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ledigt sein. Die Petroleumsteuer scheint nur wenig Befürwortung zu finden; ihre Ablehnung gilt als ziemlich sicher. — In Preußen ist das Strafmittel der körper lichen Züchtigung in den Weiberstrafanstalten defi nitiv aufgehoben worden. Baiern. Das. bairische Heer ist durch eine neue Formation dem preußischen vollständig accommodirt worden. Die gesammte Armee zählt 40,123 Mann mit 9687 Pferden auf dem normalmäßigen Friedens stande und ohne Offiziere. Prag. Die czechische Opposition hatte die am 16. Mai stattgehabte Grundsteinlegung zum neuen czechischen Nationaltheater zu einem Nationalfest gemacht, hoffte von demselben viel für ihre Zwecke zu erreichen, hat aber nichts erreicht. Das Fest bot einen bunten, durch neuerfundene groteske Nationaltrachten komischen Aufzug, aber die nationale Begeisterung fehlte vollständig. Kalt, neugierig besahen die zahlreichen Zuschauer das an die Kölner Faschingstage mahnende Fest und begrüßten die phantastischen Costüme mit stür mischem Jubel, während es die politischen Führer der Nation ruhig vorübergehen ließ. Sämmtliche Behörden und Geistlichkeit haben der Feier nicht beigewohnt. Der Festredner Sladkowskh besprach die Bedrückung des czechischen Volkes, hofft aber, eS werde nicht unterliegen, sowie auf bessere Zeiten und auf die Krönung des Königs. Es fanden zwar eimge, durch Studenten an geregte Excesse statt, doch verlief das Fest sonst ruhig, und die Regierung kann auf dasselbe mit Stolz zurück blicken, da es trotz aller lärmenden Gegenversicherungen der czechischen Publicinik die Ultgefährlichkeit einer Bewegung bewiesen hat, die im Volke nicht besteht. Dieses kennt nichts als die Befürchtung, daß man die czechische Sprache und die Gleichberechtigung unter drücken wolle. Daß dies nicht geschehen wird, gewähr leisten die Staatsgrundgesetze, deren freiheitliche Vor theile auch das czechische Volk anerkennen wird trotz seiner Führer und gegen ihren Willen. Petersburg. Am 18. Mai ist die Großfürstin Dagmar, Gemahlin des Thronfolgers, von einem Prinzen entbunden worden. New-Jork. Der Senat hat am 16. Mai mit 35 gegen 19 Stimmen beschlossen, die Verurtheilung des Präsidenten Johnson ab zu lehnen; namentlich wurde er von dem elften, dem entscheidenden Anklage punkte freigesprochen. Es geschah dies, weil die zur Verurtheilung erforderliche Zweidrittel-Majorität nicht erreicht wurde. Die Teufelsmühle. Eme Böhmerwalds Dorfgeschichte von Wl. (Fortsetzung.) Der Oberst war allein in seinem Zimmer. „ Die Mutter todt!" sprach er zu sich selbst, „die Geliebte wahnsinnig, der Vater krank, der Bruder ein Tauge nichts — was könnte mich in der Heimath freuen? Wir lieben die Gegend, wo wir unsere Kindheit glücklich verlebt, wir sehnen uns im Alter darnach — doch mir bietet sie keine Freude mehr. Ich will die Geliebte nochmals sehen — vielleicht zerreißt der Nebel des Wahnes bei meinem Anblicke; will dem Alten meine Hilfe anbieten — vielleicht wird sein Herz gerührt da von, und er nennt mich seinen Sohn. Ja, ich will mich dort einquartieren diese Nacht!" Ohne Jemandem seinen Entschluß mitzutheilen, ver ließ der Oberst sein Quartier und begab sich auf einem ihm noch gut bekannten verborgnen Fußsteige nach der eine halbe Stunde vom Städtchen entfernten Mühle. — Welch ein trauriges Bild der Liederlichkeit, der Nachlässigkeit bot diese jetzt! Wohin das Auge blickte, gewahrte es Verwüstung und Unordnung, lauter Zeichen der Armuth und Noth. Nichts verrieth das Wirken eines fleißigen Hauswirthes, das Walten einer klugen Hausmutter. Die Mauern voller Risse, die Zäune umgestürzt, das Dach halb abgedeckt, Fenster mit Pa pier verklebt, der Hofraum öde und schmutzig — die Räder standen ruhig in ihrer Kammer, das Wasser stürzte brausend über die verfaulten Rinnen. Wehmuthsvoll trat Philipp in die Stube. Hier erst entfaltete sich das Elend in seiner wahren Gestalt: dort auf der schmutzigen Ofenbank saß ein zusammen- geknickteS, hageres Weib, in Fetzen gehüllt, das Gebete gedankenlos murmelte und den Rosenkranz zwischen den knöchernen Fingern ziehend, ohne auf den Fremden zu achten. Wie? sollte das lebendige Gerippe das einst so fröhliche, schöne Lieschen gewesen sein? Wo sind jetzt die Korallenlippen, die Perlenzähne, wo ist der seelen volle Blick des Auges, das holde Lächeln des Mundes? Ist denn Frauenschönheit gar so flüchtig, daß nach zehn Jahren nicht eine Spur ihres ehemaligen Daseins zurückbleibt? Kann Anmuthund Liebreiz in ein Schrecken bild sich umwandeln? — Dies mochte der Oberst ge dacht haben, als er lange das betende Weib anschaute. Außer einem kleinen Mädchen von ungefähr acht Jahren, das Kartoffeln schabte und ebenfalls zerlumpt und schmutzig aussah, war Niemand weiter in der Stube. Die Stube selbst bot eben so wenig dem Auge, als das Gebäude von Außen. Der Boden holperig, die Wände rußig, ohne Bilder, ohne Verzierung. Bloß in einer Ecke hing ein verstaubtes Marienbild. Philipp war tief erschüttert, er näherte sich dem betenden Weibe und sprach mit bewegtem Tone: „Muß ich Dich in dieser Lage wieder finden, Liese?" Das Weib fuhr erschrocken auf, erhob ein eigen- thümliches Gekreisch und flüchtete sich in die Ecke unter das Marienbild. Philipp rief ihr zu: „Fürchte Dich nicht, Liese, ich bin kein böser Geist. Ich bin ja Philipp, der Dich geliebt, und noch liebt!" „Fort von mir, Versucher! So hat er oft geredet. Ich konnte ihn nicht vergessen; stets war meine Seele mit ihm beschäftigt, selbst im Traume, darum hat der Herr mich gestraft, weil ich sündhaft ihn geliebt, weil ich ihn noch fort geliebt, als ich schon das Weib eines Andern war!" Liese sank auf's Knie und betete leise weiter. Der Oberst konnte sich nicht enthalten, das unglückliche Weib in seine Arme zu schließen. „Geliebte Liese! Blicke auf mich, Deinen Philip p!" sprach er sanft, „ich komme, Deine Noth zu lindern." Das Weib schaute zu ihm hinauf, betrachtete ihn lange, schüttelte den Kopf zweifelhaft und entschlüpfte hinter den Ofen. „Laßt die Mutter in Ruh'!" rief jetzt das kleine Mädchen, „eS ist jetzt ihre böse Stunde; wenn Ihr noch eine Weile wqrten wollt, wird sie gescheidt mit Euch reden!"