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Diese Nummer umfaßt 14 Seiten. Außerdem liegt da, achtseitig« illustrierte Sonniagsblatt b« . Das Wichtigste vom Tage. Ein Teil der dem Kaiser zugefallenen Knorrschen Erbschaft wird voraussichtlich zur Errichtung eines Flugstützpunktes in Plauen i. V. Verwendung finden. * Der deutsche Ausschuß für die Weltausstellung in San Francisco beschloß aufs neue, sich um U n - terstützung an die amtlichen Stellen zu wenden. * Gegen die Einführung einer Arbeitslosen versicherung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage hat gestern die in Hannover abge. halten« ArbeitsnachwetskonferenzdesVer Lande» deutscher Arbeitgeber Protest e- hoben * Die bayerische Kammerder Retchsriite gaben gestern ihre verfassungsmäßige Zu st im- mung zur Beendigung der Regentschaft. In Lo ndon ist gestern Alfred Rüssel Wallace, ein Zeitgenosse und Mitkämpfer Tharles Dar wins, im Alter von 01 Jahren gestorben. * Informationen du» bester Quelle zufolge wird Essad Pascha die Kandidatur de» Bruder» de» türki schen Erbprinzen, Abdul Medschid, auf den Thron von Albanien unterstützen. Nähere» steh, an andsrer Nochmals äie deutsch - englischen Derhanälungen. XV Wir hatten kürzlich an dieser Stelle uns mit den deutsch-englischen Verhandlungen beschäftigt und dabei einen Artikel des Schriftsteller» Arthur Diz zittert, Ver In den Nationalliberalen Blättern an die Reichsregierung die direkte Frage richtete, ob sie in der Lage ist, mit derselben Bündigkeit, mit der sie die Einbeziehung einer Abtretung Sansibars in die deutsch-englischen Verhandlungen demen tiert hat, festzustellen, daß weder über einen Verkauf Deutsch-Ostafrikas noch eine allmählich« Um gestaltung dieser .Kolonie zu einer britischen In teressensphäre -verhandelt worden ist? In einem Berliner Telegramm der Köln. Ztg. wurde daraufhin mit- geteilt, daß die Antwort der zuständigen Stelle auf diese Frage uneingeschränkt bejahend laute. Dazu schreibt nun Dix in seinem Deutschen Boten: Man wird sich entsinnen, daß vor etwas mehr als zwei Jahren offi ziöse Federn auch mit der Erklärung bei der Hand waren, daß in den deutsch-französischen Verhandlungen von damals über die Weggabe von Togo nicht verhandelt worden sei, nachdem die deutschen Kolonialfreunde kurz zuvor du-ch an dere offiziös« Federn darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß man tatsächlich amtlicherftits die Bereit schaft gezeigt hatte, das klein« Kellergeschäft Togo aufzu- geben, um das große Warenhaus Deutsch-Mittelafrika besser ausbauen zu können. Nicht nur in dieser Erinne rung geben wir dem Dementi der Kölnischen Zeitung un sere eigene Bewertung, wenngleich wir es gern als Tat sache hinnehmen, daß zurzeit die Weggabe Deutsch-Ost- afnka,, nicht unmittelbar in Frage steht. Mittel bar bleibt nach dem Charakter der deutsch-englischen De'- Handlungen und durchaus bvqreif'ichen Bestrebungen eng- 'is-i^r Wc'tpolifik die Zukunft D"utsch»Ostafrikas eben als Deu tsch-Osta rlka gefährdet; und auch das Demen i der Kölnischeii Zeitung kann — darüber ist eine Täuschung gar nicht möglich — sich lediglich auf eine recht umgrenzte Gegenwart beziehen. Daß in verschiedenen Epochen der Vergangenheit an außerordentlich maßgebender Stelle die Neigung zu einer Behandlung die ser Kolonie als Tauschobjekt wiederholt zutage getr«. ten ist, Mt sich angesichts der dafür vorhandenen einwand freien Zeugen schlechterdings nicht aus der Welt diskutie ren! Wir enthalten uns gern eines näheren Eingehens auf diesen Punkt, werden aber nicht aufhören, ihm auch in Zukunft die Aufmerksamkeit zu schenken, die ihm zu wid- men wohlunterrichtete Kolonialfreunde sich schon lange aus ganz bestimmten Gründen veranlaßt sah«n. . . . Wtt haben dieser Replik auf die offiziöse Antwort vor- läufig nicht» hinzuzufüg«n. Bemerken möchten wir nur noch, daß auch sonst in der Presse das Vertrauen in die uneingeschränkte Bejahung der Frag« bezüglich DeutschOst- asrikas nicht allzu stark ist. So bezeichnet z. B. der Mann heimer Generalanzeiger wohl die Erklärung der «Köln. Ztg. al» erfreulich; man könnte sogar au» ihr günstig« Schlüffe auf die deutsch^nglischen Verhandlungen ziehm. Aber, so sagt da» Blatt weiter, mit solchem Optimismus müssen wir noch zuwarten, wir haben schlechte Erfahrungen genug auf dem Gebiete der Vertretung unserer auswärtigen Inter essen gemacht, die Liquidation unserer wirtschaftlichen und politischen Ansprüche in Borderasien, die ja ganz augen scheinlich im Zuge ist, ermuntert auch nicht zu großem Ver- trauen. Die Gründe, aus denen das Mißtrauen gegen die auswärtige Politik der Reichsregterung emporwächst, sind so mannigfaltig und stark, daß auch UeLerspannungen dieses Mißtrauens durchaus nicht verwunderlich sind, sie fallen letzten Endes der Regierung zur Last. Und im Ausland wird man -sich fragen, wie muß der Kredit eines Reichskanzlers beim Volke beschaffen sein, dem ernste Patrioten sogar schon die direkte Verschleuderung wertvollen koloniale-: Besitzes zutrauen, nachdem sie ihm schon lange die bittersten Borwürfe daraus gemacht haben, daß er un seren weltwirtschaftlichen Aktionsradius so gar nicht zu er weitern vermag. Sollte in der Frage, die Arthur Dix an die Reichsregterung richtete, wirklich ein» solche Ueberspan- nung des Mißtrauens vorliegen — niemand brauchte sich über das Vorkommnis zu wundern, es wäre eine psycholo gisch ganz natürliche Reaktion gegen ein- Politik, die bi» heute wenigstens weder Kraft noch Entschiedenheit gezeigt hat. Ueber M SsMagsarbeit «.aMreSämy- destimmungen Oer sisnMMgelMrn. Bon juristischer Seite wird dem Auer Tageblatt ge schrieben: Ilnte: den Entwürfen, die dem Reichstag vom Bundesrat in diesen Tagen zugehen, befindet sich auch eine Vorlage über die Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbr. Diese schränkt die Sonntags arbeit noch mehr als bisher ein, hält aber als Regel die Beschäftigung an Sonntagen bis zu drei Stunden fest, di« durch Ortsstatut völlig aufgehoben oder zeitlich eingeschränkt werden kann. Das neue Gesetz bleibt also noch wett von dem in England herrschenden Zustand entfernt, wo Sonn- tags jedes Gewerbe ruht und auch die Verkehrsetnrtchtun- gen ihre Tätigkeit ganz erheblich beschränken müssen. Bei dieser Gelegenheit erscheint es angebracht, auf verschiedene Vorschrift?» hinzuweisen, die jetzt schon in Geltung sind und im neuen Entwurf b«ibehalten werden, die jedoch oft über treten werden. Beim Publikum und auch bei den Geschäfts leuten herrscht vielfach darüber Unklarheit, ob an den Sonn tagen das sogenannte Ausbedtenen der Kunden zulässig ist. Darunter versteht man das Zuendebe-dienen aller der Käufer, die zur Zeit des Ladenschlüsse» den La- den betreten, ihre Einkäufe aber noch nicht beendet haben Dies ist an Sonntagen verboten und nach 8 146 ». der Ge werbeordnung mit Geldstrafe bis zu 600 Mark oder Haft zu bestrafen; im Wiederholungsfälle können die Strafen noch erhöht werden. Dao Gesetz spricht allerdings diese Be stimmung nicht direkt aus, sie folgt aber unzweideutig der Vorschrift, daß innerhalb der verbotenen Zeit jeder Ge- schäfts« und.Gewerbebetrieb und jede Beschäftigung von Gehilfen und Angestellten untersagt ist. Die Rechtsprechung nimmt auch ganz «allgemein diesen Standpunkt ein und be straft jede Zuwiderhandlung. Anders steht es mit dem Ausbedienen an Wochen tagen. Da ist in 8 139 e Abs. 1 der Gewerbeordnung aus drücklich bestimmt: Die beim Ladenschluß im Laden schon anwesenden Kunden dürfen noch bedient werden. Diese Vorschrift ist zu einer Zeit entstanden, wo man die mo dernen Waren- und Kaufhäuser nicht kannte. Sie kann deshalb nicht dahin ausgedehnt werden, daß nun ein Käu fer, der Leim Ladenschluß schon anwesend war, noch an ver schiedenen Kausständen seine Einkäufe erledigen darf. Viel mehr ist anzunehmcn, daß der Gesetzgeber nur eine ange messene Frist bestimmen wollte, sodaß also nach höchstens einer halben Stunde jeder Käufer den Laden verlassen Ein Morä. Trotzdem eine Humoreske von Tophu» Flöte. Nachdruck «rboten Eisig sauste der Nordwind durch di« Novembernacht. Die großen zackigen, im Umriß phantastischen Luftschiffen ähn- lichen Wolken, die sich immer schneller am Vollmond vorbei hetzten, würden sich wohl schon in einigen Tagen in lustig herabklingelnds Schneeflocken auflösen. Vorläufig aber ver schob sich das von Sekunde zu Sekunde wechselnde Jagdspiel oben am Himmel zu unheimlichen Fratzen, jetzt wieder zu seltsamen Blumen, eben zu einer heroischen Landschaft, schließlich zu täppisch herantrottelnden, vorsindflutlichen Ungeheuern. Derjenige, der diese Beobachtung durch zwei leuchtende Hornbrillengläser mehr mit einer gewissen Furcht, als mit Staunen anstellte, war der erst seit dem Sommer pensionierte Stadtschreiber Willibald Zwetschge. Aber viel mehr beunruhigte ihn der Umstand, der in seinem gar nicht so kurzem Leben bisher noch niemals eingetreten war und — hoffentlich! Lachhaft einfach! Nach dem zweiten Schop. pen Münchener! — sich wohl nicht so bald wiederholen würde, der Umstand, daß der Begründer de» Stammtische» Edelweiß 1873 sich bereit» kurz nach zehn Uhr auf dem Heimwege befand. Herr Zwetschge wäre gar nicht so ab- geneigt gewesen, dieses unglaubliche Faktum als krankhaft zu LenaMsen, wenn er sich nicht über den fieseren Grund, etwas schamhaft zwar, ganz klar gewesen wäre. Wer hatte eigentlich heute abend mit dem Unfug angefangen, Gefpen- stergeschichten zu erzählen? Natürlich wieder dieser sem- melblonde Forstadjunkt au» Pommern! Dabei war ge- rade das Bier so wundervop frisch angestochen gewesen. Und einen Rettich hätte er sich gen Mitternacht auch noch gelei. stet! Es war zu ekelhaft. An dem Zittern, das jetzt Herrn Zwetschge heftiger be- fiel, war nnfittfich nn? d'rft? schneidig«, schreibet Nord- — Ja — aber — nein — wo ist denn der Unglückliche? Hat man ein Messer'-—>? Ist es Ihr Herr Gemahl? Ihr Vater? Ihr Bruder? stotterte der Stadtschreiber in höch ster Verwirrung heraus. — Kommen Sie und hören Sie. Der Aermste muß furchtbar leiden. Ach, es ist vielleicht schon zu spät, wenn wir ihm Noch zwei Häuser weiter! Hörei, Sie sein Stöhnen noch nicht? Ach, es ist zu schreck- lich! Ich stehe hier schon seit einer viertel Stunde und warte, daß jemand kommen soll. Die Polizei ist natür lich einmal wieder überall, nur nicht hier. Sie müssen näm lich wissen, daß ich mich — zum ersten Male in meinem Le ben! Kaffeekränzchen war bet meiner Freundin, der Frau Rechnungsrat Semmelmair — überreden ließ, bis zuletzt zu bleiben, wo man die Häuser doch schon verschlossen hat. Himmel, jetzt stirbt uns der da hinter der Tür! Wie mö gen sie ihn nur zugerichtet haben! Bleiben Sie schon hier. Indes ich zur Polizeistation auf den Markt laufe. In drei, vier Minuten müssen wir ja Meder zurück sein. — U,nd ebensoschnell, wie die verschleierte, zitternde Fremde auf getaucht war, verschwand sie auch schon wieder im Dunkel der unheimlichen Nacht. Der Mond war ganz hinter immer dichteren Wolken verschwunden, während Herr Zwetschge sein aufs Höchste aufgeregtes Ohr gegen die Haustür legt«, hinter der das letzte Todesröcheln eines Menschen bald leiser, bald lauter nicht zur Ruhe kommen wollte. Ein grauenhafter Verdacht stieg in ihm auf. Wie — wenn die Unbekannte ihn nur hierher gestellt hätte, um besser zu entkommen, um ihn viel leicht selbst mit der entsetzlichen Tat in Verbindung zu Lrin- gen? Aus den paar Minuten, in denen es sich, nach dem Stöhnen, Wimmern zu urteilen, noch immer um ein qual volles Lebensende handelte, wurde eine viertel, «ine halbe Stunde. War es nicht zweckmäßiger, selbst noch nach der Wache zu eilen, als hier so hilflos untätig zu stehen und nur zu lauschen, wie Da» Auftauchen eine» Helme» neben der hast'g wieder hrr-—keuchenden schwarzen Dam«, der wind schuld. Nein — Ehrlichkeit über alles! — ein ganz klein wenig auch di« Wollust der Stammtischrunde, sich durch da» Erzählen von Spukgeschichten gegenseitig zu übertrump fen. Eino Kunst, die sie bei mancher Skatpartie Lesser hät ten anwenden können! Als hiermit einen alten Mann aus der abendlichen Gemütlichkeit in sein unfreundliches Junggisellenheim zu jagen! Alter Mann? Wer hatte das gesagt? Junggesellenheim, jawohfl Aber unfreundlich? Der Herr Stadtschreiber blieb ärgerlich stehen und blickte lange die menschenleere Rosinenstraße hinab. War er nicht gerade jetzt erst, nach Auszahlung eines nicht unbeträchtlichen Lotterlegewinns, der ihm seine sofortige Pensionierung ge stattet hatte, im reiferen Mannesalter ein für Hymens Rosenfesseln sonderlich geeignetes Objett? Und lag es nicht ganz in seiner Macht, die alte alberne Schüchternheit ab zustreifen und irgendeiner der für ihn in Bettacht kommen den älteren — ach was, jüngeren! Damen sein Herz und Heim anzubieten? Dieselbe dumm« Schüchternheit, die ihn stets daran gehindert hatte, «inen blühenden Blumentopf aus feinen Bureaufisch zu setzen, bloß weil er von seinem Vorgesetzte» «inen Tadel, und fei'» selbst nur den eines Wicke», gefürchtet hatte. Furcht? Nein, da» war nur Diplomatie gewesen. Er war kein Bangebüx, wie ihn ein mal die Mitschüler arg gehänselt hatten. Und dennoch — würben sie seinen so schlecht mit plötzlichen Kopfschmerzen begründeten Aufbruch heute abend nicht ebenso spöttisch be krittelt haben? Die eiligst auf ihn zustürzende Erscheinung einer schwar zen, tiefverschftierten Dame zerriß rauh das zarte Gewebe seine: stummen Erwägungen. Wollte man ihn überfallen? Wollte die Fremde seinen Schutz in Anspruch nehmen? Herr Zwetschge fühlte, wie es ihn eisig und eisiger durchrieselte. Mein Herr! stieß die Dame Hastig hervor, mein Herr, haben Sie die Barmherzigkeit und kommen Sie einem Schwerver- wundeten zu Hilfe! Oder bleiben Sie wenigstens so lange ' ih- bis ich dl- Pdttzei. Lis ich einen Arzt gehest H-Sr.