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geht nicht mehr unter, sie lebt und wirkt fort und fort, sie vernichtet nach und nach die Handfabrikation so oder so und es kann mithin nur die Frage entstehen, ob Sachsen gar keine Nagelfabrikation, weder durch Hände noch durch Maschinen, haben und die Nägel lieber vom Auslande kaufen will, oder ob es sich neben dem unvermeidlichen Ver luste der Handfabrikation wenigstens die Maschinenfabrikation erhal ten will, bei welcher nach kurzer Zeit der GeschaftSausdehnunq, welche die Maschinen noch überall zur Folge hatten, weit mehr Menschen hände beschäftigt sein werden, als Dies jetzt bei der Handfabrikaticn der Fall ist. Sachsen unterdrückt den Ersindungsgeist nicht, und begeht gleich jedem andern Staate einen Ungeheuern Fehler, wenn es sich nicht vorzugsweise rasch jede vorkommende Erfindung, jede Verbesse rung zu eigen macht. Die dadurch hervorgerufenen Uebelstande sollen gar nicht weggeleugnet werden, sie sind aber nur momentan, und was die Hauptsache ist, sie sind unvermeidlich. Was Herr Minister Oberländer gegen das Reichmachen der Fabrikanten sagt, begreift man nicht recht, denn die Unterstützung war ja nur beantragt, um den durch Schandlhat arm gewordenen Fabrikan ten wieder aufzuhelfen. Wir sind weit entfernt, unserm hochverehrten Minister Ober länder wegen seiner Ansicht einen Vorwurf zu machen; seine reinen Absichten und seine Bestrebungen für das Wohl des Volkes sind uns wie jedem Andern bekannt, wir schätzen ihn hoch! Einer kann aber nie Alles, und Alles Einem zuzumuthen, wäre ein Unrecht. Möchte der Industrie Sachsens daher recht bald ein Handels und Arbeitsministerium gegeben werden, um was schon von so Vielen seit langer Zeit vergebens gebeten worden ist*). Tagesgeschichte. Dresden, 22. August. Sitzung der zweiten Kammer. Auf der Registrande befindet sich unter Anderm eine Petition um Aufrechthaltung des Zweikammersystems aus Reinhardsgrimma und einigen andern Dörfern und eine des deutschen Vaterlandsvereins zu LeiSnig auf sofortige Vorlegung des neuen Wahlgesetzentwurfs, Her stellung des Einkammersystems, woran der Abg. Wehner, um dem Wunsche der Petenten so gut als möglich zu genügen, die Ankündigung einer Interpellation knüpfte, dahin gehend, bis zu welchem Zeitpunkte die Kammer die Vorlegung des genannten Entwurfs erwarten könne. Vor Beginn der Tagesordnung stellte auch der Abg. Stockmann einen Antrag auf Aufhebung der ßtz. 6 und 8 der Verordnung von 1845 (die Brandversicherung betreffend); der Antrag wurde mit einem Zu- satzantrage des Abgeordneten Gehe der dritten Deputation zugewiesen. Sodann ging die Kammer zur Berathung des Berichtes der zweiten Deputation (Referent Meisel) über, den Anschluß des Markgra» fenthums Oberlausih an die alterbländische Jmmobiliarbrandversiche- rungsanstalt betreffend. In Folge des Antrags der oberlausitzer Stände auf Anschluß der Oberlausitz an die alterbländische Jmmobi- liarbrandversicherungSanstalt und des Entwurfes zum Abschluß eines diesfallsigen Vertrags hat die Regierung den Ständen ein Dekret vor legen lassen, um die ständische Zustimmung zu Abschließung dieses Ver trags einzuholen. Die Deputation hat jedoch der Kammer nicht anrathen können, auf die Berathung des Entwurfs einzugehen, vielmehr der Kam mer angerathen.ihreZustimmung zu demVorschusse, der für dieOberlausitz von der alterbländischen Brandkasse, dem Vertragsentwürfe gemäß, in Anspruch genommen wird, zu versagen und es den Oberlausitzer Stän den zu überlassen, ob sie für Beschaffung der zur Deckung desselben er forderlichen baaren Mittel selbst sorgen, dennoch aber alSdann der alt erbländischen Brandversicherungsanstalt unter den in dem Partikular vertrag bereits gestellten Bedingungen beizutreten sich erklären wollen, in welchem Falle es einer besonder« Einwilligung zu Adschließung des Vertrags Seiten der Kammer zur Zeit noch nickt bedürfen wird. Nach längerer Debatte, an der sich besonders die Abgeordneten Schenk, *) Wir glaubten dieser Stimme aus dem Gebirge über eine so wichtige Frage Aufnahme in dieses Blatt nicht versagen zu dürfen, obgleich wir mit tcn Schlußfolgerungen des Herrn Verfassers nicht ganz einverstand.n sind. Die Redaktion. , Sachße, Riedel, Reiche-Eisenstuck, RegierungSkommiffar Lucius, Wehner', Evans und Unger betbeiligten und während welcher der Abg. Schenk eine Erklärung abgab, aus welcher hervor ging, daß die Oberlausitz für Beschaffung der nöthigen Geldmittel zur Deckung ihrer Brandkassenpassiva selbst sorgen werde, wird dieselbe ge gen 14 Stimmen für geschlossen erklärt. Bevor jedoch zur Abstim mung geschritten wird, führt der Antrag des Abg. Sachße auf na mentliche Abstimmung eine Anfrage des Abg. Geißler an das Prä sidium herbei, wie der ß. 96 der Landtagsordnunq in dieser Hinsicht zu interpretiren sei. Obgleich sodann der Abg. Sachße seinen Antrag zurückzieht, nimmt ihn der Abg. Tzscbirner wieder auf und es ent- spinnt sich nun eine längere Debatte über diesen Gegenstand, während welcher sich die Abgg. Wehner, Metzler, Tzschirner, Evans für die Ansicht des Präsidiums und die bisherige Praxis aussprechen, die Abgeordneten Dr. Haase, Geißler, Schenk jedoch für nöthig erachten, daß über einen solchen Antrag allemal erst die Kammer entscheiden solle, und Abg. Haase stellt einen Antrag in diesem Sinne, den er jedoch spater wieder zurückzieht. Das Präsidium erklärt, daß es, so lange die Kammer nicht etwas Anderes beschließe, bei der zeitheriqen Praxis verbleiben werde, und da kein Widerspruch erfolgt, so wird mit Namensaufruf abgestimmt, und der I. Theil de- Gutachtens bis zu den Worten: „Mittel selbst sorgen" gegen 5 Stimmen (Hermann ans Auritz, Hermann aus Spittwitz, Riedel, Tzschirner, v. Nostitz), der 2. Theil desselben einstimmig genehmigt. Da dieDeputation eventuell eine Berathung des Entwurfs für rathlich erachtet hatte, so ging die Kammer darauf ein und genehmigte die Depulationsanträge ohne Abänderung. Z Dresden, 21. August. Gestern Vormittag- 10 Uhr er schienen auf Einladung des Dresdner ärztlichen Verein- im Saale der Stadtverordneten über 150 Aerzte, worunter eine große Anzahl Einheimischer, zur gemeinsamen Besprechung der vom genannten Vereine als Hauptzielpunkte der Medicinalreform ausgestellten Sätze. Es befanden sich unter den Anwesenden die Aerzte aller Klassen, am stärksten die erste, vertreten ; von außersächsischen Aerzten waren Dr. Gölis aus Weimar, Prof. Oppolzer aus Prag und Prof. Plüsch! aus Wien zugegen. Die anwesenden Studenten beschloß die Ver sammlung vom Stimmrechte auszuschließen. Der provisorische Vorsitzende, Dr. Küttner von Dresden, welcher die Anwesenden bewillkommt, die Geschäfts- und Tagesordnung vorgetragen und bei der Versammlung auf Oeffentlichkeit derselben, womit man allenthalben einverstanden war, angetragen, wurde durch Zuruf zum Vorsitzenden, Dr. Göschen von Leipzig in gleicher Weise zu dessen Stellvertreter, Dr. Seidenschnur von Dresden und v. Keller aus Leipzig zu Schriftführern erwählt. — Ueber den ersten Antrag des Dresdner Vereins: Bildung eines permanenten Ausschusses zur Vertretung und Wahrung der ärztlichen Interessen und zur An bahnung gleichförmiger Medicinaleinrichtungen für ganz Deutsch land — erstattete Dr. Brückmann von Dresden Bericht. Dieser Ausschuß soll 1) sein Bestehen der Regierung anzeigen, damit dieselbe bei etwa beabsichtigten Umgestaltungen die Ansichten dec Mehrheit der Aerzte zu erfahren Gelegenheit habe, 2) alle wichtigem, Aufschub erleidenden Schritte, die er in Medicinalreformangelegenheiten zu tkun gesonnen ist, in einem als officiell anerkannten Blatte (es wurde dazu das „medicinische Reformblatt" bestimmt) anzeigen und zur Erörterung bringen, 3) in dringenden Fällen befugt sein, sofort selbstständig zu Werke zu gehen, 4) mit außersächsischenärztlichen Vereinen Verbindungen anknüpfen, um dadurch möglichst gleich mäßige Medicinaleinrichtungen in ganz Deutschland anzubahnen, 5) von Zeit zu Zeit in dem obigen Blatte über seine Thätigkeit Bericht erstatten und mindestens nach Jahresfrist einer anderweiten Hauptversammlung der Aerzte über sein Wirken Rechenschaft geben. Bei der hierüber eröffneten Besprechung machte Dr. Groh aus Nossen darauf aufmerksam, daß auch die pharmaceutischen und thier ärztlichen Interessen in dem Ausschüsse vertreten sein müßten, womit Dr. Siebenhaar, Dr Göschen und Dr. Seidenschnur übereinstimmen. Letzterer stellt den zuletzt auch angenommenen Antrag, daß der AuS schuß in den geeigneten Fällen pharmaceutischen und thierärztlichen Beirath zuziehen solle. Eine längere Besprechung veranlaßte die Frage, ob einer der bestehenden ärztlichen Vereine oder ein frei gewählter Ausschuß (aus Ärzten verschiedener Landestheile) mit dem