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Summen hinterlegt, welche Frankreich in englischen Banknoten zahlt. Das Silber kommt mit den anderen auswärtigen nichtfranzösischen Banknoten direct von Paris zur Bahn hierher. Bis zur Grenze trägt Frankteich die Kosten des Transports, von dort bis hierher Deutschland. Die Abnahme findet hier statt. Unverzüglich nach Eingang der Summe wird die Ver- theilung an die Einzelstaaten derart vorgenommen, daß vor weg diejenige Summe zurückgeschoben wird, welche zur Tilgung der emittirwn norddeutschen Kriegsanlehen (5proc. Schatzan- weisungen mit kurzen Sichten) erforderlich ist. Als unmög lich hatte sich schon in Versailles die Nachzählung der Kriegs- contribulion herausgestellt. Es werden nur die einzelnen Säcke und Kisten, nicht ihr Inhalt controlirt. Ausreichend ist, einige Säcke durchzählen zu lassen und nach dem Gewicht derselben andere nachzuwiegen. Mit dem Durchzählen würden sämmtliche Cassenbeamten des deutschen Reiches nicht dis Ende December fertig werden. Da nothwendig ist, die ein gehenden Sendungen aus Treu und Glauben als richtig laut Declaration anzusehen, so werden auch die Holzkisten, in denen die Säcke verpackt sind, zurückbehalten und dem Zahler vom Empfänger vergütet. Der Betrag dafür muß laut Verabredung festgestellt werden, da hierfür gesetzliche Bestimmungen, wie für die Vergütung von Geldsäcken, nicht bestehen. Sehr wahrscheinlich ist, daß statt geprägten fran zösischen Geldes zum Theil Gold- und Silberbarren einge- liesert werden. Eine fromme Lüge. Erzählung von Louise von Gall. I. Der Mediziner als Pachter. Fünf Stunden von Münster in Westphalen liegt ein jetzt sehr bescheidenes Dorf, welches noch vor einem halben Jahrhundert ein blühendes Städtchen gewesen ist; denn damals war es der Scmmeraufenthalt des geistlichen Landesherrn, des Churfürsten von Köln und Fürstbischofs von Münster. Christoph Bernhard von Galen, der kriegerische Bischof, der mit seinem kleinen Heere eben so große kriegerische Gelüste befriedigte, wie Karl der Zwölfte von Schweden mit dem seinigen; der Frankreich und Holland und Dänemark den Krieg erklärte und ihn glorreich aus focht, wenn er auch nicht gerade diese Länder eroberte, hatte dort zuerst ein Schloß erbaut, einen großen Garten mit Weihern, Bosquets, Hügeln, dichten Taxuswänden und Hunderten von Hermen darum angelegt. Im daran grenzenden Walde hatte er die schönsten Alleen schlagen lassen und dann eine Mauer umher gezogen, die das reiche Wild ihm sichern mußte. Und so hatte noch zur Zeit des letzten regierenden geistlichen Herrn, des Erz herzogs Maximilian Franz, der großen Maria Theresia jüngstem Sohne, in ununterbrochener Reihe heiteres Wohlleben im Städtchen gewaltet. Die fürstlichen Be amten hatten sich in der Nähe Villen erbaut; das Ge folge des Churfürsten, wenn er dort weilte, wohnte frei lich im Schloß, aber wie viele Andere wollten sie die Sonne der fürstlichen Nähe nicht missen, ohne gradezu durch ihre Pflicht an ihn gefesselt zu sein; diese miethe- ten dann für hohe Preise im Städtchen sich niedere Zimmer und machten sie wohnlich mit Dingen, die sie aus der Hauptstadt herbeischleppen ließen. Maximilian Franz machte während seiner Regierung keinen längeren Aufenthalt im Städtchen; nur für die großen Jagden hielt er sich einige Tage dort auf, aber auch für diese kurze Zeit folgte ihm immer ein Schwarm von Edelleuten und Geistlichen, welche Eigenschaften freilich im Bisthum Münster sehr häufig in einer Person vereinigt zu sein pflegten, da der ritterbürtige Adel im Besitze der reichen Pfründen war. Aber alle die Beflissenheit, ihm zu dienen und ihm zu folgen, vermochte nicht das Herz des Fürsten ihnen zuzuneigen; Maximilian Franz liebte die „Junker" nicht, und was er an Freundlichkeit dem Adel versagte, gewährte er auf das Gütigste den Bürgern und ganz besonders den Bauern, die diese Gönnerschaft wohl zu schätzen wußten. Seine Gesinnungen waren, da er kein Hehl daraus machte, so allgemein bekannt, daß ein alter Schulze, den er eines Tages auf seinem Spaziergange nach den Aussichten der Ernte frug, ihm kühn antwortete: „Es sieht nicht besonders gut aus, Churfürstliche Durchlaucht ; es sind zu viele Junker unter dem Korn!" Lächelnd frug der Fürst, was das heiße? „Wir nennen hier auf dem Lande" — sagte der Bauer mit unschuldiger Miene — „die langen Halme so, die den Kopf hoch tragen und nicht beugen, weil nichts drin ist." Der Churfürst lachte so sehr, raß sein ganzer ungeheurer Leibesumfang in zitternde Bewegung gerieth und gab bei Tafel den neu gelernten Ausdruck aus der Landwirthschaft zum Besten, der natürlich sehr belacht wurde, weil Jeder der Anwesenden sich für eine Aus nahme von der Bauernregel, das heißt, Keiner für einen leeren Kopf hielt! — Das ist jetzt Alles vorüber; der Bauer fühlt sich nicht mehr als den Liebling des „Herrn." Mit bäurischer Verdrossenheit und westphälischem Phlegma und religiöser Unduldsamkeit gegen Ketzer und Andersgläubige — die letztere Eigenschaft geht in unserem ehemaligen Städt chen und jetzigen Dorfe so weit, daß unter den fünf zehnhundert Einwohnern kein einziger Jude leben darf, — liegt er dem säuern Tagewerke ob. Aus dem Schlosse ist eine Damastfabrik geworden und seinen Hauptbau und seine rechten Flügel hat man abgebrochen, — wie die Wiedertäufer in Münster ihren Feinden Haupt und Hand abschlugen, — um daraus einen großen Gestütestall in der nächsten Stadt zu bauen! Aus dem Park mit den schönen Alleen und Durchsichten ist ein „Busch" geworden, in dessen Dickicht man nur mit Mühe die Spuren der ehemaligen Anlagen auffinden kann. Die Mauer, die den Park umschloß, ist auch verschwunden und das Wild läßt sich vom Förster selten mehr dort betreffen und genießt seine Freiheit. Aus dem vielbe wunderten Schloßgarten ist ein Gemüsefeld, aus den Weihern sind Sümpfe geworden. Bosquet und Hecken hat man rasirt, und die Nachtigallen, die in Menge darin einheimisch waren, sind verstummt, wie die schöne große Orgel in der ebenfalls von Christoph Bernhard von Galen erbauten Kirche; letztere weil die Gemeinde zu arm ist, um sie repariren zu lassen, erstere, weil man ihnen ihre Wohnungen demolirt und obdachlos gemacht hat; nun werden wohl die glücklicheren Vögel ihre Stimmen wo anders ertönen lassen, während die Orgel schweigen muß! Zu dem jetzt so verarmten Dorfe gehört aber nur ein paar Büchsenschüsse davon entfernt, ein Pachthof, dessen stattliche rothe Dächer einen glänzenden Kontrast zu den ärmlichen, meist schornsteinlosen Dächern deS Orts bilden. Dieser Pachthof gehört dem Grafen K., - dessen Wohnsitz ein schönes Schloß, ein paar Meilen