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Ussj 1224 kaum für möglich hallen konnte, großartig übertroffen worden. Dem hiesigen Turnverein war vor einigen Wochen von den jun» gen Damen eine prachtvolle Fahne, in Leipzig und ganz der dasigen gleich angefertigt, überreicht worden. Diese ward feierlich geweiht. Zu der deshalb veranstalteten Feierlichkeit hatte der Turnrath die Tur ner anderer Orte öffentlich eingeladen und Dies einen Zuzug von über 300 Turnern von Leipzig, über 100 von Leißnig und über 260 von Döbeln, Oschatz, Wurzen, Borna und Lausigk herbeigeführt. Sämmt- liche fremde Turner waren in Familien einquartirt, freundlichst und zuvorkommendst ausgenommen, und manche Familie hatte sich dabei noch vergeben- auf die muntern Gäste eingerichtet. Alle Erwartung aber war durch die Dekoration der Straßen übertroffen, wo man zahlreiche Turnerfahnen und Flaggen erblickte. An den Häusern und in den an Guirlanden über die Straßen hängenden Kränzen zählte man über 60 Mal den turnerischen Gruß: Gut Heil. Nach Beendigung deS Nachmittagsgottesdienstes fanden sich die Tur ner auf Appel auf den verschiedenen Sammelplätzen ein, marschir ren auf den Markt, stellten sich im Karre auf, wo auch die Ehrenmit glieder in nicht unbedeutender Zahl und der größte Theil der Fürsten schüler sich anschlossen, denen auf vorherige Einladung de- TurnrathS Dies sehr bereitwillig gestattet worden, und marschirten dann auf die Schützenwies,, dort um eine festlich geschmückte Rednerbühne einen Kreis bildend. Die Weihrede hielt der Oberlehrer der LandeSschule Or. Löwe, in sinnig ernster angemessener Weise die Embleme der Fahne, Schwerdt und Fackel, beide sich kreuzend, deutend und den Be griff der Ueberschrift: stark, frei, treu, erklärend. Vorher sprach eben so muthig und radikal vr. Stolle al- nachher kräftig der Pro fessor vr. Dietzsch. Einen störenden Eindruck machte während der Reden ein ziemlich harmonieloser Gesang gemeiner Reiter außerhalb -es Kreises der Turner, am Schießhause, wo denselben, anscheinend zur Anregung, freies Getränk verabreicht worden sein soll. Einsender, der nicht in der Nähe gewesen, möchte die« Letztere gern bezweifeln, hat es aber zu vielfach äußern und behaupten hören. Soviel ist aber wohl als gewiß anzunehmen, daß Militärpersonen, welche Mit glieder deS Turnvereins sind, auch beim Feste zugegen waren, aber nicht in Turnerkleidung, daß diese am Festzuge nicht haben Lheil nehmen dürfen. Man hat ihnen zu erkennen gegeben, daß man solche Demonstrationen nicht liebe!! Wie verhält sich nun Dies zu dem Verbrüderung-feste in Leipzig? Ist zwischen Kaval lerie und der leichten Infanterie ein Unterschied, und welcher? Sind nicht beide gleichmäßig sächsische und deutsche Soldaten?! Nachdem der Zug durch die Stadt sich begeben und auf dem fest lich geschmückten Turnplätze angekommen war, sprach der Vorstand vr. Riemschneider im Namen der hiesigen Turner den Dank derselben für den freundlichen zahlreichen Besuch aus; angenehmen Eindruck machte die Erwiderung »ine- Leipziger Turners Namens der Gäste, für die kammeradschgftliche und sonstige zuvorkommende Aufnahme dankend, und am Schluffe ein dreifaches Hurrah den schon verlebten, -en noch nahenden heiteren Stunden und den braven hiesigen Turnern. Hierauf folgte noch ein dreimalige- Hurrah dem Gesetze, der Freiheit und dem Vaterlande vom Rektor Grunert aus Wurzen, welcher auch auf der Schütz,nwiese die Stollesche Rede ftenographirt haben soll und hiermit ersucht wird, solche vollständig zu veröffentlichen. Nun begann zum Staunen und zur lebhaftesten Verwunderung des massen haft sich etngefundenen Publikums daS Schauturnen, ausgeführt von dem Turnlehrer von Lei-nig, dem von Borna und den Vorturnern auS Leipzig, unter denen sich ganz besonder- Faber und der stattliche Fahnenträger Bretschneider auSzeichneten. Den Schluß auf -em Turnplätze machte eine improvisirte Volksversammlung, welche bei der allgemein lebhaft aufgeregten Stimmung wieder etwas ganz Neue- für Grimma darbot, da sie mehrfach in die Atmosphäre der äußersten Linken hinüberstreifte. Die vorzüglichsten Redner waren Dietzsch, Stolle, Oettler von hier und CaruS von Lei-nig, und das Konklusum waren mehrere PereatS, als z. B. auf Anarchie und Reak tion, auf Sondergelüste und PartikulariSmus. Eben so unvergleich lich in Grimma mit der Vergangenheit war der Ball Abends auf dem Akaihhause, denn wie bei den Turnern kein Unterschied der Stände »orkommt, so auch war er bei den Tänzerinnen nicht zu finden. Daß Aristokratie und Büreaukratie hier vorhanden sei, sah man bei diesem Balle sowie überhaupt bei dem ganzen Feste nicht im Geringsten. Man sah nämlich nicht sehr Jemanden davon. Berlin, 30. August. Die Garnison ist wieder durch die Gardejäger verstärkt worden. — Bei allen jetzigen Zusammen rottungen bemerkt man, daß das Geschrei zum Dreinschlagen von der Reaktionspartei hauptsächlich ausgeht; man will gern einen Zusammenstoß, um zu strenger« Maßregeln weitere Veranlassung zu haben. — Die Aufhebung der Kadettenanstalten soll übrigens im Ministerrath beschlossen sein. — Der sociale Arbeiterkongreß hat in seiner Sitzung vom 25. d. M. eine Adresse an die Nationalversamm lung in Frankfurt behufs der Zusammenberufung eines socialen Parlaments erlassen. Darauf schritt man zu den Verhandlungen über die Statuten zur Organisation der Arbeiter. Als Sitz deS Centralkomites wird vorläufig Leipzig angenommen. Am folgenden Tage, an welchem auch H. Brill als Bevollmächtigter des Breslauer Arbeitervereins angezeigt wurde, debattirte man einen Entwurf über die Bildung dec Jugend und Fortbildung im reifen Alter. Derselbe enthält nichts Anderes, als alle die Schulreformprojekte aus demo kratischer Quelle, außer daß neben dem unentgeldlichen Unterricht auch unentgeldliche Uniformirung für alle armen Schulkinder verlangt wird. Der Entwurf selbst wollte, daß auch den andern gleiche Uniform aufgenöthigt würde, aber durch ein Amendement des H. Born wurde ihnen nur überflüssiger (sie!) Luxus untersagt. — 31. August. Der Bürgerwehrklub hat eine Adresse an die Nationalversammlung erlassen, worin er sich gegen daS eben in Berathung befindliche Bürgerwehrgesetz erklärt, da dasselbe nicht von dem ursprünglichen Zwecke der Bürgerwehr auSgehe, die verfassungs mäßig gesetzliche Freiheit zu schützen. In dem neuen Gesetze werde die Bürgerwehr unter die Gewalt der administrativen Behörden gestellt und nur als Vermehrung der exekutiven Gewalt benutzt, nicht als ein selbstständiger Theil des StaatsorganiSmuS betrachtet. Es sei klar, daß wenn die Behörden selbst über die Verletzung der Verfassung urtheilen sollten, daß sodann der Schutz der Verfassung nicht mehr in Händen der Bürgerwehr, sondern in Händen jener Behörden sei, von denen oft die Verletzung ausgehen werde rc. Auch der Eid für den König wird als überflüssig bezeichnet, da er in der Verfassung enthalten sei. — Ueber die Bedingungen des Waffen stillstandes mit Dänemark erfährt man folgendes Nähere. Derselbe dauert bis 1. April 1849. Die Bundestruppen werden die Herzog- thümer räumen; nur eine Besatzung von 2000 Mann bleibt zurück. Die schleswig-holsteinische Armee bleibt organisirt. Die schleswig- holsteinische provisorische Regierung wird aufgelöst und es hängt von der neu einzusetzenden ab, welche Akte der alten sie anerkennen will. Eine solche neue, ebenfalls provisorische Regierung wird auS Männern von Schleswig und Holstein gebildet; die Mitglieder der selben werden von den versammelten Wählern unter Zuziehung der Herzogthümer gewählt. Frankfurt, 29. August. In der heutigen Sitzung, ehe die Debatten über die Grundrechte begannen, interpellirte Eisenmann das Reichsministerium, und dieser Mann, der bisher fortwährend behauptete, er sähe keine Reaktion, sagte endlich: Ich sehe eine furcht- bare Reaktion. Es gab allerdings eine Zeit, wo ich in einem unschul digen Papier keine Reaktion sah; wer damals durch ein reines Glas blickte, sah keine Reaktion; jetzt aber sehe ich eine solche. Der Redner theilt dann mit, es sei ihm aus achtbarer Quelle die Nachricht zuge kommen, daß 24,000 Böhmen, Polen u. s. w. nach Italien gesendet werden und dort eine gleiche Anzahl Kroaten ablösen sollen, die sodann zu dem Heer deS BanuS Jellachich stoßen würden. Von den 12,000 bei der italienischen Armee sich befindenden Ungarn dagegen dürfe kein Mann nach Hause gehen. Die Ungarn und selbst vielleicht daS österreichische Ministerium hätten keine Ahnung von der Trag weite dieser Verfügung, hinter welcher ein Reaktionsplan verborgen liege. Mit Ungarn fange man an und mit Deutschland höre man auf. Nach den ihm zugekommenen Nachrichten stünden Windisch- gräh, Radetzky und Jellachich in ununterbrochenem Briefwechsel, und die Seele des Ganzen sei Baron Hammerstein. Der Redner wünscht deshalb, daß der Bericht über seinen neulich gestellten Antrag vom völkerrechtlichen Ausschüsse beschleunigt werde, und erklärt, daß er ihn alle acht Tage erneuern werde. Ueberall hin seien ReichSgesandtr