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Diese« Blatt erscheint ttglich Abend« und ist durch alle Vast, ankalten de« Z». «ud Lu«lande« z» deziihtn. Vrri« sS, einer gesvalkrnen Zeile » BI. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittag- angenommen. Inhalt. England- Politik Deutschland gegenüber. — Tagesgeschichte: Dresden: Sitzung der ersten und zweiten Kammer; Banquirr Schir. Leipzig: Theaterbesuch des Königs; Illumination; DatrrlandSverein. Großenhain: Adresse an den Minister Oberländer. Jöhstadt: Feuer. Grimma: Turnrrfrst. Berlin. Frankfurt. Wien. Mailand. Turin. Paris. England.— Wissenschaft und Kunst: Hofthrater: „VieVer suche; der Verrälher; Jndienne und Aephinn". — Feuilleton. — EingefrndeteS. — GefchäftSkaleuder. — OrtSkalrnder. — Angekommene Reisende. Englands Politik Deutschland gegenüber. Nie Niger est, kunc tu ttomsne cavetv! Wir dürfen wohl annehwen, daß Richard Cobden, dieser eng lisch« Apostel des englischen Freihandelssystems, und dessen Rundreise durch die europäischen Kontinentalstaaten den deutschen Jndustrie- und HaadelSbefl'ssenen noch im frischen Andenken sind, wäre es auch nur deswegen, weil Sir Richard den Einen ein gewaltiger Dorn im Auge war, während Andere ihn nicht genug preisen und unterstützen zu können glaubten. Vielleicht hat Mancher nachgerade auch die Ent deckung gemacht, daß Eobden ein wirklich ausgezeichnete- Unterhanb- lungstalent entwickelte, da- er sich bei der Wahl seiner Mittel niemals Vergriff und daß er trotz aller Abneigung gegen die von ihmdargal-gw« Grundsätze, welche unter dem deutschen Gewerbestande herrscht, doch in aller Stille Erfolge erlangt hat, deren Vortheilhastigkeit für Eng land am Tagt liegt, deren Nutzen für uns aber, selbst mit der Loupe betrachtet, nicht zu finden ist. Sir Richard reiste in keinem öffentlich anerkannten amtlichen Eharakter, er schien lediglich ein Apostel de- Freihandel-system- auf eigene Hand zu sein und eS könnte deshalb gewagt erscheinen, au- sei nem Auftreten einen Rückschluß auf die auswärtige Politik seines Va terland«- zu machen. Allein wenn wir sahen, daß bald nach seinem Auftreten Handelsverträge officiell abgeschlossen, erneuert und modifi- rirt wurden und daß die- Alles in einer von ihm vorbereiteten und an gedeuteten Weise geschah, so sind wir berechtigt, anzunehmen, daß er nach Instruktionen handelte, die ihren Ursprung ebensowohl im St. Jamespalaste, als in der City von London fanden. Cobden predigte das Freihandelssystem auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, auf dieses Ziel lief seine ganze Thätigkeit hinaus, und wean seine Bemühungen in einzelnen speciellen Fällen ein andere- Ziel zu haben schienen und in Wirklichkeit andere Erfolge hatten, so waren «< doch immer Annäherungen, durch die Umstände gebotene Umwege zu diesem Ziele. Des Pudels innerster Kem war nichts Geringere-, als die Absicht Englands, seine (Natur-u. Kunst ) Produkte in Deutsch land zollfrei einzuführen und dafür die deutschen zollfrei nach England und dessen Kolonien emzulaffen. Es ist nicht zu leugnen, da- diese Idee, vom kosmopolitischen Standpunkte au- bewachtet, viel für sich hat, denn «erst ist es ihre Einfachheit und dann das derselben schein bar zum Grunde liegende Prineip der Gerechtigkeit, welches dieselbe empfiehlt. Daher ist es auch gekommen, daß viele deutsche Staats theoretiker sich von derselben bestechen ließen und nun ärger noch als Cobden seiber das Freihandel-system « tout prix predigten; ja wir se hen selbst Personen als Anhänger dieser Zdee austrete«, deren vorzugs weise praktische Richtung sie derselben unzugänglich zu machen schien. Dies wäre schwer zu erkläre«, wenn es nicht eine bekannte Erfahrung wäre, da- selbst recht gescheide Personen durch eine wohl angebrachte Schmeichelei zu bestechen sind. Daran aber hat es Sir Richard durch aus nicht fehlen lassen, denn er hat sich jede erdenkliche Mühe gegeben, die Regierungen sowohl, al- die deutschen Industriellen glauben zu machen, daß die deutsche Industrie vermöge ihres hohen Standpunktes die englische Konkurrenz durchaus nicht zu fürchten habe. Wer zu der Zeit, als Richard Cobden auf dem Festlande war, die Times, Mor- ning Chronikle, London Merkury und die Hamburger Börsenhalle gele sen hat, der mußte glauben, daß die englischen und die deutschen In dustriellen die zärtlichsten Freunde wären und erstere von den letztem noch lernen könnten. Jedenfalls aber müssen wir anerkennen, daß die englische Presse es vortrefflich versteht, nationale Interessen zu ver treten, deshalb sei es aber auch uns vergönnt, das einfach auf Gegen seitigkeit begründete Freibandelssystem vom nationalen Standpunkte bewach««j hio.kosmopolitischen.Stelzen John SWl^aiffbe- ne« er sich recht komisch auSnimmt, sind un- zu hoch und wir haben nicht Lust auf die Nase zu fallen. Offenbar wird da- nationale Recht, insofern es ein internationales ist, eine Nation der andern entgegen steht, zum individuellen Natur rechte; der erste Grundsatz desselben ist aber die Gleichberechtigung aller Individuen und analog also auch aller Nationen. Dieser oberste Grundsatz würde aber durch die Handelsfreiheit sehr stark beeinträch tigt werden, wenn diese darin bestehen sollte, daß der Au-tausch der Natur- und Kunstprodukte ohne alle Rücksicht auf die vorhandenen natürlichen Begünstigungen oder Hemmnisse und den dadurch be dingten relativen ArbeitSwerth stattfinden sollte, denn offenbar müßte Die- dahin führen, daß jede Nation nur da- verarbeiten könnte, was ihr die Natur unmittelbar liefert, und folgerichtig wären also alle euro päischen Nationen von der Bearbeitung der Baumwolle ausgeschlossen, weil keine in Europa wachst. England würde seine ganze ungeheure Baumwollenindustrie einbüßen, sobald eS seine Baumwolle erzeugen den Kolonien verlöre. ES ist ganz unmöglich, daß, bei gleicher Be fähigung und gleichen Mitteln, der, welcher den Rohstoff zu seiner Ar beit erst weit herbezieben muß, mit dem konkurriren kann, der denselben unmittelbar zur Hand hat. Da eS gegenwärtig nicht möglich ist, die Bevölkerung-Verhält nisse in den europäischen Industriestaaten und das davon abhängige Bedürfniß an Leben-Mitteln (im weitern Wortverstande) in ein rich tig»- Verhältniß zu bringen zur Produktionsfähigkeit de- Bodens, mithin diese- Bedürfniß von außen her gedeckt und das bestehende Mi nus abgearbeitet werden muß; so muß auch dieses Verhältniß bei der Anordnung internationaler Handelsbeziehungen als Akiom zum Grunde gelegt werden. Bon einem unbedingt freien Austausche der Arbeitsprodukte kann daher nur zwischen Staat« die Rede sein, die bezüglich der Rohstoffe von der Natur gleich begünstigt, oder gleich vernachlässigt sind, Dies dürst« aber, beiläufig bemerkt, nur sehr we nige sei« u«d was insbesondere England betrifft, so können sich nicht ein mal die vereinigten Staaten von Nordamerika und selbst ganz Süd amerika mit dem Produktemeichthum Englands messen, dm dieses da-