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— 788 — Wird doch in jener Petition behauptet: daß das Thal bahn Projekt „nur 3—4 unbedeutenden Dörfern" (l?) von Interesse, jedoch auch für diese ohne sonderlichen Nutzen sein dürfte! Allein gerade die Thallinie dürfte nicht nur über einen hochansehnlichen Durchgangsverkehr zu ver fügen haben, sondern auch in ihrer localen Bedeutung den längst gehegten Bedürfnissen Seiten einer nicht bloö zahl reichen, sondern auch industriell höchst thätigen Bevölkerung entsprechen. Die Thäler der rothen und wilden Weißeritz, sowie der Pöbelbach, bilden die Mittellinie für die, bei einer directen Eisenbahnverbindung Dippoldiswalde-Landesgrenze interessirten Ortschaften; sie sämmtlich würden, soweit sie nicht direct von der projectirten Thalbahn berührt werden, ihre Verbindung mit derselben thaleinwärtS finden. Besonders würde auch hier durch die Stadt Frauenstein mit ihrer, nach den von der Thalbahn berührten Thälern gelegenen Umgegend der Eisen bahnverbindung näher gebracht werden, — ein Umstand, der umsomehr zu berücksichtigen sein dürfte, als die Freiberg - Brüxer Bahn nicht, wie früher beabsichtigt war, über Frauen stein-Hermsdorf, sondern im Muldenthale nach Böhmisch- Mulda geführt werden soll. Die projectirte Th al bahn würde nicht nur „für 3—4 unbedeutende Dörfer," wie die Petition des Stadtrathes zu Altenberg behauptet, sondern für eine bedeutend größere Anzahl von Ortschaften von Interesse und wesentlichem Nutzen sein. Zunächst wären hierbei interessirt, als durch die Bahn direct berührt (Ulberndorf und Obercarsdorf sollen wegen der Nähe von Dippoldiswalde hier weggelassen werden): Naundorf, Schmiedeberg, Nieder- u. Oberpöbel, Seide, Rehfeld, ZaunhauS; sodann, weil in der Entfernung von —1 Stunde gelegen: Sadisdorf, Hennersdorf, Ammelsdorf, Bärenfels, Kipsdorf, Schönfeld, Hermsdorf, Oberfrauendors, Johnsbach, Falkenhain, Dönschten, Bärenburg, Schellerhau, — alles Ortschaften, welche bequem thaleinwärtS zur Thal bahn gelangen können! Abgesehen nun davon, daß die Wasser gefälle der Pöbelbach und oberen Weißeritz noch lange nicht alle be- und ausgenutzt sind, so würde die billige Zufuhr der böhmischen Braunkohle, wie der Steinkohlen aus den sächsi schen Werken, nicht nur einen ungemein hohen Aufschwung der bereits bestehenden zahlreichen Etablissements zur Folge haben, sondern es würden in Kürze noch eine beträchtliche Anzahl größerer Anlagen entstehen und der Wohlstand und die Steuerfähigkeit jener Ortschaften sich bedeutend erhöhen. Als Beweis dafür, welch' große Zahl von verschiedenen gewerblichen und industriellen Etablissements bei den momentan noch mangelhaften CommunicationSmitteln vorhanden sind, wollen wir anführen, daß allein in den bei der Thalbahn direct participirenden Ortschaften: Ulberndorf, Obercarsdorf, Sadisdorf, Naundorf, Schmiedeberg, Niederpöbel mit seinem aufblühenden Bergwerke, Oberpöbel, Ammelsdorf, Henners dorf, Schönfeld, Seide, Kipsdorf, Bärenfels, L-chellerhau, ZaunhauS und Hermsdorf circa 50 Mühlen-EtablissementS, alS: Brett-, Mahl-, Oel- und Lohmühlen, neben bedeutender Strohmanufactur, Holzschleifereien, Eisen- uud Bergwerken, Kisten-, Pappen- und Pantoffel-Fabriken, sowie Fabriken von landwirthschaftlichen Gerüchen, bestehen, deS allgemeinen großen Verkehrs der Stückgüter und Güterbewegung landwirthschaft- licher Erzeugnisse und Bedürfnisse gar nicht zu gedenken. Die projectirte Bergbahn würde weder den Verkehr der Müglitz, noch auch den Verkehr der Thäler der rothen und wilden Weißeritz, sowie des Pöbelbaches, an sich zu ziehen im Stande sein, weil die Ersteigung der Höhen aus den steilen Thälern dem Verkehr per Axe so wesentliche Hindernisse bietet, daß der Massenverkehr von Lang- und Brennholz insbesondere es vorziehen wird, seine Frachten ohne jedes Umladen und ohne Terralnschwierigkeiten auf dem gewohnten Wege thalwärtS weiter zu führen. Sodann würde die Thalbahn die Staatsforstreviere von Bärenfels, Rehfeld und Hermsdorf im Centrum durch schneiden, die Reviere von Oberfrauendors, Frauenstein und Nassau theilweise berühren. Soviel aber bekannt, produciren die genannten Reviere circa 1^/s Millionen Kubikfuß harte und weiche Hölzer, welche, wenn auch nicht vollständig, so doch, wie schon jetzt, per Axe zum allergrößten Theil ihren Weg nach Dresden und weiter über die projectirte Thallinie nehmen müßten und würden. Es würde also die Erbauung der Thalbahn gleichzeitig für die höhere Rentabilität der fiSca- lischen Waldungen eine ganz außerordentlich günstige Ein wirkung versprechen lassen. Es würde nicht nur die das Holz außerordentlich schädigende und mit vielen Verlusten und Kosten verbundene Flöße beseitigt, sondern es würden auch die Holzauctionen von auswärtigen Holzhändlern mehr als bisher besucht und dadurch höhere Preise erzielt werden. Dasselbe, was von den Staatsforsten gilt, ist in dem gleichen Verhältnisse auch auf die Waldungen der Privaten, der Kirchen- und politischen Gemeinden anzuwenden. Ebenso würden durch die Thalbahn die bedeutenden fiScalischen Kalkwerke in ZaunhauS und in Hermsdorf dem Verkehr geöffnet und ihr Absatz wesentlich erhöht werden. Sodann würde diese Linie, infolge ihres Anschlusses an die Freiberg-Brüxer Bahn, den Kohlenverkehr aus dem Duxer Braunkohlenbecken auf dem geradesten Wege nach Dresden und weiter hinaus vermitteln, da die Thalbahn, wie man gleich hier hervorheben will, 1'/r Meile kürzer als die projectirte Bergbahn werden dürfte. Außerdem hat die projectirte Thalbahn vor der pro jectirten Bergbahn noch den Vorzug, daß sie eine gegen Schneewehen weit geschütztere Lage darbietet und deshalb bei ihr im Winter weniger leicht Verkehrsstockungen eintreten dürfte», als dieses bezüglich der Bergbahn der Fall sein wird, ein Vorzug, der bei dem im hiesigen Gebirge, be sonders in der Nähe der Grenze, 5—6 Monate anhaltenden Winter gewiß nicht zu unterschätzen ist. Ferner sei noch darauf hingewiesen, daß die projectirte Bergbahn auf österreichischem Gebiete noch eine reichliche halbe Meile fortgeführt werden muß, ehe sie zum Anschluß an die Freiberg-Brüxer Bahn gelangt und sich deshalb erst wieder Verhandlungen mit der österreichischen Regierung nöthig machen, ein Nachtheil, der für die ganze Eisenbahn verbindung von Dippoldiswalde nach der Landesgrenze bei der jetzigen Concurrenz von Eisenbahnprojecten und anderen, das Geld absorbirenden Unternehmungen sehr gefährlich werden kann, der aber bei der Thalbahn wegfällt. Sodann würde Altenberg bei Ausführung deS Müglitz- thalprojectes, wozu bereits seit Januar 1870 Seiten der beiden Kammern das Expropriationsrecht ertheilt worden ist, noch näher berührt werden, als bei dem Bergbahnproject. Schließlich sei hier noch bemerkt, daß die Petition, welche das Thalbahnproject befürwortet, nur von den Ge meindevertretern undeinigen Jndustrieellen derjenigen Ortschaften unterschrieben worden ist, welche entweder direct von der Thalbahn berührt werden, oder an denen die Thalbahn sehr nahe vorbeiführt. Daß diese aber ihr Inter esse an der Thalbahn durch Unterschrift einer, dieselbe befür wortenden Petition an den Tag legen und ihnen durch Mit theilung der Petilion hierzu Gelegenheit gegeben wird, dürfte wohl noch lange nicht als „hausirermäßige Sammlung von Unterschriften" zu bezeichnen sein. Verfasser Dieses gönnt der Stadt Altenberg vom Herzen eine Eisenbahnverbindung — aber nur nicht auf Kosten der zahlreichen und industriell höchst thä tigen Bevölkerung der mehrgedachten drei Thäler und deren Umgebung, sowie auf die Gefahr hin, daß weder das Thal-, noch das Bergbahnproject zur Ausführung kommt. Dippoldiswalde, den 10. December 1872.