ost- und Westpreußen, Oberregierungsrat Hoffmann- Berlin, per betonte, daß dieses Denkmal in alle Ewig keit bekunden werde, daß das deutsche Volk in einer der schwersten Stunden einig .gewesen sei. Darauf über gab der Vorsitzende des Ostdeutschen Hetmatdienstes. OberregierungSrat Marks, das Denkmal in die Obhut der Stadt Allenstetn, in die es Oberbürgermeister Zuelch übernahm. Eine Entscheidung -es kekchsgerkchts. Leipzig, 7. Juli. Vor dem StaatSgerichtshof für das Deutsche Reich stand heute dt« Verhandlung der Klage der ^Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei in Sachsen auf Feststellung der VerfassungSwtdrigkett des LandtagSwählgesetzeS sowie auf .Ungültigkeitserklä rung der Landtagswahl vom .31. Oktober 1926 an. Tie Anträge der Partei wurden nach längerer Beratung vom Staatsgerichtshof zurückgewiesen, da die Unabhän gige Sozialdemokratische Partei nicht eine Partei in dem Sinne sei daß sie vor dem StaatSgerichtshof eine Der preußische Hanäelsminister über äen äeutschen Bergbau. Magdeburg, 8. Juli. Aus per 26. General- Versammlung des Verbandes der Bergarbeiter Deutsch lands, die heute hier eröffnet wurde, hielt der preußi sche Handelsminister Dr. Schreiber eine Rede, in der er sich mit den gegenwärtigen Absatzschwierigkeiten in der Kohlenindustrie beschäftigte, die, wie er aus führte, durch strukturelle Wandlungen sowohl der deut- schen wie der europäischen Kohlenproduktion bedingt sind. Europa leide zurzeit an einer Ueberproduktton an Kohlen, da viele europäische Reviere in der Nach!» kriegszcit ihre Förderung bedeutend gesteigert haben. Das Nuhrrcvier z. B. habe trotz aller dort vorgenom menen Betriebszusammenlegungen und Betriebsver besserungen vom Beginn des englischen Bergarbeiter streiks bis zum Frühjahr 1927 seine Belegschaft um etwa 50 000 Mann erhöht. Daß diese Belegschafts vermehrung leider nicht von Dauer sein konnte, sei von vornherein vorauszuschen gewesen. In weiten Arbeit geberkreisen habe deshalb auch zunächst damals eine gewisse Scheu bestanden, die Förderung durch! Neuein- stellung von Arbeitskräften zu steigern und man habe z. B. kn Sommer 1926 zunächst durch, zunehmendes Verfahren von Lleberfchichten den veränderten Absatz möglichkeiten Rechnung zu tragen versucht. Damals habe der Redner immer wieder darauf gedrängt, daß statt dieser zahlreichen Ueberschichten Neueinstellungen von Arbeitskräften in möglichst großem Umfange er folgen solle. Er .glaube, daß er damit gerade auch vom Standpunkt der Arbeitnehmer aus gesehen richtig gehandelt habe. Nun komme freilich die schmerzliche Kehrseite dieser Politik. So sehr man «S bedauern möge, daß der verschärfte, in Wirklichkeit sämtliche kohlepro- duziercnde Länder schädigende Konkurrenzkampf in einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Bergarbeiterschaft sich auswirke, so komme man doch um die Tatsache nicht Herum, daß eine Verringerung der Absatzmöglichkeiten eingetxeten sei, die zu einer Einschränkung der Produktion zwingt. Man habe da bei nur die bittere Wahl zwischen einer Häufung von Feierschichten und der Stillegung einzelner weniger wirtschaftlicher Betriebe. So schmerzlich '.dies für di« betroffenen Belegschaften auch sei, so glaube der Mi nister doch nicht, daß man einen anderen Weg als den von ihm an zweiter Stelle genannten wählen könne. Feierschichten in dem sonst erforderlichen Ausmaß wür den als Tauereinrichtungen weiteste Teile der Gesamt belegschaft um jeden Vorteil als der letzten Lohn erhöhung bringen. Oeffentliche Gelder zur Wirtschaft- lichmachung notleidenper Betriebe aufzuwenden „fei vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nicht zu ver antworten. Der Eröffnungssitzung wohnte der Oberpräsident der Provinz Sachsen, Professor Tr. Wtintige Ver treter der Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden, der gewerkschaftlichen Spitzenorganisattonen und be freundeten Verbände bet. Aus dem Ausland waren er schienen der Abg. Dujardtn-Brüssel für den Interna tionalen Bergarbeiterverband, als Vertretei: der bel gischen Bergarbeiter Denier, als Vertreter der tschecho slowakischen Pohl und Breeztck, . als Vertreter der österreichischen Zwanziger und als Vertreter der hol ländischen Bergarbeiter Kramer. Aus dem vom Per- baudsvorsitzenden Wald heck'er gegebenen Ueberblick über die Entwicklung des Verbandes geht hervor, daß der Verband im ersten Quartal des Jahres 198 708 Mitglieder zählte. Mlnifterpräsi-ent Vr. Sraun zum HS. Geburtstage -es Gberpräsi-enten Novke. Berlin, 8. Juli. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mttteilt, hat Ministerpräsident Braun an den Oberpräsidenten der Provinz Hannover, NoSke, folgendes Telegramm gesandt: „Zur Feier Ihre» 60. Geburtstages spreche ich. Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche aus. Möge es Ihnen vergönnt sein,, noch viele Jahre in Gesundheit und Schaffenskraft mit ihren reichen Kenntnissen und Erfahrungen auf Ihrem verantwortungsvollen Posten zum Wohle de» Volke» zu wirken." Berlin, 8. Juli. Reich SweHvmtntster Groener hat dem Oberpräsidenten Noske zum 60. Geburtstag« das folgende Telegramm übersandt: „Am heutigen Tage gedenkt mit mir die gesamte Wehrmacht Ihrer Verdienste um den Wiederaufbau unseres Vaterlande» und in Sonderheit Ihrer mutigen und vorurteilslosen Arbeit zur Wiederherstellung einer brauchbaren Wehr macht. Ich bin überzeugt, daß die Geschichte Ihrem segensreichen Wirken in den schwerst n Zeiten unsere» Vaterlandes voll g-r»cht werden wird. Mr Soldaten