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Freitag. Nr. 18. 1. März 1872. WePerih-Feitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträtye zu Dippoldiswalde und Krauenstei«. Verantwortlicher Redacteur: Cart Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 10 Rgr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Monats - Bericht. In unserer NeujahrSbelrachtung kündigten wir an, daß wir ungeachtet der friedlichen Aussichten am politischen Horizonte, doch einen Krieg in das neue Jahr hinüber nehmen müßten: den Krieg gegen die reichsfeindliche ultra- montanePartei. Im abgelaufenen Monat entbrannte dieser Kampf auf der ganzen Linie. Zunächst begann derselbe in der bairischen Abgeordnetenkammer aus Anlaß einer Beschwerde des Erzbischofs von Regensburg. Drei Tage lang wogte die parlamentarische Schlacht und endigte mit einer Verwerfung der Beschwerde. Mit noch größerer Spannung und Teil nahme folgte die gebildete Welt dem bald darauf im preußi schen Abgeordnetenhause um das Schulausfsichtsgesetz ent brennenden Streite, welchen Seiten der Regierung kein Ge ringerer als der Reichskanzler in Person mit gewohnter Energie gegen die vereinigten Parteien der Conservativen, Ultramontanen und Polen führte. Auch hier endete der Kampf mit der Niederlage der gedachten Parteien, welche, wenn man den Angaben verschiedener Blätter Glauben bei messen darf, darauf ausgingen, die Stellung des Reichskanzlers zu erschüttern und gegen die Reichsverfassung zu Felde zu ziehen. In welcher Weise sich das preußische Herrenhaus in der Sache verhalten wird, dürfte die nächste Zukunft lehren. Es ist nicht zu verkennen, daß abermals, wie im 16. Jahr hundert, dem deutschen Volke fast allein die Aufgabe zuge fallen ist, die kirchliche Frage, insbesondere die große Frage der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, zur Lösung zu bringen. Das mittelalterliche Staatskirchenthum ist zu Ende, und es gilt, die Formen zu finden, in welchen Staat und Kirche neben einander friedlich existiren können. Ob es im Laufe der Zeit zu der, namentlich von liberaler katholischer Seite angestrebten Vereinigung der beiden großen Confessionen und zu einer einheitlichen deutschen National kirche kommen wird, halten wir für sehr fraglich; wahrschein licher dünkt uns die Ausbreitung des Sektenwesens, wie sie in England und besonders Amerika stattfindet. Am schwierigsten gestaltet sich die Frage des kirchlichen Eigenthums, sobald in einer Gemeinde eine größere Spaltung eintritt; weshalb die Gesetzgebung zunächst aus Anlaß der altkatholischen Bewegung sich sehr bald mit Lösung dieser Frage zu beschäftigen haben wird. Interessant bleibt für die kirchliche Bewegung eine im Februar in Rom startgehabte öffentliche Disputation zwischen protestantischen und katholischen Geistlichen unter großer Theilnahme des Publikums. Gegen stand der Disputation war die an sich untergeordnete Frage, ob der Apostel PetruS in Rom gewesen sei? In der katho lischen Kirche existirt bekanntlich die Tradition, daß der Apostel Petrus 25 Jahre lang Bischof in Rom gewesen sei. Von protestantischer Seite wurde dies bestritten, und an urkund lichem Nachweise für die Tradition fehlt es offenbar. Jeden falls ist eS bemerkenSwerth, daß eine solche Disputation in Rom überhaupt stattfand. Au Fortsetzung derselben scheint man jedoch katholischer SeitS nicht nicht zu denken. „Es ist eine Luft, jetzt zu leben," möchte man mit Ulrich von Hutten sagen. Unsere westlichenNachbarn haben pünktlich bis zum 15. Febr. die versprochenen 800 Millionen Fr. bezahlt und beschäftigen sich lebhaft mit Projekten, wie sie die noch rück ständigen 3 Milliarden am schnellsten schaffen, um die deutschen Truppen vom französischen Boden los zu werden. Im Uebrigen scheinen die Rachegedanken über dem Parteistreite um die Herrschaft etwas in den Hintergrund zu treten. Lebhaft beschäftigte sich die Presse und bez. die Börse mit dem zwischen England und Amerika entstandenen Streite über die Entschädigungsansprüche wegen des Kriegs schiffs „Alabahma." Zu ernsten Verwickelungen zwischen beiden Staaten wird es nach allgemeiner Annahme nicht kommen. Vor der Hand liegt die Angelegenheit einem in Genf niedergesetzten Schiedsgerichte vor. In unserem Nachbarlande Oesterreich ist eS dem neuen Ministerium gelungen, eine Beruhigung der öffentlichen Meinung herbeizuführen, und ein erhebliches praktisches Resultat durch Annahme eines sogen. NothwahlgesetzeS zu erlangen. Mit diesem Gesetze wird das Ministerium im Stande sein, den passiven Widerstand der Opposition zu beseitigen. In Spanien hat wieder ein Ministerwechsel stattge funden. Die dortigen, uns wenig interessirenden Zustände scheinen nicht erquicklich zu sein. —r. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 1. März. Der erste Tag des Märzen führt wieder die Erinnerung an die hohen Feste vor unsere Seele, die im letzten Jahre allerwärtö im Barer lande, und so auch bei uns, gefeiert worden sind, um dem Jubel des deutschen Volkes über den nach blutigen Kämpfen wiedergekehrten Frieden Ausdruck zu geben. Und würdig ist dieser Ausdruck allerwärts gewesen. Nur sollte an diesem einmaligen Friedensfeste es nicht genug sein. Alljährlich sollte, wenn auch in einfacherer Weise, der definitive Frie denstag in der Erinnerung der Alten und Jungen wach gerufen werden. Daß die Feier des 18. October, den man vordem durch Frcudenfeuer zu begehen Pflegte, in Sachsen keinen rechten Anklang finden wollte, ist erklärlich; wenn aber die Feier des großen Friedens 1871 keinen Anklang finden wollte, das wäre bedenklich und bedauerlich! Zu unserer Freude hören wir, daß man auch bei uns nicht ganz unthötig bleiben will, den 3. März auszuzcichnen. Zwar will der