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Dienstag. Nr. 17. 27. Febmar 1872. Weißerih-Zeitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde «nd Kranenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 10 Ngr. Inserate, welche bei der bedeutmden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. In Frankreich werden die inneren Zustände immer kritischer; die Ueber- zeugung von der Unhaltbarkeit derselben ist schon seit einigen Wochen zu einer bedenklichen Höhe gestiegen. Es ist dies eine Folge der Krisis, welche durch die Unbesonnenheit und den Eigensinn des Herrn Thiers bei Gelegenheit der Steuerdebatten über das Land heraufbeschworen wurde. Die Krisis ist zwar beigelegt worden, weil man sich unfähig fühlte, Hrn. Thiers einen Nachfolger zu geben; aber das Gefühl der Unsicherheit ist geblieben, und das Bedürfnis derselben ein Ende zu machen, gewachsen. Die oberflächliche Betrachtung der Vorgänge macht klar, daß die Republik des Hrn. Thiers abgewirthschaftet habe. Die Versailler Nationalversammlung, — ein Gemisch aus ehrgeizigen Parteimännern, die nur für Sonderinteressen arbeiten, auö bunt zusammengewürfelten, unter sich feindlichen Elementen, die unfähig sind, für höhere Interessen zu wirken, — thut in ihrer Unfähigkeit und Charakterlosigkeit das Mögliche, um Frankreich wieder den unsichersten Stürmen zu überliefern. Die Frage ist nun für Frankreich: Wer wird die Zügel der Regierung in die Hände bekommen? Der dumme Bourbon e, Graf von Chambord, als Vertreter deS alten GotteSgnadenthums, die Orlea nisten als muthmaßliche Vertreter des konstitutionellen Königthums, Gambetta als Präsident einer radikalen Republik, oder gar Napoleon für eine verbesserte Auflage des alten Kaiserreiches? — „Wäre eS möglich," wird man in Deutschland sagen, „daß ein Mann, der Frankreich an den Abgrund des Verderbens gebracht, der flüchtige, von der öffentlichen Meinung Europa's, ja der ganzen Welt gehrandmarkte Abenteuer, doch wieder den frechen Versuch wagen sollte, die Regierung durch List oder Gewalt zu gewinneii, daß er am Ende günstigen Erfolg haben könnte?" Die Demonstrationen zu Gunsten des Kaiser reiches mehren sich allerdings, und treten immer kecker auf. Dann arbeiten die Socialisten zu Gunsten des Bonapartismus, und Mitglieder der Commune durchreisen Frankreich als bonapartiftische Agenten. — Die Franzosen selbst würden die wiederholte Herrschaft eines Napoleon verdienen; sie können überhaupt aus ihrer trostlosen Lage nur durch die Diktatur herausgewunden werden. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 26. Febr. Wir können unö nicht entsinnen, den Schießhaussaal jemals gefüllter gesehen zu haben, als gestern bei der Abend-Unterhaltung der Freiwilligen Feuerwehr. Um 6 Uhr bereits war er fast ganz gefüllt, und Späterkommende konnten von Glück sagen, wenn sie eine mitleidige Seele fanden, die ihnen zeit weilig die Mitbenutzung eines Sitzplatzes gestattete. Der Beifall, den die erste derartige Unterhaltung am 3. Decbr. vor. IS. gefunden hatte, war wohl die Ursache zu dieser außerordentlichen Theilnahme des Publikums. DaS Gebotene entsprach den Erwartungen in recht erfreulicher Weise. Die Hauptstelle der Produktionen nahm jedenfalls die Aufführung der Rütli-Scene aus „Wilhelm Tell" von Schiller ein. Eingeleitet und dem Verständnisse näher gerückt vurch einen vortrefflichen Prolog, wurde diese Scene mit anerkennenswerther Sicherheit und nicht ohne Eindruck von Mitgliedern deS Corps und einigen Gästen dargestellt und damit der Beweis geliefert, daß sich unter dem Corps recht brauchbare Kräfte zur Ausführuug auch einer ernsteren dramatischen Production finden. Unter den erheiternden Scenen gefielen besonders „das außerordentliche Wunder der Natur," Drillinge von der Insel Guttapercha im indischen Ocean, die durch ihre fabel haft ausgebildete Sympathie gerechtes Erstaunen erregten und die Lachmuskeln weidlich in Bewegung setzten; „Dippol diswalde sonst und jetzt," in Bild und Wort durch Herrn und „Dame" vorgeführt; ferner daS „Concert" auf 8 Trommeln, von dessen Aufführer man in der That sagen konnte: „Ich habe schon Viele trommeln hören, aber so wie er hat noch Keiner ge—schwitzt!" Dann verschiedene Couplets und einige vom Gesangverein freundlichst über nommene, munter ausgeführte Männergesänge, bildeten die Bindeglieder zwischen den genannten Hauptparthieen. — Da die Einnahme den Wünschen des Corps entspricht, so dürfte sich also bei diesem Abende in seinen Erwartungen Niemand getäuscht haben. Frauenstein. Wie man hört, ist nun die Orgel für unsere Stadtkirche bestellt und zwar bet den Orgel baumeistern Urban Kreuzbach'S Söhne in Borna. Wie ver lautet, ist der Anschlag dafür 2880 Thlr. Da dieselbe größere Dimensionen annimmt, als unsere vorige Silber- mann'sche, so hat sich eine Veränderung deS Ausbau-ProjectS nölhig gemacht. Der Orgelchor kommt nämlich nicht, wie in der abgebrannten Kirche, auf die zweite, sondern auf die erste (unterste) Empore; dadurch macht sich aber wieder eine Verlegung der Stände für die Königl. Beamten, welche ersteren unter dem Orchelchor placirt werden sollten, an ihre frühere Stelle nothwendig. — Puch soll, wie verlautet, das Glockengeläuts in der Große'schen Stück- und Glocken gießerei zu Dresden bereits bestellt sein. Man beabsichtigt nämlich, wieder 3 Glocken anzuschaffen, und zwar soll das Geläute im v-äur-Aooorä stehen. DaS Gewicht dieses Ge läutes wird gegen 60 Centner betragen, und zwar wird die große Glocke ein Gewicht vön über 32 Ctr., die mittlere ein solches von ziemlich 17 Ctr. und die kleine ein solches von