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650 den, statt solche, mindestens in den Erblanden, den vorhandenen Aem- rern einzuverleiben oder bei letztem ungetheilt zu lassen. 2) Al- man im Jahre 1^37 einen Gesetzentwurf wegen Ueber- nahme sämmtlicher Gerichtsbarkeit an dieStande brachte, beabsichtigte man nur 20,000 bi« 25,000 Seelen zu einem Bezirke zu vereinigen, und glaubte, lehterm ohne Benach- theiligung der Justizpflege in der Regel keine größere Au-dehnung ge ben zu können. 3) Obwvhl vom königlichen Justizamte Dre-den I. Abtheilung alle Kriminal-, Rügen- und Verwaltung-sachen getrennt sind und dasselbe außer der Friedrichstadt und einzelnen andern Stadtgedäuden nur noch die AmtSdörfer de-Amtsbezirk- und die allerdings zahlreichen Exemten umfaßt, so hat diese Behörde bekanntlich doch einen so mon- strösen Umfang, daß sich die Geschäfte nur schwer übersehen lassen und ein äußerst zahlreiche- Personal angestelkt ist. 4) Mit wenigen Au-nabmen, wo auch die ländliche Bevölke rung auf einen engen Raum zusammengedrängt ist, müßten in man chen Bezirken sehr viele Gericht-verwandte nicht blo- 2, sondern 3 bi- 4 Stunden, auch wohl noch weiter gehen, um in den Sitz des Ge richt- zu gelangen, wodurch ihnen große Beschwerde erwachsen würde. 5) Da es schon an sich, geschweige denn beim Wechsel des Be- anttmperscmalS, zu deo Unmöglichkeiten gehört, unter einer so großen Anzahl von Gericht-verwandten die einzelnen Individuen näher ken nen zu lernen, so dürften in den zahlreichen Fällen, wo sich'- um die Person-identität handelt, umständliche Nachweise, insbesondere die Be gleitung von Ort-gerichten nicht zu umgehen sein, und hierdurch, namentlich für entfernte Orte, spezielle Kosten und Weiterungen ent stehen. 6) Mag man auch die neuen Untergerichte mit einem sehr star ken Personale besetzen, so wird doch bei einer Anzahl von 50,000 bis H5.000 Gericht-untergebenen öfters der Fall Vorkommen, daß wegen gleichzeitiger und überhäufter Anmeldung von Rechtsuchenden tempo räre Stockungen in der Expedizion, namentlich in Aufnahme der An bringen und Protokolle, eintreten, die um so nachtheiliger einwirken, je weitern Weg jene zur GerichtSstelle machen mußten. 7) Ein Hauptbedenken gegen zu umfängliche Untergerichte giebt endlich der Mangel an passenden Lokalitäten ad. Abgesehen davon, daß an mehrer» Orten ganz neue Gerichtshäuser zu bauen sind, wür den auch die schon vorhandenen fast ohne Au-nahme für den Geschäfts betrieb nicht au-reichen, und weder den nökhigen Gelaß für die Ar beitsstellen der zahlreichen Beamten und Subalternen, noch für die sich häufende Unmasse der aufzunehmenden alten und fortzuführenden neuen Akten gewähren. Erwägt man ferner, welchen Raum nicht blo- die vereinigten Archive vieler Orte, sondern auch die Unter bringung von Effekten jeder Art in Konkursen, Untersuchungen, Ver lass,nschaften, Auspfändungen rc. erheischen, wie zweckmäßig es ist, wenn außer dem HauSmanne wenigsten- noch der Direktor das Ge- ricbt-hau- bewohnt, welche besoodern Lokale für die Sessionen zu Ab fassung von Zivil- und Kriminalurteln, ingleichen für die Assisen und da- Publikum erforderlich sind, und wie viele Gefängnißzellen das Arresthau- enthalten muß, so kann man sich leicht einen Begriff von der Kostspieligkeit der respektiven neuen, sowie der Erweiterungsbauten machen. . ' Nach allem Vorstehenden dürfte sich die Ansicht rechtfertigen, daß bei der neuen Organisazion der Untergerichte in der Regel nicht mehr al- 25,000 Seelen zu einem GerichtSbezirke zu schlagen, und diese Zahl nur ausnahmsweise bei volkreichen Städten, stark bevölker ten Gegenden, wo sich auf einem kleinen Areal eine bedeutende Men- fchenmasse konzentrirt, und solchen Landstrichen, die in Ermangelung eine- andern an einen gewissen Vereinigung-punkt gewiesen sind, zu überschreiten sein möchte. Sowohl zu besserer Uebersicht, als Förderung der Geschäfte, auch Kontrole der Verantwortlichkeit würde eS dienen, wenn mitAu-nahme der kvllegialisch adzufassenden Erkenntnisse in Zivil- und Kriminal» fachen eine departement-mäßige Behandlung der Geschäfte vorgeschrie- den würde und dlos bei persönlichen Verhinderungen oder amtliche» Vakanzen eme gegenseitige Sublevazion einzutreten hätte. Daß übrigen- die neue Gerichtsverfassung bei den enormen Ko sten, die sie wegen Erbauung neuer und resp. Erweiterung alter Lvka- lien transitorisch, in Bezug auf den sonstigen Aufwand namentlich die Kriminaljustizpflege dagegen für die Dauer erheischt, eine ange messene Erhöhung der Sporteln zwar nicht im Allgemeinen, wohl aber in einzelnen Ansätzen besonders der votuntären Jurisdikzion und der Depofitengebühren, vielleicht auch der Stempelabgabe bei Käufen und Erbschaften, die keinen Notherben zvfallen, nach sich ziehen muß, wird wohl Niemand bezweifeln, auch Jedermann gewiß um so billiger fin den, als die Gesammtheit der Staatsbürger nur bei der Strafrechts pflege wesentlich betheiligt ist, während andere Rechtsangelegenheiten blos da- spezielle Interesse einzelner Individuen, Korporazionen und Kommunen berühren, zu deren Gunsten eine Ueberbürdung der Steuer pflichtigen kaum zu rechtfertigen sein würde. X. Verhandlungen der Nazionalversammlung. Frankfurt, den. 17. Juni. Siebzehnte Sitzung (von 10—4 Uhr). Nach Verlesung de-Protokoll- und der inzwischen eingegangenen Einläufe begann die Sitzung mit einigen Reklamazionen und einer in Folge derselben sich entspinnenden Debatte, ob alle während der Sitzung eingehenden Amendement- gleich verlesen und demnächst in daS Protokoll ausgenommen werden sollten. Besonder- die Abge ordneten Zimmermann au- Spandau und Wesendonck sprachen sehr lebhaft für die sogkeiche Verlesung der Amendement- und verlangten, daß augenblicklich ein Beschluß darüber, daß Dies stet- geschehe, ge faßt werden solle. Der Abg. Vogt au- Gießen bestieg darauf die Rednerbühne und tadelte es hart, daß in der letzten Sitzung der Prä sident vom Präsidentenstuhle au- gesprochen und so wesentlich an dem Au-gange der Abstimmung über den Marineau-schuß beigetragen habe. (Dem Präsidenten wurde bei dieser Gelegenheit ein fast einstimmige- Lob der Versammlung zu Theil.) Der Antrag Herrn Zimmer mann'- wurde darauf mit großer Majorität an den Ausschuß für die Geschäftsordnung verwiesen. Abg. Wesendonck sprach alSdann über den Ausfall der Sitzung am 16., die ursprünglich hatte stattfinden sol len, aber aus Mangel der eintreffenden Berichte hatte ausfallen müssen, und tadelte, daß der Präsident eigenmächtig diese Aussetzung bestimmt habe. „Man müsse alle Tage Sitzung halten, denn man wäre hier, um zu arbeiten und nicht zu feiern (Bravo der Galerien), daher wäre diese Aussetzung nicht zu entschuldigen, denn auch ohne Kommis- sion-berichte hätte man Stoff zu wichtigen Anträgen gehabt/' so war seine Rede. Er beantragt daher, daß ein« für allemal beschlossen würde, regelmäßig alle Tage mit Ausnahme de- Sonntag-Sitzungen zu hal ten. Der Präsident v. Gagern vertheidigt sich auf wirkungsvolle Weise gegen den ihm gemachten Vorwurf. Die Ausschüsse hätten mit dem besten Willen keine Kommissionsanträge vorbereiten können und sogar keine Tagesordnung sei zu machen möglich gewesen. (Bravo.) Abg. Jordan au- Berlin tadelt, daß hier Feiertage gemacht würden, während die Ereignisse sich überstürzten, und führt alle Tumulte an, die stattgefunden haben, während die Versammlung schon vereint ge wesen sei. Die- müsse nothwendig zur Mißachtung der ganzen Na zionalversammlung im Volke führen, und ,S werde bald allgemein heißen, die Nazionalversammlung komme nicht aus der Stelle und zö gere und zögere, theil- absichtlich, theil- au- Bequemlichkeit. Seine sehr auf den Beifall der Galerien, der ihr auch reichlich zu Theil ward, berechnete Rede hatte stet- dm Refrain: „In Prag schlägt man sich auf den Gassen, und wir, wir machen Feiertage, Triest wird vom Feinde beschossen, und wir, wir machen Feiertage, ganz Deutschland harrt mit Sehnsucht auf Erledigung der wichtigsten Fragen, und wir, wir machen Feiertage. Allgemeiner Unwille der Versammlung über diese Rede, die der Präsident auch dem Abg. Jordan verweiset, der sich dagegen zu vercheidigen sucht, was ihm aber nicht gelingen will. (Lachen und Zischen in der Versammlung, Beifall von den Galerien.) Abg. Vischer au- Tübingen spricht viel, aber etwas unklar über den schlimmen Eindruck, den die Nazionalversammlung auf da- Volk machen müsse. „ES sei überall Mißtraum im ganzen Volke, weil es nicht vorwärt« in Frankfurt gehe, und man behaupte oft, man müsse nur kommen und ihnen helfen. ES solle daher womöglich die größte Beschleunigung in Allem eintreten und de-halb auch am morgenden Sonntag eine Sitzung gehalten werden." (Bravo der heute zahlreich