Volltext Seite (XML)
1152 l*46j Amte des „permanenten Ausschusses" zu beauftragen sein solle, vr. Göschen und Brachmann von Leipzig, Röder von Königs brück, Prof. Richter sind mehr oder weniger gegen die Wahl eines Vorortes und für die freie Wahl eines Ausschusses, vr Reclam von Leipzig und vr Haußner von Pirna gegen die letztere. Schließlich nimmt die Versammlung den Antrag des Berichterstatters, einen Vorort zu wählen, sowie den des Prof. Grenser: den Ausschuß des Vorortes durch Abgeordnete aus den Kreisen zu verstärken, und den des vr. Kuntzsch von Radeberg an: daß dieser leitende Ausschuß aus 5 Vorstands- (Vororts-) und 12Ausschußmitgliedern, nämlich je 3 aus jedem Kreisdirections- bezirke, bestehen solle. Die hierauf um 1 Uhr geschlossene Sitzung wird um 3^ Uhr wieder eröffnet und zwar mit der Besprechung darüber, ob die Wahl des Vorortes u. s. w. sofort stattfinden solle. Auf Antrag des vr. Just von Zittau wird Dies beschlossen. Nach einer längern Diskussion beschließt man auch, die Obmänner des Vororts (5 Vorstandsmitglieder) und die Abgeordneten der Kreise zu wählen. Hierauf werden die Befugnisse des leitenden Ausschusses in der oben mitgetheilten Fassung angenommen und auf Antrag des Prof. Richter noch hinzugefügt: daß 6) der Ausschuß alle Vorschläge zur Verbesserung des Medicinalwesens entgegenzunehmen und 7) eine Medicinalordnung zu entwerfen habe. Ueber die Beschaffung der Geldmittel für den Vorstand sprechen die vv. Göschen, v. Keller, Richter, Just, Petzold von Bautzen, Siebenhaar, Stecher, Reclam, welches letzteren Antrag Annahme findet: sämmtliche Aerzte Sachsens zu einem jährlichen Beitrage von 5 Neugroschen aufzufordern. Hierauf berichtet Prof. Richter über Punkt 2 und 3 der Tagesord nung (Bildung von ärzlichen Bezirkskollegien, Gremien und einer obersten ärzlichen Kammer), welche er namentlich vom Standpunkte der Demokratie und des Selfgovernment aus vertheidigt, wobei er auch bemerkte, daß es sich nur um die Annahme dieser Grundsätze, nicht um sofortige Ausführung handle. Nach einer längern, und zwar der lebhaftesten Debatte, in welcher man sich namentlich gegen Punkt 5« Medicinalverwaltung durch die Gremien erklärt, beschließt die Versammlung 1) daß der Ausschuß sich im Auftrage der Versamm lung mit näherer Erörterung der Angelegenheit beschäftigen, 2) eine Vertretung de- ärztlichen Standes durch Selbstwahl statlfinden, 3) diese aus einer obersten ärztlichen Kammer und 4) aus Gremien der einzelnen Bezirke bestehen solle. — Inzwischen war das Ergebniß der Wahl ermittelt worden. Es fand sich, daß Dresden zum Vor orte, weiter, daß die Aerzte Küttner mit 56, Seidenschnur mit 46, Prof. Richter mit 45, BezierkSarzt Siebenhaar mit 32, Prof. Grenser mit 18 Stimmen zum Vorstande gewählt waren. Man begann bereits, die Abgeordneten auS den Kreisdir.ktionsbezirken durch Zuruf zu ernennen, als ein Mitglied der Versammlung die Wahl durch Stimmzettel, vr. Göschen aber die Zurücknahme des früher gefaßten Beschlusses beantragte, worauf dann dem Vorstande die Veranstaltung der Wahl zu überlassen beschlossen wurde. Mittlerweile hatte sich die Nachmittags fast um die Hälfte schwächer besuchte Versammlung be deutend gelichtet, weshalb vr. Brachmann die Vertagung der Ver handlung auf den nächsten Vormittag beantragte, ohne jedoch die Mehrheit der Anwesenden dafür zu gewinnen, vr. Warnatz berichtete nun über Punkt 4 und 5 (Einheit des ärztlichen Standes ohne Diplomzwang und Lernfreiheit ohne Zwang des Lateinischsprechens). Den «6 4 ausgesprochenen Ansichten trat die Versammlung ohne Weiteres bei; bei Punkt 5 entstand nur eine kurze Diskussion über den Wegfall des Maturitätszeugnisses, in der Sache selbst war man mit dem Berichterstatter einverstanden. Punkt 6 und 7 (Staats prüfung und Konkurs mit Jury) über welche vr. Seidenschnur Be richt zu erstatten beauftragt war, wurden auf Antrag einiger Anwe senden dem Ausschüsse (oder Vorstand) zur nähern Prüfung und Vereinbarung mit andern deutschen Korporationen überwiesen und hierauf die Sitzung und der erste sächsische ärztliche VereinStag halb acht Uhr geschloffen. — Von acht Uhr an vereinigte eine Abendmahl zeit in der Restauration de- Herrn Haßfeld gegen 60 Theilnehmer der Versammlung, wobei es an Toasten (freilich an ergötzlichen und heiteren) nicht fehlte. Leipzig, 22. August. Gestern wurde im Rosenthale der Leich nam eines Mädchens gefunden, das durch eine Schußwunde getödtct worden war. Die Gelödtete ist ein sittlich verwahrlostes Mädchen, welche früher in einem öffentlichen Hause hier gelebt haben soll; der — Mörder, wie man ihn leider nennen muß — ist Schüler der hie sigen Nikolaischule, welcher durch gute Sitten und Fleiß die Liebe sei ner Lehrer und achtbarer Männer sich erworben hatte, die ihn bei seinen Studien unterstützten. Lebensüberdruß und Überspanntheit sollen die Motive zu der schrecklichen That gewesen sein. Da- Mäd chen soll den Tod verlangt haben. Ein unsittliches Verhältniß soll zwischen den beiden Unglücklichen nicht stattgefunden haben. (L. A.) r. Meisten, 19. August. (Koncert zum Besten der deutschen Flotte.) Zu den hervorstechendsten Resultaten des großen Aufschwunges in unserm deutschen Vaterlands gehört das Flüssigwerden der großen, zeitbewegenden Ideen, das Eindringen derselben in alle Kreise der Staatsbürger, selbst solcher, die sonst über die engen Grenzen der nächsten Umgebung selten hinaustraten. Das schüchterne Zurückziehen vor den großen Fragen der Zeit, welche man sonst Denen überlassen zu müssen glaubte, die die Geschichte der Völker zu leiten hatten, ist einem lebendigen Interesse aller Stände an den wichtigsten Angelegenheiten der Nation gewichen. Wenn die Idee einer deutschen Flotte früher nur wenige Weiter blickende beschäftigte und in das Reich politischer Chimären gehörte, so ist sie jetzt der Gegenstand der allgemeinsten Theilnahme geworden, was die bedeutenden Sammlungen in ganz Deutschland — wo sie nicht etwa gar, wie neuerdings in Baiern, verboten worden sind — deutlich zeigen. Auch unsere Stadt hat ein Scherflein dazu bei getragen. Die beiden hiesigen Gesangvereine, die Liedertafel und Harmonie, gaben am 17. August ein Koncert zum Besten der deutschen Flotte, bei dem der deutsche Verein die Geschäftsführung übernommen hatte. Es war sehr zahlreich besucht, und hat einen für die hiesigen Verhältnisse bedeutenden Ertrag geliefert. Nach dem ersten Theile der vorzüglich ausgeführten Gesänge feierte Prof. Schlurick in beredter und allgemein ansprechender Weise die Idee des Festes und ihre Trägerin, die deutsche Einheit, die in dem durch die Vertreter der Nation gewählten Reichsverweser ihren Halt und Abschluß findet. Daran schloß sich der Gesang eines von vr. Milberg gedichteten Liedes auf die deutsche Flotte, an dem sich alle Anwesenden lebhaft betheiligten *). Bis zum späten Abende blieben die Zuhörer versammelt und lohnten den unermüdlichen Sängern durch ungetheilte Aufmerksamkeit. Mag im Verhältniß zu der gewaltigen Aufgabe jeder Beitrag, wie er hier geboten werden *) Es lautete folgendermaßen: Pie deutsche Flotte. Hoch geht die See, es dräut die Wetterwolke, Die Möwe fliegt, die Luft ist schwül und heiß. Noch lebt die alte Krafr im deutschen Volke, Und tausend Hände regen sich voll Fleiß. Wo stolze Segel wallen, Wo kühne Worte fallen, — Dahin, du deutscher Lar zum Ozean Zieh freudig aus und dffne dir die Bahn! Du deutscher Wald, so herrlich auferbauet, Welch freud'ge- Rauschen hat dich denn erfaßt? Die Nachr ging hin, der Freiheit Morgen grauet. Ihr grünen Recken tragt nun Mast an Mast? Wo stolze Segel wallen u. s. f. Was flüstert tief im Schooß der deutschen Erde? Vom Urgestein macht sich das Eisen los. Auf! füge dich zum Anker und zum Schwerte! Weiland, der Schmied, steig' aus des Grabes Schooßr Wo stolze Segel wallen u. s. f- Ihr deutschen Frau'n? Nun laßt die Spindel tanzen Und singt dazu ein Lied voll deutscher Kraft! Flieg', Weberschiff! Auch Du gehörst zum Ganzen! Web' Deine Fäden fest und dauerhaft! Wo stolze Segel wallen u. s. f. Und kommt ein Tag, wo wieder Friede worden, Und alle Völker eint ein Brüderband, Kehrt siegbekränzt vom Süden und vom Norden Ihr deutschen Schiffe heim ins Vaterland! Dann ruh', du deutsche Flagge, Doch halte treulich Wache! Frei sei die Luft, die deine Dämpfer kühlt, Frei sei das Meer, das deinen Boid umspielt! C- Mil berg