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— 135 erheblicher Majorität angenommen worden war. Man fürch tete, daß eine Vereinbarung mit dem Herrenhause nicht zu Stande kommen würde. — Die Eröffnung der Reichstags-Session ist für den 8. April in Aussicht genommen. Der Landtag der preußischen Monarchie wird sich kurz vor Ostern vertagen. — Der Geburtstag des Kaisers, der am 22. März das 75. Lebensjahr überschreitet, wird bei der ganzen Armee in besonders festlicher Weise begangen werden. In allen Garnisonen findet Reveille, Festgottesdienst und Parade-Auf stellung statt. Ueberall, wo Artillerie stationirt ist, giebt die selbe zur Zeit der Parole-AuSgabe 101 Salutschüsse. Hieran schließen sich die üblichen Festmahle für die Offiziere und Mannschaften. — Aus Hannover wird gemeldet, daß die Abhaltung des vierten deutschen BundeSschießenS daselbstdefinitiv beschlossen worden ist. Klärchen. Novelle von August Schrader. (Fortsetzung.) „Dieser Franz ist ein gefährlicher Mensch," dachte Göpel. „Ich werde froh sein, wenn er meinem Hause den Rücken gewendet hat. Die ausgesprochene Drohung werde ich mir vor der Hand merken; man kann nicht wissen, was geschieht. Ach, das Leben bietet doch nur Elend, Sorgen und Verdruß. Ein Mensch ist der Teufel des andern. Ich habe ja genug zu denken und zu beseitigen ... soll ich mich denn mit diesem elenden Kerl Herumbalgen? Es ist Zeit, daß ich mir in meinen vier Pfählen Ruhe schaffe, der Aerger kommt allein von außen. Wie friedlich könnte ich jetzt leben, wenn der Professor ein billiger Mann wäre! Sein Kapital steht so sicher in meiner Mühle, die Zinsen habe ich ihm aus den Tag bezahlt ... Und doch verfährt er rücksichtslos . . . Wie das nur so plötzlich gekommen ist, daß er sein Geld gerade jetzt haben will, da die Kapitale so schwer auf zutreiben sind. Das Ding muß einen Haken haben, ich lasse es mir nicht nehmen. Den Brief will ich abwarten; steht nichts Gutes darin, so muß ich meiner Frau Alles sagen, denn ich kann die Last nicht allein mit mir Herumschleppen. Darüber will ich aber nicht versäumen, mich umzusehen; es wäre mir lieber, ich hätte einen andern Darleiher als diesen Professor, der sich freundlich stellt wie ein Ohrwurm, während er doch hartherzig und tückisch ist." Der Meister ging in die Mühle, wo Friedrich Winter in voller Thäligkeit war. Es sah schon ganz anders aus in dem kleinen Raume: die Säcke standen in Ordnung auf geschichtet, so daß man das Mehl von dem Korne leicht unterscheiden konnte. Die Gänge zeigten sich gefegt und ge säubert. Durch das offene Fenster zog frische Luft herein . . . man merkte es schon, daß hier eine sorgsame Hand waltete. Die Instruktionen, welche der Meister ertheilte, schienen fast überflüssig zu sein, denn Friedrich fand Alles selbstverständlich und fragte nur nach Dingen, die er nicht wissen konnte. „Neue Besen kehren gut," dachte der Meister. „Bleibt indeß dieser Knappe, wie er sich anläßt, so kann ich von Glück sagen. Wir werden ja sehen." Während dieser Zeit hatte Franz sein Bündel geschnürt. Es hatte diese Beschäftigung nur kurze Zeit in Anspruch genommen, da der abziehende Knappe wenig besaß. Das Kämmerchen, das er bewohnt hatte, lag hinter der Werkstatt, in der Muttersprache „Faise" genannt. DaS Fenster desselben ging nach dem GraSgarten hinaus, wo Klärchen beschäftigt war, Wäsche zu bleichen und zu trocknen. Das schmucke Mädchen ging mit der glänzenden Gießkanne auf und ab, Elsaß Lothringen. Au« Straßburg schreibt man: Als erfreulicher Beweis von der allmählig ruhiger werdenden und mit der gegenwärtigen Lage sich aussöhnenden Stim mung darf gewiß die Thatsache gelten, daß eine große An zahl Einheimischer, die bisher im französischen Heere gedient oder sich sonst in Frankreich aufgehalten haben, in ihre Heimath zurückkehrt und sich häuslich niederläßt, und ferner, daß gegenwärtig so viele Ehen geschlossen werden, daß die Civil- standsbücher fast allenthalben durch die bezüglichen Einträge gefüllt sind. Sicherlich würden die Leute sich hüten, einen Hausstand zu gründen, wenn sie kein Vertrauen in die gegen wärtigen Zustände hätten. — Auch die städtischen Behörden in Straßburg fangen an, sich für die neue Universität zu interessiren. Das dortige naturhistorische Museum, gemeinschaftliches Eigen- thum des Straßburger naturwissenschaftlichen Vereins und der Stadt, wird den Docenten der Universität zur Disposition gestellt und den Studirenden der Eintritt gestattet werden. die schneeweiße Leinwand tränkend, die auf dem frischen Grün auSgespannt lag. Und frisch wie das Grün war die ganze Erscheinung der lieblichen Müllerstochter. Sie trug ein weißblaues Catunkleid, das ihre runden und vollen Arme nur zur Hälfte bedeckte. Ein weißes Tuch von lichtem Stoffe hüllte züchtig Schultern und Busen ein. Der gelbe Stroh hut mit breitem Rande, durch ein rotheS Band unter dem Kinn zusammengehalten, schützte das blühende Gesichtchen vor der Nachmittagssonne, die warm herniederschien. Franz stand vor dem halbgeöffneten Fenster und be obachtete Klärchen, die keine Ahnung davon hatte, daß sie beobachtet wurde. Flink und munter wie ein Reh hüpfte sie zwischen den Leinwandstreifen hin, um das aus der Gießkanne brausende Wasser gleichmäßig zu vertheilen. Die Sorglosigkeit selbst, kam sie ver ländlichen Beschäftigung nach, die ihr keine An strengung, wohl aber Freude verursachte. „Da muß ich nun abziehen," murmelte Franz vor sich hin und sein häßliches Gesicht hatte einen gehässigen Ausdruck angenommen. „Für dieses Mädchen hätte ich mein Leben gelassen ... ich weiß schon, warum man mich Knall und Fall fortjagt ... Es ist die Antwort auf den Antrag, den ich Klärchen verblümt gestellt habe ... Sie mag mich nicht, darüber bin ich im Klaren ... der neue Knappe ist ihr vielleicht lieber! Ich kann nicht schmeicheln wie eine Katze, die um den heißen Brei kriecht, bis er kalt ist . . . Aber ich bin ein ehrlicher Kerl . . . Muß ich auch in dieses Mädchen vernarrt sein, zum ersten Mal in meinem Leben!" Mit furchtbarer Bitterkeit lächelte er vor sich hiu. „Ihr habt den Vorwand, mich los zu werden, vom Zaune gebrochen!" flüsterte er. Und dieser Mühlbursche ist auch nicht zufällig gekommen, der alte Göpel hat ihn sicher in der städtischen Herberge ausgesucht. ... Ich müßte ja ein Tropf sein, wenn ich das nicht Alles durchschauen wollte. Gut, ich ziehe ab, weil ich muß . . . Aber weit gehe ich nicht, ich bleibe in der Nähe, um zu erfahren, wie sich Alles hier macht! Stoßt nur den Hund hinaus, er bellt und wimmert zwar nicht, aber er kann doch beißen!" Zähneknirschend zog er den grauen Staubkittel an, warf das Felleisen auf die Schultern, bedeckte das struppige Haupt mit dem wachstuchüberzogenen Hute, ergriff den gewundenen Wanderstab und verließ die Kammer, nachdem er noch einen Blick auf das Fenster geworfen hatte. In der Mühle, die er paffiren mußte, stieß er auf den neuen Knappen, der be schäftigt war, einen Sack zuzuschnüren. „Adieu, Kamerad!" rief er höhnend. „Glückliche Reise!" antwortete Friedrich unbefangen, indem er dem Wanderburschen die Hand reichen wollte. Franz stellte sich, als ob er diese Absicht nicht erkannte. „Und ich wünsche gute Verrichtung!" rief er. §