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478 etwa- mehr Nachdruck zu schaffen. Wenn dies geschah, so konnten nicht nur Conflicte mit Oesterreich, sondern auch Ausstände in Italien die Folge von dieser De monstration sein. Henn man qber Unruhen uno Krieg vermuthet, so ziehen sich vor solchem Sturme die Kapi talien, die nur Sonnenschein und heitres Wetter lieben, scheu zurück, und so kam es denn, daß die neapoli tanische Frage ihren lähmende» nnd niederdrückendcn Einfluß auf den europäischen Geldmarkt übte. Mail hat sich aber nach zwei Wochen von dem Schrecken wieder etwas erholt, mit dem man inne geworden, daß die Wcstmächte ein viel schlimmeres Gesicht gegen Neapel gemacht haben, als sie es im Herzen meinen, und daß aus einem Kreuzzuge gegen Neapel nichts wird. Zur Verminderung LeS flüssigen Kapitals, das allein im Geschäftsverkehr den Ausschlag giebt, haben auch die Erndteu von 1854 und 1855 beige tragen. Beide Jahre haben die Merkwürdigkeit ge boten, daß bei ausreichender Erndte dennoch Theuruygs- preise bezahlt wurden. Jedenfalls war die Folge davon, daß ganz enorme Capitälien dem kaufmämnschen Verkehr entzogen und dem Landmanne zugcwendet wurden. Da ist das Geld auch nicht an einen Türken gekommen, werden unsere ländlichen Leser sagen. Wohl wahr, allein in vielen ländlichen Kreisen herrscht noch die rohe Sitte, die Gelder, anstatt sie nützlich zu ver wenden, wodurch sie wieder in den Verkehr kommen, einfach in die Truhe zu legen. Wer bas thut, entzieht dem Verkehr da- benöthigte Geld und begeht eine national-ökonomische Sünde. Die Vernichtung des Geldes für Handel und Wandel ist auf solche Weise so vollständig, wie sie nur bei einem Kriege sein könnte, so lange mindestens, als nicht ein Zufall die ver schlossenen Truhen wieder öffnet. Wie groß die Summen sind, welche in den letzten Jahren durch die äußerst hohen Getreidepreise dem Landmanne zugeflossen sind, dürste schwer in Zahlen zu berechnen sein, aber die einfachste Ueberlegung zeigt, daß es sich hier um sehr bedeutende Betrage handelt, die wohl eine em pfindliche Lücke im Umlaufe der flüssigen Capitalien, d. h. im Geldmärkte, zutückgelassen haben. Das Geld, welches dem Landwirthe zugeflossen ist, das wir ihm herzlich gern gönnen, ist zwar nicht von der Erde ver schwunden, allein es ist in Händen von Leuten, die nicht speculiren, nicht Handel treiben, nicht die Börse besuchen; cS ist für den Augenblick zum großen Theile aus dem Verkehr, mindest von den Börsen, ver schwunden. Wir haben eS bisher nur mit den großen Ursachen des gegenwärtigen Geldmangels und des daraus ent springenden Discontos, des hohen Zinsfußes, zu thnn. Die lange Andauer des hohen Discontos ist aber an sich ein weiteres Uebel; es hindert den Unternehmungs geist. Wer kann große Geschäfte unternehmen, zu denen er viel Geld borgen muß, wenn die Zinsen für die Kapitalien zu hoch sind und einen zu namhaften Theil des Gewinnes aufzehren. Außerdem ist aber die ganze Gestaltung der politischen Verhältnisse drückend für das Jn- cinandergreifen. des Verkehrs. Dem blödesten Auge muh es klar sein, daß der gegenwärtige Zustand Enropa's mehr wie je ans zwei Augen bericht, die sich jeden Tag schließen können, nnd dies um so mehr, da sie an einem Körper getragen werden, der sich nicht eben der besten Gesundheit, trotz aller Gegenvcrsicbe- rnngrn, erfreut. Keiner weiß, wie dann das Stück weiter spielen wird, und so viel hat die Geschichte ge lehrt, daß alle RegcntschaftSräthe in Stunden der Gkfahx eher Verwirrung brachten, und «ine Katastrophe nicht hindern, konnten. DE wisse« Sie klugen und sclMG CHitaliften auch, und' darum wollen sie sich ans nicht Hu weit ausseyende Spekulationen einlassen, es sei denn, daß damit ein bedeutender augenblicklicher Gewinn verbunden ist. Die gegenwärtige Erschütterung, von der man, sich bald wieder erholt haben wird, wird aber sicherlich nicht die letzte sein; der Lcidcnskelch wird noch bittrer für die Gcldlcute kommen. IL. Tagesgefehkchte. Dresden,.7. Oktober. Nach dem Vorgänge der Schuhmacheriunungen anderer Orte hat jetzt auch die hiesige beschlossen, mit einer mäßigen Erhöhung der Preise, resp. für daS Material zu denselben , Vorzu gehen. Diese Erhöhung soll 33'/z"/o oder pr. Thaler 10 Ngr. betragen, waS den seit 1850 um rirca 6Oo/„ gestiegenen Lederpreisen gegenüber jedenfalls ein sehr mäßiger Zuschlag genannt werden darf. > Freiberg, 3. Oct. Der Bergrath Breithaupt ist vor einigen Tagen glücklich und gesund aus Serbien zu uns zurückgekehrt. Sein Bericht über serbische Zu stände und Hoffnungen überhaupt, namentlich aber über Maidanbek, liegt dem dortigen Ministerium vor. Dieses letztere, welches bis jetzt ein österreichischge, finnteS war, wird aller Wahrscheinlichkeit nach einem wrstmächtlichen weichen müssen. Daß sich Oesterreich aus dem Felde schlagen läßt, sieht man in den Kreisen der Intelligenz sehr ungern. Um die Frage übe» , die Salzquellen Serbiens möglichst bald und siche» zur Entscheidung zu bringen, beabsichtigt man einen salinischen Geognosten kommen zu lassen. Die Sache ist von Wichtigkeit: die 164,000 Stück Dukaten, welche Serbien im letzten Jahre für Salzbedarf aus gegeben hat, können dann erspart werden, wenn Salz im Lande gewonnen wirb. Die herrlichen und zur Zeit noch sehr reichen Eichenwälder — Nadelhölzer wachsen nur in dm südöstlichen Gebirgszügen — be dürfen doch bereits der Schonung und rationellen Bs- wirthschaftung, wenn man nicht muh einem Menschen alter dieselbe Erfahrung machen will wie Rußland an einzelnen Theilen des WaldstromgebietS der Wolga. Grenzsteine zur Abmarkung von Fluren giebt eS nicht; soweit der fleißige oder der faule Ackerbauer bas Land bebaut, so weit reicht sein Grundbesitz, höchstens durch eine Einzäunung bezeichnet. Der große und der kleine Grundbesitzer, wenn wir anders diesen Ausdruck hier brauchen sollen, zahlt sein Kopfgeld, mag er viel oder wenig Land bebauen, Für Lohn zu arbeiten, ist den Serben ein Gräuel; er sieht in dem Lohnarbeiter nur den Sclaven. Daher sind solche Arbeiter fast nur Ausländer, besonders aus dem Kreise der benachbarten Rumänen. Die Gesetzgebung trägt allerdings noch in mehr als einer Beziehung einen gewissen barbari schen Charakter an sich; aber das Volk erkennt richtig, daß er nur mit der fortschreitenden Gesittung entbehrt werden könne, und es wird deshalb nicht für ganz .klug oder zweckmäßig erachtet, daß der von Humanität find abendländischen Grundsätzen durchdrungene Fürst Alexander.so leicht zur Milde und Begnadigung ge neigt sei. Serbiens Blüthe wird um so rascher be ginnen, je schneller das letzte Glied der Kelte bricht, mit der eS »och an Stambul gefesselt ist. .