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— 789 - Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 12. Decbr. Beim Herannahen der lieben Weihnachtszeit denkt gewiß jeder gute Hausvater, jede gute Hausmutter darüber nach, wie sie bei ihren Ge schenken da« Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und dabei doch möglichst den, das ganze Jahr in Anspruch ge nommenen Beutel schonen könne. Nicht immer fällt Einem jedoch ein, was das Praktischste und zugleich da« Angenehmste ist, und deshalb sind die Weihnachts-Bazare eine sehr schöne Einrichtung. Früher erfreuten wir uns auch mehrere Jahre hinter einander eines solchen; jetzt ist diese Einrichtung leider schlafen gegangen. Dafür müssen uns nun die einzelnen Weihnachts-Ausstellungen unserer Gewerbetreibenden entschädigen, deren Ankündigungen in unserem Blatte, das deshalb heute 2*/« Bogen stark erscheint, bereits geschehen ist oder noch fortwährend geschieht. Wir können versichern, daß in denselben Angenehmes und Nützliches in reicher Auswahl beisammen, und daß auch in denjenigen Geschäften, welche besondere Ausstellungen nicht veranstalteten, des Preis würdigen genug zu finden ist. Trage man das Geld also nicht nach Dresden, wo man auch nicht billiger kauft, sondern verwende es hier zu Einkäufen, und so werden nicht nur die Beschenkten, sondern auch die Verkäufer sich des Weihnachtsfestes freuen können! — Die morgen (Freitag) staltfindende Versammlung unseres Gewerbe-Vereins möchte recht zahlreich besucht werden, da in derselben u. A. ein für Jedermann interessanter Vortrag gegeben werden wird (s. Inserat am Schlüsse d. Bl.). * Von der Grenze. Vieles und Neues habe ich Ihnen aus hiesiger Gegend nicht zu berichten; das Leben spinnt sich eben nur so schlecht und recht ab, ohne große Abwechselung. Alle Welt lamentirt über die theure Zeit: Butter und Fleisch namentlich sind gar nicht zu erkaufen. Dazu kommt noch die durch die Gerenzsperre hier herbeigeführte Bertheuerung der Böhmischen Braunkohlen. Auch unsere, von uns ganz abgesperrten Grenznachbarn, besonder- aber die armen Han delsweiber, welche ihr Stückchen Brod in Sachsen suchen und finden, sind zu beklagen. — Eine wahre Wohlthat ist es für unsere Gegend zu nennen, daß das Strohgeflecht in die Höhe gegangen ist, und allem Anscheine nach wohl im Preise noch steigen wird. Wie viele arme Familien leben aber nur vom Strohflechten, welches ja besonder- von den kleinen Händen der Kinder geübt wird. — Noch immer haben wir keinen rechten Winter; die Schlittenbahn fehlt, und damit aller Verkehr. Dresden. An die Stände ist das königl. Decret zur Herstellung neuer Eisenbahnen gelangt, deren Projekte seit der Vertagung des Landtage- an die Regierung gekommen sind. Es sind dies 14, für welche die Erlaubnis zu den Vorarbeiten bereits ertheilt wurde; 6, für welche diese in Aussicht gestellt ist, und 5, deren Projekte bereits zurückge wiesen wurden. (Unter ersteren ist die Fretberg-DippoldiS« walde-Pirnaer Bahn, sowie die Linie Dre«den-Dip- poldiSwalde-Landesgrenze, für welche zwei Consortien aufgetreten ss. den betr. Artikel in dieser Nr.j mit enthalten.) Wenn das Decret in den Kammern zur Berathung kommt, ist jetzt noch nicht bestimmt; doch hofft man die- in nächster Zeit. — Der Jnseratentheil unserer heutigen Nummer bringt eine Bekanntmachung der Sächsischen Creditbank in Dresden, deren Wirkungskreis betreffend, auf welche wir hierdurch verweisen. Die Sächsische Ereditbank wurde im Mat vorigen Jahre- gegründet und hat seitdem eine bedeutende Geschäftsausdehnung erfahren. Da- ursprüngliche Capital von 2 Millionen Thaler soll jetzt auf 5 Millionen Thaler erhöht werden. Die Sächsische Creditbank vertheilte per 1871 11°/o Dividende. Komotau. Hier ist am 10. Decbr. die Rinderpest ausgebrochen. Die Stadt ist als verseucht erklärt und die Ortssperre über dieselbe verfügt worden. Quitt. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Trotzdem der Gärtner schon durch die ungeschickte Be antwortung der Vorfragen seine Geduld auf eine harte Probe gestellt hatte, wandte er sich wieder artig und freundlich zu dem Alten: „Ich muß Sie jetzt bitten, mir zu sagen, wo Sie zu der Stunde, in welcher der Mord vorgefallen, sich auf gehalten." DaS Gesicht des Alten wurde mißtrauischer, denn sein Auge schweifte vorsichtig und argwöhnisch zu dem Richter hinüber. „Warum wollen Sie das wissen?" fragte er trotzig zurück. „Weil alle Leute des BaronS vernommen werden und gesetzlich verpflichtet sind, hierüber Auskunft zu geben." „Die Gesetze sind immer ungesetzlich," murmelte Clemens in seinen grauen Bart. „Ich wiederhole meine Frage" begann Herr von Neu mann mit unerschütterlicher Ruhe, dessen scharfes Ohr wohl die Entgegnung des Alten aufgefangen, der sie aber einer Beachtung nicht Werth hielt. „Ich war bei den Anlagen am Karpfenteich." „Wissen Sie das noch ganz genau?" „Ganz genau." „Die beiden Knechte haben aber bekundet und beschworen, das Sie an jenem Nachmittag den Garten nicht verlassen haben; auch hatte der Baron bei seinem Ausritt den Schlüssel zum Park abgezogen und mitgenommen." Die blauen Augen de- Herrn von Neumann ruhten dabei so wohlwollend und freundlich auf dem Gesicht des Alten, als habe er ihm die harmlosesten Dinge von der Welt gesagt. Trotzdem vermochte Clemens feine Bestürzung nicht zu verbergen, er ahnte sogleich, daß er durch diese falsche Angabe sich in ein schiefes Licht gebracht. „Vielleicht können sie sich jetzt besser darauf besinnen, wo Sie waren?" fuhr der Untersuchungsrichter fort. In dem Munde jede- Andern würde diese Frage weit ironischer geklungen haben. Clemens ließ sich wirklich durch das Benehmen de- Herrn vonNeumann sicher machen. Er sann einige Augen blicke nach. „Warten Sie einmal. Ja, jetzt fällt mir'- ein. Ich war im Treibhaus-, es war so warm und man ist ein wenig eingenickt." „Sie haben Niemand im Garten bemerkt?" fragte der Beamte weiter. „Niemand!" und Clemens legte zur größer« Be- theuerung die Hand auf die Brust. Er suchte ein sehr treu herziges Gesicht zu machen, was ihm aber augenscheinlich schwer fiel. „Auch die beiden Kinder nicht mit ihrer Wärterin? —" „Nein!" „Das bei dem Ermordeten aufgefundene Messer ist ein Gartenmesser; sollten Sie es vielleicht vorher bei irgend Jemand gesehen haben?" und Herr von Neumann erhob plötzlich dicht vor ihm das noch mit Blut befleckte Werkzeug. Es blieb zweifelhaft, wo die Augen des alten Clemens hin fuhren, al- er da« Messer betrachten wollte, dennoch mußte er sich'S genau angeschaut haben, denn er sagte nach einer Weile: „Ein Gartenmesser, das stimmt." Seine Lippen waren blasser geworden und zitterten; er vermochte nur noch mit Mühe seine Bewegung zu unterdrücken.