Volltext Seite (XML)
/luer Tageblatt -SW-? Anzeiger für das Erzgebirge MW Dienstag» äen 17. Mai 1927 Nr. 1l4 22. Jahrgang L,l»sramm«r Tagrblatt fluterzgrbirg» Enthalten- -ke amtlichen Bekanntmachungen -es Nates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts ^lue. poM,».K»nto: Nmt L«tp,tg Nr. 1»»» Rußland beschränkt sich aus Protest und droht mit wirtschaftlichem Boykott. Moskau, 16. Mal. „JSwcstija" veröffentlicht ekne Reihe von Entschließungen, in denen die Sowjet regierung zu entschiedenstem Protest gegen den „Uebcr- fall auf die Londoner Handelsvertretung" aufgefvrdert wird. Wenn die englische Negierung nicht hinreichende Genugtuung gebe, so wird die Verlegung der russischen Haudtlooperaltonen in andere Länder angeregt, die für eine normale Entwicklung der internationalen Handels beziehungen die nötige Gewähr bieten sännen. Moskau, 16. Mai, !Iu einer Prvtcslversnnnniuug vor dein Handelükonimtssartat erklärte Mijukcur die Durchsuchung der exterritorialen Räume der Sowjettzan- delövertretung tu London für eine direkte Verletzung des Handelsabkonimeno mit England und aller elemen taren Regeln des" Vöikevverletzr-». Es bestehe keine Ge währ, .hast die englische Geheimpolizei nicht Vmninente finden würde, die in Wirtlichkeit nicht Hortfunden wa ren. Die englische Mrgierung betrete einen. Weg zur Lahmlegung des Handels zwischen England und Sowjet- rusttand, sie werde aber die Sowjetunion nicht zu über eilten Schritten heranssordern können. Moskau, 16. Mai. Der Mat des Industrie- und Handelskvngresses der Sowjetunion beschloß, in einer austervrdentlichen Sitzung, das Handelskommissariat zu ersuchen die Lizenzen für Bestellungen im Werte von Dutzenden Millionen Pfund Sterling, die nach England vergeben werden sollten, auf andere Länder zu über tragen. Genügen- Servelsmateria! gefnn-en. London, 15. Mai. Wie „Sunday Times" be richtet, soll bereits reichliches Veweismatericil bei den Durchsuchungen im Hause der Arkos gefunden sein, durch welches das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt erscheine. Der eigentliche Zweck der Untersuchung sei jedoch noch nicht erreicht. Tas gesuchte Staatsdokument soll ein Dokument des Kriegsamtes sein, das sich in einem ver siegelten Briefumschläge befunden habe. Nicht -urch Sibirien reifen! Peking, 15. Mai. Einige britische Staatsange hörige hatten die Absicht, diese Woche über Sibirien nach England zu reisen. Die britische Gesandtschaft hat aber eine Depesche des Jo rechn Office erhalten, die Weisung gibt, dass britische Staatsangehörige gegenwär tig diese Strecke leicht benutzen sollen. <kin englifch-ruMcher Kreöitplan gefährdet. London, 14. Mai. „Tailh Expreß/' erklärt, ge stern abend offiziell informiert worden zu sein, dast ein Kreditplau von 10 Millionen Pfund Sterling zwi schen der Midland Bank und der Sowjethandelsdele- gation am vorigen Mittwoch unterzeichnet wurde. Durch den Kredit sollen russische Bestellungen bet britischen Fabrikanten erleichtert werden. Der Finanzmann Sir Allan Smith, der die Verhandlungen herbeigeführt hatte, erklärte in.einem Interview, der Plan sei von grösstem Wert für den britischen -Handel. Es sei ganz besonders bedauerlich, dast durch den Schritt Englands Schwierigkeiten entstanden seien; denn der Kredit trete sofort in Kraft und ohne die Razzia auf die ArkoL wür den die ersten Schritte zur Plazierung einer Anzahl wichtiger Bestellungen bereits erfolgt sein. Erhöhte GefechLstötigkert in China. Wupeifr» zurirckgekehvt. — Suntschuanfang rvM Schanghai erobern. TschangkaM-ck gegen ein Bündnis mit Tschangtsolin. Schanghai, 14. Mai. Marschall Wupeifu, der sich, seit seiner Niederlage vor mehr als sechs Monaten ins Privatleben zurückgezogen hatte, ist plötzlich wieder auf dem Schauplatz erschienen. Wie c.uS zuverlässiger Quelle verlautet, hat er sich, ank 5. d. M. Kon Hunghsien bet Honanfu nach Nanhang im südwestlichen Honan be geben, um die dort stehenden Truppen zu reorganisie ren, deren Zahl sich auf 50 000 belaufen soll. Alan nimmt an, dast er persönlich den Befehl bet dem ge planten neuen Vorstos! gegen Hankan übernehmen wird, wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit General Iangsc, der kürzlich ,Itschang etnnahm und sich, wie unlängst berichtet wurde, auf Haulau zu bewegt. Parts, 14. Mat. Die Agentur Indvpacifigue be richtet aus Schanghai, Suntschunufang ber-'ite eine Schlacht vor, um Schanghai mit Hilfe nord,chinesischer Kriegsschiffe wieder zu erobern. Verschiedene Gerüchte seien hierüber im Ilmlauf. Besonders kündige man an, dast die Beschiessung der Forts von Wusung bcvorstehe. Kn der gleichen Meldung wird initgetetlt, dast der französische kvmmunisttscho Abgeordnete Lvriot Hankau verlassen habe. Nanking. 14. Mai. Der Oberbefehlshaber der Südarmee und Präsident der Nankinger Negierung, Tschangkaischek, gewährte einem ZeitungSvertreter eine längere Unterredung und ggb folgende Erklärungen zur Veröffentlichung: „Die Nankinger Regierung will den modernen chinesischen Vvltsstaat schaffen, entsprechend den Prin zipien SunhatsenS. Aus diesem Grunde ist ein Bünd nis mit Tfchangtsolin ausgeschlossen. .Ich suche freund liche Bezu-hiulgen zu allen Ländern, lehne jedoch die in der.Füusmächtcnvte ausgestellten Forderungen ab, weil sie gegen bst Souveränität China« verstoßen. Auch wenn die Forderungen an die Nankinger Negierung ge richtet sein würden, könnte sie diese nicht erfüllen. Die Gestaltung unserer Beziehungen zu Aufstand wird von den Nüssen selbst abhängen. Die rusiis.hr N"'crstiitzuiig ist uns willkommen, doch nicht di lommnnistische Propaganda. Bisher sind die diplomatischen Beziehungen zu Rust? land noch nicht ausgenommen." Segen clie ttolonlattüge. Dr. Schn« gegen englische Verleumdungen. Merlin, 16. Mai. Der ehemalige Gouverneur von Dcntsch^Ostasrikä, Dr. Heinrich Schnee, richtet in der „Deutsche» Allgemeinen Zeitung" an Lord Buxton, den früheren Generalgvuverneur von Britisch,Südafrika, einen offenen Bries, in dem er Stellung nimmt zn Vor würfen, die Zeitungsnachrichten zufolge Buxton gegen die deutsche Verwaltung der Kolonien erhoben hat. Der Erklärung Buxtons gegenüber, dast die Teile Afrikas, die England jetzt als Mandanten zugewiesen sind, „Brutstätten von Intrigen/ Unruhen und Drohungen gegen ihre Nachbarn waren, stellt Dr. Schnee fest, dast er al» Gouverneur Teutsch-Ostafrtkas keine derartige Maßnahme veranlaßt oder in Erfahrung gebracht habe. Hinsichtlich Deutsch.Südwestafrtkaö verweist Dr. Schnee auf den einstimmig gefassten Beschluss de« siidwestafrtka- Nischen Landssrate» vom L0. Juli UlW, durch welchen da« gegen die Verwaltung von Dentsch«Süowestnsrika gsricht«te Blaubuch «l» Kriegstnstrument charakterisiert Und dt» LUt» an die Ri-torung gwiHtvt wird, di» in offiziellen Akte» und in öffentlichen Büchereien befind lichen Exemplare zu vernichten. Zum Schluss stellt Dr. Schnee die Forderung all Lord Buxton, die positiven Tatsachen mitzuteilen, auf welchen seine Angriffe be ruhen. Wal-eiko Einschluß an Preußen. B ert tu, >4. Mai. Ml Arolsen in Waldeck fand kant „Lokalanzeiger" eine gemeinsame Sitzung des Lan des« und Versassungsausschusses statt, in der über das Ergebnis der kürzlich in Berlin stattgefundenen An schlußverhandlungen beraten und folgender Beschluß gefaßt wurde: Der Landesausschuß. Waldeck ist',damit ein verstanden, daß in dem Entwurf eine« neuen Staats vertrages die vom Preußischen Staatsministertnm ver langte bindende Erklärnug über den Anschluß Waldecks unmittelbar nach Ablauf dieses neuen Vertrages aus genommen wird. Die Regierung wird daher ersucht, dem Landes, und Vexsassungsausschnst einen solchen Ver- tragsentwnrf vorzulegen, der vor allen Dinge,» die späteren Aüschutsttwdtngungen enthalten must. Vie nächsten Aufgaben äes Reichstages. Von vr. Külz, M. d. R. Von der Oeffentlichkeit und selbst von den Parteien deS Reichstags wird viel zu wenig die Tatsache gewürdigt, daß durch jede Regierungskrisis die Erledigung dringender gesetz geberischer Aufgaben um Monate zurückgeworfen wird. ES ist bei uns tatsächlich zum Regelfall geworden, daß ein Mi nister sich gerade dann von seinem Amte trennen muß, wenn er wirklich mit ihn, nach anstrengender Arbeit verwachsen ist und nachdem er die gesetzgeberischen Aufgaben seines Ressorts spruchreif gemacht hat. Der Nachfolger mutz selbstverständ- lich sich daun vollkommen von vorn wieder einarbeiten, und wem, er sich daun auch noch mit neuen Staatssekretären oder neuen Miuisteiinldireltoren umgibt, so müssen auch diese Mitarbeiter sich aus den chuen bis dahin ost fremden Gebieten in mühsamer Arbeit orientieren. Da mit einem Regierungs wechsel meistens auch ein Wechsel in der politischen Richtung verbunden ist, kommt zu der sachlichen Neuorientierung mei stens auch eine politische Neneiustellung zu den Problemen in Frage. Der grüßte Teil der stnalspolstischen Aufgaben, deren Lösung drängt, gehört zum Geschäftsbereich des NeichSminst steriums des Innern. Eine Reihe von gesetzgeberischen Auf gaben sind hier früher bereits an NeichSrat und Reichstag gelangt, so von den Veamtengesetzen die neue Dienststraford nung und das Beamtenvertretergesetz. Aber gerade im Neichsministerium des Innern drängen die Dinge zur Ent scheidung auch auf anderen ganz wichtigen Gebieten. Das sogenannte Nepublik-Schutzgesctz läuft Ende Juli dieses Jahres ab. Der Reichstag wird sich also noch vor seinen Sommerferien schlüssig machen müssen, ob er das Gesetz stillschweigend ablaufen läßt, ob er es als ganze» verlängert, oder ob er Teile von ihm außer Kraft setzt. Die Regierungsparteien sind sich hier offenbar noch nicht einig. Das Normale ist es, das Gesetz als ganzes um zwei Jahre zu verlängern, einschließlich des sogenannten Kaiser- Paragraphen. Auch wer vom rein menschlichen Standpunkt auS wünschen Mächte, daß der ehemalige deutsche Kaiser seine alten Tage auf deutschem Boden beschließt, wird doch vom politischen Standpunkt ans erkennen müssen, daß man mit einer Rückkehr des Kaisers weder ihm einen menschlichen Dienst erweisen, noch die inncrpolitischen Verhältnisse Deutsch lands befestigen würde. Dringend ist auch die Entscheidung der Frage, ob man noch einer W ah l r c ch t s f o r m nähertrctcn will oder nicht. .Hat die Negiernng die Absicht, das Problem anzufassen, so müßte dieses bald geschehen, denn je näher der Reichstag an sein Ende kommt, nm so weniger wird er Neigung haben, sich mit solchen Problemen zu befassen. Die öfsentiiche Meinung ist fast geschlossen in der Auffassung, daß die Mängel deS setzst gen Wahlspsteius beseitigt werden müssen. An kulturpolitischen Fragen stehen im Vordergründe das RelchSschulgeseh und das Konkordat. So wenig dringend ein Konkordat an sich ist, so sehr spielt doch die Frage seiner Behandlung auf das Gebiet des ReichSschul« gesehes hinüber; das Reichsschulgeseh ist das dringendere. Wenn schon sein Erlaß weder in Sechsen noch in Baden oder Hessen als eine unbedingte Notwendigkeit empfunden wird, so drängen doch die beiden größten Bundesstaaten Preußen und Bapern auf dieses Reichsgesetz, und ebenso ist in den .Preisen der Elternschaft der Wunsch nach einem ReichSschul- gesetz so stark, daß man sich dem Versuch nicht länger wird widersetzen können, diese auch von der Verfassung gewollte reichsgesetzlicht Regelung elntreten zu lassen. Daß der Ent wurf eiues solchen Gesetzes Im Reichstag die lebhaftesten Er örterungen nuülösen wird, bedarf keiner besonderen Erwäh nung. Zu den dringendsten Aufgaben des Reichstages wird eS schließlich gehören, die B e a m t e n b e s o l d u n g einer gründlichen Nachprüfung zn unterziehen. Menn man nicht starke Verstimmung In der deutschen Beamtenschaft nuslösen will, wird man sich nicht länger zögernd verhalten dürfen. Die inst der Beamtenbesoldung zusammenhängenden Fragen werden nicht dadurch gelöst, daß man ihre Behandlung immer wieder ausschiebt. Es mag bei Ker gegenwärtigen Finanzlage des Reiches, der Länder und der Gemeinden nicht sehr angenehm sein, sich mit diesen Dingen zn befassen, aber es ist eine staatspolstische Notwendig keit, berechtigte Wünsche der Beamtenschaft rechtzeitig zu er füllen. Neben den im vorstehenden angedeuteten großen gesetzgeberischen Problemen sind eine ganze Reihe kleinerer, aber deswegen auch wichtiger Gesetze spruchreif, so das Schankstättengesetz, das Gesetz zur Förderung des Kleinwob- nnngsbaueö, das Beamtenheimstättengesetz, die Verlängerung des Reichsmietengesetzos, die Verlängerung der Pachtschutz- ordnung. Ein Werk von weitausgreifender Bedeutung wird den Reichstag mit dem neuen Strafgesetzbuch befassen. Dieses Werk ist nm so bedeutungsvoller, als cs gemeinschaft lich mit Oesterreich in Angriff genommen worden ist, Ein« Modernisierung unseres Strafrechts ist zweifellos eine Not wendigkeit. Nach tzOsährlger Gültigkeit hat da« jetzige Straf gesetzbuch seine Aufgabe erfüllt. Die Gegenwart verlangt Anpassung auch dieser Rechtsnormen an die fortgeschrittenen MenlchhelMesn.