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— E — weiter in entgegengesetzter Richtung von Münster liegt. Der Pachthos ist schon seit fünf Generationen in den Händen derselben Familie. Der jetzige Pächter ist ein sehr junger hübscher Mann mit auffallend städtischem Ansehen. Auch seine Frau ist eine zierliche Erscheinung «nd offenbar, was ihre Kleidung betrifft, die Löwin des Dorfes, welcher am Sonntag alle Bauermädchen den Schnitt ihres nächsten neuen Kleides absehen. Bernhard und Therese Artmann, so heißt daS junge Ehepaar, haben auch noch vor wenig Jahren wahrhaftig nicht daran gedacht, daß ihr Schicksal sie einst für immer in diese ländliche Einsamkeit verschlagen werde. Denn Bernhard, obgleich der Sohn deö vorigen Pächters, war als Zweitgeborner nicht zu seinem jetzigen Berus bestimmt; sein ältester Bruder, der dazu erzogen worden, hatte nach des BaterS Tode die ein trägliche Pachtung antreten sollen, Bernhard hingegen in Münster und später in Berlin Medizin studirt. Da starben kurz nach einander Bruder und Bater, und der Graf ließ Bernhard in Berlin fragen, ob er Lust zur Pachtung habe. Bis zu seinem achtzehnten Jahre war er freilich auf dem Pachthose gewesen, und hatte nur von seinem zehnten Jahre an täglich im nächsten Städtchen, das nur eine kleine Stunde entfernt lag, das Gymnasium besucht. Der Graf meinte aber, er werde die Kenntniß der Landwirthschaft doch von der Geburt her erblich in sich tragen; dann schrieb auch seine einzige Schwester, er möge doch kommen und nicht Ursache sein, daß sie „unter fremden Leuten sein müsse." Eine alte Tante, eine Art ökonomischen Wunders, seit ihrer Geburt auf dem Hofe ansässig, versprach überdies, ihn mit allen ihren Kenntnissen zu unterstützen, und seine Geliebte — denn er hatte in seinem einundzwanzigsten Jahre schon eine Geliebte — redete ihm auch zu, der Wissenschaft, zu deren Erlernung ihm ja doch die reichen Mittel fehlten, Valet zu sagen und seinen Acker zu bauen. Er frug, ob sie ihm nach Westphalen folgen wolle: sie sagte freudig zu. Therese war keine Berlinerin. Ihr feiner sächsi scher Accent verrieth das bald; als eine Waise war sie zu Verwandten nach Berlin gekommen, die ihr das junge Leben, welches sie ihr durch mühsame Arbeit und schwere Pflichten ernst und trüb machten, nur zu ver herrlichen meinten, indem sie ihr von Zeit zu Zeit ein neues Kleid schenkten. „Aber," frug Therese, nachdem sie so rasch ihr Jawort gegeben, „werden mich deine Landsleute auch unter sich dulden, mich, die Ketzerin, die „Kalvinerin," wie du sagst, daß sie noch immer Alle nennen, die dem evangelischen Glauben anhängen?" Bernhard lachte. „So schönen blauen Augen verzeihen auch meine Landsleute etwas Ketzerthum; Nie mand wird dir eine Locke deines schönen braunen Haares krümmen." Und Bernhard ging und wurde Pachter. Einige Monate später holte er seine Braut aus Berlin, und die sonst so fanatischen Bauern ließen auch wirklich dem lieblichen Geschöpf sein Ketzerthum nicht entgelten, wenigstens bemerkte sie nichts davon, und als sie ein Jahr darauf Bernhard einen Sohn schenkte und dieser Sohn zum Kirchenportale hineinge- tragen wurde, über dem Christoph Bernhards von Galen edles Wappen noch immer prangt und dort in feierlicher Taufe die erste Weihe des katholischen Glau bens empfing, vergaßen sie es beinahe ganz, weshalb Therese immer in der Frühmesse fehlte und beinahe jeden Sonntag von ihrem Manne im nächsten Städt chen abgeholt wurde, wohin sie der alte Knecht zu ihrer Kirche geleitete. Bernhard war ein sehr fleißiger, ein sehr in telligenter und dabei ein sehr gesunder Mensch; wie wäre eS möglich, mit diesen drei Eigenschaften, sobald der beste Wille von der Welt dazu sich findet, nicht ein guter Landwirth zu werden? Der Graf war stolz ans diesen Pächter und rühmte sich bei seinen Bekannten des Kunststücks, das er vollbracht, indem er aus einem lockern Studenten, welche Benennung übrigens Bern hard nie verdient hatte, einen soliden Landwirth ge macht habe. Als ihm Bernhard pflichtschuldigst die Geburt seines Söhnchens anzuzeigen kam, weil der Graf sich ihm zum Pathen angetragen, empfing ihn dieser mit bekümmertem Gesicht und sagte traurig: „Ach, Artmann, wären wir erst so weitl Aber," sagte er nach einer kleinen Pause, durchblitzt von einem Gedanken, „ich will dir etwas sagen: wenn meine Frau mir einen ge sunde» Sohn schenkt, dann sollst du Palhe sein und kein anderer!" Da der Graf Artmann von seiner frühesten Kindheit kannte, so hatte er die Gewohnheit, ihn Du zu nennen, beibehalten. Bernhard blickte den Grafen überrascht an. Herablassung war sonst gerade nicht dessen starke Seite; aber bald errieth er die Wahrheit, daß nämlich der Graf, der wohl fühlen mochte, daß sein Hochmuth kein dem Himmel wohlgefälliger Zug sei, da Demuth die erste Eigenschaft eines Christen ist, sich durch diese Herablassung eine besondere Gnade zu erkaufen wähnte. Bernhard sagte deshalb ganz ruhig: „Wie Sie befehlen, Herr Graf." Der Herr Graf ließ nun auch sogleich anspannen und fuhr mit Bernhard, der mit einem seiner Acker gäule hergeritten, auf den Pachthof, besuchte die junge Mutter, der er eine goldene Broche für die Frau „Ge vatterin" auf die Bettchen legte und ging dann mit in die Kirche und hob eigenhändig den Erstgebornen seines Pächters, einen wunderbar schönen, kräftigen Jungen, aus der Taufe. Fortsetzung folgt. Kirchliche Nachrichten. Dippoldiswalde. Am 5. Sonntage nach Trinitatis (9. Juli) predigt Herr Diac. Gersdorf. Vorher (halb 8 Uhr) Communion durch Herrn Sup. Opitz. Nachmittags Bibclstnnde. Altenberg. Am ü. Sonntage nach Trinit. Frühcommunion u. Beichte (8 Uhr) durch Herrn Pastor Friedrich. Vormittags predigt Derselbe über Ap.-Gesch. 5, 34—42. Allgemeiner Anzeiger. Bekanntmachung der Königlichen Prüfungs-Commission für einjährige Freiwillige zu Dresden, die Anmeldungen zum einjährigen Freiwilligendienst betr. Bei der unterzeichneten Commission werden vom 11. September dieses Jahres an die vorschriftmäßigen