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Dir Tochter des Äoin rols. Lö4 „Oh. nicht viel, mein Heu," entgegnete Raimund, der sich üb« den nichtachtenden Empfang, der ihm hier zuteil wurde, ärgerte, „ich lamme einzig und allein, um das Schloß zu sehen, da, seit kurzem mir gehört." „Ihnen?... Wie ist das möglich?".... „Ganz einfach dadurch, daß ich der Erbe meiner Tante bin, mein Herr! ... Mein Ram« ist Raimund Eontier." „Raimund Eontier," rief der Baron, dessen Gesicht sich plötzlich wie von einer großen Freude erhellte. „Dann lassen Sie uns nur sogleich Bett« sagen, denn das find wir ja. Ali«, umarme ihn und rufe deine Mutter, die über seinen Besuch hoch erfreut kein wird." Fräulein Alice kam dem Wunsche ihres Laters nach. Sie umarmte ihren Letter, allerdings nur in ruhiger Weise und ging dann, ohne sich sonderlich zu beeilen, hinaus. „Aber treten Eie doch in den Salon ein," sagte Herr von Menard zu Raimund. „Ich vermute. Sie haben noch nicht gefrühstückt. Eie bleiben übrigens bei uns," fügte er mit der größten Liebenswürdigkeit hinzu. Bald darauf «schien die Baronin, eine schon recht reife Schönheit, von großer und magerer Figur. Sie hatte ihre Techter am Arm und befand sich in einem Negligch daß dem jenigen des Barons nichts nachgab. Die herzliche Begrii- ßungsszene wiederholte sich. Raimund besaß Menschenkenntnis genug, um sich von diesen Demonstrationen nicht irre machen zu lasten. Er ließ fie kühl und ruhig, wenn auch nicht unfreundlich, über sich ergehen. Der scharfsichtige Baron mochte seine Gedanken «raten, denn « schnitt di« liebenswürdigen Phrasen seiner Frau kurz ab. „Run, meine Lieben," sagte er, „genug des Geschwätzes und der Höflichkeiten!.... Der Vetter hat noch nicht gefrüh stückt. Inzwischen wollen wir uns meine Vögel ansehen," fügte « zu Raimund hinzu. Er ließ den Gast in eine Art Treibhaus treten, wo drei oder vi« sehr große Käfige auf Gestellen umherstanden, die mit allerlei teils einheimischen^ teils exotischen Vögeln angefüllt waren. „Hier stelle ich Ihnen meine Freunde vor, Bett«!" sagte «. „Das ist meine Liebhaberei." Er tat so unbefangen, als ob der Besuch seines Eastes keinen andern Zweck habe, als das Vergnügen, die gegen seitig« Bekanntschaft zu machen. Eine halbe Stunde später saß Raimund im Speisezimmer zwischen den beiden Damen, die schnell Toilette gemacht hatten, wodurch fie allerdings vorteilhafter erschienen. Ein starker Geruch von Poudre d« riz verbreitete sich im Zimmer und vermischte sich mit dem Dust gebratener Zwiebeln und des Eierkuchens, der die gesunde Gewohnheit einfachen länd lichen Geschmackes dokumentierte. Rach dem Mahle gab es Gelegenheit zur Plauderei und es war Raimund lieb, zu bemerken, daß der Baron sich etwas zurückhaltender zeigte. Er widmete sich jetzt mehr der Baronin, die schon darauf ge wartet zu haben schien, mit ihren gesellschaftlichen Fähig keiten glänzen zu können. Sie spielte trotz ihrer Jahre offenbar immer noch gern ihre Rolle und zeigte in geschickter Weife eine Koketterie, die lebhaft an ihre frühere Stellung beim Theater erinnerte. Rach Verlauf einer Viertelstunde hatte Raimund bereits mehrere Male von ihr erfahren, daß fie «ine Frau comme il faut sei. Fräulein Alice von Menard, die ein weißes Kleid mit himmelblauer Schärpe angelegt und ein Beilchenbouquct im Gürtel befestigt hatte, ähnelte ihrer Mutter in erstaunlicher Weise und vibrierte genau wie diese beim Sprechen. Ihre Jugendreize, der Zauber ihrer zweiundzwanzig Jahre, kontrastierten etwas gegen die stolze Haltung, die fie in ihr« Eigenschaft als „Weltdame" glaubte annehmen zu müssen. Herr von Menard gab sich ganz als Patriarch, als glücklicher Familienvater, der Frau und Tochter ab und zu mit väterlichen, gerührten Blicken betrachtete. Indessen er tappte ihn Raimund ein paarmal auf einem kurzen Wort, ein« nicht mißzuverstehenden Geste, aus der er schloß. daß der Vetter zu jenen Sanftmütigen gehörte, mit denen man nicht ungestraft scherzt. 11. Nach dem Kaffee machte Fräulein Alice den Vorschlag, den Vetter im Park herumzuführen. Aber die Baronin war wegen der draußen herrschenden, Hitze mehr dafür, ihm zu nächst das Schloß zu zeigen. „Wir wollen mit den Räumlichkeiten der ersten Etage beginnen," sagte fie. „Raimund kann sich dann sogleich die Zimmer auswählen, die er zu bewohnen gedenkt." Nachdem die Besichtigung beendet war, stieg man wieder ins Parterre hinab. Die beiden Damen begleiteten Rai mund bis an die Tür des Speisezimmers und ließen ihn allein dort eintreten. Hier traf er Herrn von Menard bei zwei Käfigen beschäftigt und wurde von diesem gleich leb haft angesprochen. „Nun, Vetter, haben Ihnen die Damen die Wohnung gezeigt?" sagte er. „Sind Sie damit zufrieden und haben Sie sich entschlossen, gleich hier zu bleiben?" Obwohl Raimund die frühere Voreingenommenheit gegen die Verwandten vollständig besiegt hatte, so sagte er sich doch, daß es besser wäre, wenn seiner Besitzergreifung ein dementsprechender Akt voranginge. Er lehnte also dos Anerbieten des höflichen Vetters für diesen Tag ab, indem er bemerkte, daß er bereits die Gastfreundschaft des Herrn Marigny angenommen habe. „Ah — Sie halten sich bet diesem alten Sonderling auf?" sagte der Baron mit einem hochmütigen Ausdruck. Raimund glaubte aus dem Benehmen des Barons zu er raten, daß ihn die Nachricht unangenehm berührt habe. Aber er zeigte sich gleich darauf wieder sehr ungezwungen und sagte, Raimund mit seiner väterlichen Miene ansehend, in scherzendem Tone: „Apropos, Sie wissen doch, daß ich sozusagen Ihr Verwal ter und Pächter bin?" „Ah!" machte Raimund, anscheinend verwundert. „Ich besitze sogar noch einen Pachtvertrag auf acht Jahre... für die Meieret natürlich," fuhr Herr von Menard mit seiner tiefen Stimme fort, „denn bei dem hohen Alter Ihrer Frau Tante machte es sich nötig, ihr die Verwaltung abzunehmen. Natürlich bin ich bereit, sie jeden Tag in Ihre Hände niederzulegen. Das wird weder schwierig sein, noch viel Kenntnisse erfordern," setzte er heiter hinzu. „So, ,o...." warf Raimund ein. Bald darauf kehrt« Raimund in die Villa Nova zurück. Nachdem er Herrn Marigny über den, Empfang, der ihm bei den Menards zuteil geworden war, Bericht erstattet hatte, betrachtete ihn dieser nachdenklich durch seine Brillengläser. „Sie haben mir in der kurzen Zeit, da ich Sie kenne, Sympathie eingeflößt," sagte er dann. „Sie sind noch jung und scheinen ein offenes Gemüt zu besitzen. Darum würde es mir Vergnügen machen, Sie ferner bei mir zu behalten. Aber hören Sie mich wohl an.".... Hier legte er de» Finger an seine Nase und fuhr bedeu tungsvoll fort: »Ich würde Ihnen, wie gesagt, von Herzen gern länger Gastfreundschaft gewähren, wenn ich nicht die Überzeugung hätte, daß es in Ihrem Interesse liegt, so bald als möglich im Schlosse Wohnung zu nehmen." „Ah!" sagte Raimund, „Sie meinen?".... „Sie werden sich übrigens dort nicht langweilen. Herr von Menard ist ein Mann, der durch seine gediegene» Kennt nisse einen guten Gesellschafter abgibt. Vielleicht finden Sie in dem Verkehr mit ihm auch einmal Gelegenheit, auf die Sammlung Ihres Onkels zu sprechen zu kommen." „Glauben Sie nicht, daß man sie nach seinem Tod« ver kauft haben könne?" sagte Raimund. „Nein, Herr Eontier. Gegenstände von einem solchen Werte verkaufen sich nicht wie eine Katze im Sack.... Der Verkauf würde Aufsehen erregt haben, es würoe davon in den Zeitungen berichtet worden sein. Sie brauchen ja nickt