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! MW k Möglichkeit gewährt, solche Spekulationen, und besonders von einem so riesigen Umfange, einzugehen. Aber es ist doch auch wiederum für die Gcschäftsmoral Friedbergs charakteristisch, daß er in der Zeit, in der er hier schon den reichen Mann spielte und sergesellschaft schuldig geblieben war. Nun ist es gewiß unbe- das Veld sonst in unerhörter Weise verschleuderte, sich mit dem durch ihn in schwere Verlegenheiten geratenen Hamburger Mak ler aus der Basis von — 15 000 Mark einigte. — Friedbergs Schwindeleien erstreckten sich auch aus Angaben, die er über die Auslage seines Ratgebers auf dem Kapitalmarkt machte. Er hatte die Postauslage auf 8000 Exemplare beziffert. Als das Blatt auch nach Friedbergs Berschwinde» in dieser Auslage der Post ausgeliesert wurde, sandte diese 5800 Exemplare zurück nitt der Begründung, das, die Postauflage nur 270V betrage. Die anderen 5800 Exemplare hatte Friedberg selber bezogen und sie meist auf privatem Wege verschickt. Bon den 2700 wirkliche» Abonnente» gehörte der größte Teil zu den Kunden der Firma Siegmund Friedberg, die ihrerseits wiederum im letzten Fahre einen Kundenkreis von etwa »VVV Personen zählte. — Das Schick sal der A n g e st e ll t e n des Hauses Siegmund Friedberg ist noch immer ungewiß; bisher haben sie nicht einen Pfennig erhalten. Einer von den Angestellten, ein lOjähriger LehrlingE., ist in der elterlichen Wohnung im Nordosten der Stadt verhaftet worden. Er soll die Scheybals gewarnt und ihnen geraten haben, sich aus dem Staube zu machen, weil die Polizei ihnen auf den Fersen sei. Die Festnahme erfolgte wegen Kollusionsgefahr. Mit fieberhaftem Eifer sind die Kriminalbchörden weiterhin tätig; aber noch ist cS nicht möglich gewesen, einen geordneten Ucberilick über die unlauteren geschäftlichen Manipulationen der beiden flüchtigen Kaufleute Friedberg und Bohn zu gewinnen. Inzwischen ist auch die Razzia unter den eleganten Demimon- daincn Berlins forlgeführt worden; immer neue Bekanntschaften und Freundinnen der beiden Flüchtigen werden ermiticlt, und immer neue Objekte, die den Schönen abgenommen wurden, werden der Masse, wenn man überhaupt vvn einer solchen sprechen kann, zu geführt. So brachte ein Kriminalbeamter ein wundervolles Pelz- jakett an, das, mit kostbarem Zobel- und Hermelinbesatz anLge- stattet, 4000 Mark gekostet halte; der Spender war Herr Bohn. Er hatte es einer Dame geschenkt, die er nberhauvt nur zweimal im Leben gesehen hatte. Mit den schönsten Geschenken war natur gemäß Frl. Isabella Scheybal, die Mitwisserin der Be trügereien im Hause Friedberg, bedacht worden. Sie halte den Ehrgeiz, den Herrn Direktor Bohn einmal zu ehelichen, und dieser mußte sich wohl oder Übel darein fügen. Die Verlobung fand im Hanse Bohns statt. Charakteristisch für das Milien, vvn dem die ganze Friedberg-Affäre umgeöen war, ist die Verlobungs feier. Die unglückliche Frau Bohn war schwerkrank, ihre Tage waren gezählt, znm Steiben bereit lag sie im düsteren Schlafzimmer. Kein Mensch kümmerte sich um die arme Frau — aber in den Vorderzimmern Bohns ging eS desto lustiger zu. Der Sekt floß in Strömen. Der angehende Witwer feierte zwangsweise seine Verlobung mit Frl. Schcybal — zwei Tage bevor seine Eherau aus dem Leben schied (!!!) Auch Friedberg war anwesend und „Tante Rose". Die letztere ist jene Fran C. aus der Stralauer Straße, die wegen Begünstigung ver haftet wurde. Sie erschien ost im Geschäftsbureau Friedbergs und ist eine nahe Verwandte von Bohn. Die Angestellten nannten sie einfach nach ihren Vornamen Tante Rose. Neues aus aller Wett. * Der Neusässer des Kutschke-Liedcs, der Kirchenkassenrendant und Eisenbahnstationsaisistent a. D. Gotthelf Hosfmann-Kutschke zu Breslau hat den Kgl. K r o n e n o r d e n vierter Klasse er halten. * Die bestohlene Polizei. Ein Aussehen erregender Dieb stahl ist während der Nachtzeit im Polizeiburcau zu Flens burg ausgcsiihrt worden. Der Dieb ist durch ein Fenster in das städtische F u n d - u n d M e l d e b u r e a u cingedrungen und hat dort nicht nur viele Fundgcgenstände, wie Uhren, Broschen, Ringe usw., sondern auch Jagdgelder an sich genommen. Die ver schlossenen Fundsachen hat er unberührt gelassen, obgleich der Einbrecher mit einem Brecheisen mehrere verschlossene Behälter geöjsnrt hat. Bon dem Täter schlt jede Spur. * Eine glückliche Gemeinde ist der im Herzogtum Gotha gelegene Marktflecken Seebergen. Während andere Gemeinde verwaltungen sich jortwährend nach neuen Steuerquellen um sehen müssen, erhebt Seebergen nicht nur keine Gemeinde- st euer n, sondern die Bürger, die sogenannten Nachbarn, er halten alljährlich noch eine beträchtliche Summe aus der Ee- meindekasse ausbezahlt. So konnten jetzt, nachdem ein kost spieliger Schulneubau ausgesührt ist, noch 4000 Mark aus geteilt werden. Der Gemeinde gehören seit alter Zett sehr ergiebige Sandsteinbrüche und ein zirka 200V Acker großer Ge nie indewald, aus dem den neu bauenden Nachbarn das Bauholz geliefert wird. Infolge dieser Vorteile ist die Erwerbung des Nachbarrechts an die Zahlung eines namhaften Bllrgergeldes'in Höhe von OVO Mark geknüpft, das sich aber mit Rücksicht aus jenas Gemeindevermögen sehr gut verzinst. * Das Verschwinden einer Leich« aus dem Sarg« wird gegen wärtig in Barr (Elsaß-Lothringen) viel besprochen. Auf dem dortigen protestantischen Friedhöfe waren dieser Tage die Toten gräber damit beschäftigt, die letzte Ruhestätte eines müden Erden pilgers zu graben, als sie dabei plötzlich auf einen Sarg stießen. Bei vorsichtiger Oessnung desselben ergab sich, daß er keine Spur von Leichenüberrestcn enthielt. Einige Hobelspäne und etwas Seegras war alles, was man vor etwa zwanzig Jahren in dem schweren Eichensarge zur letzten Ruhe bestattet hatte. Das am Hügel angebrachte Kreuz trägt noch deutlich die Jnschrist einer Frau Grabenstätter. Ueber den Verbleib des Leichnams dieser Frau konnte nichts ermittelt werden. " Die Perlenkette der Gräfin W. Eine 1»/, Meter lange, aus vier Einzelketten bestehende Perlenkette mit äußerst seltenen Perlen, Gesamtwert 250000 Mark, und eine Nadel mit einer großen weißen Perle, Wert 17000 Mark, sind Sonnabend abend in Berlin einer Gräsin W. aus dem Ankleidezimmer ihrer im Hochparterre gelegenen Wohnung in der Hindersin-Straße wahrend einer kurzen Abwesenheit der Gräfin gestohlen worden. In dem Ankleidezimmer hatte sich in der fraglichen Zeil nur eine Zofe befunden, die vorläufig festgenommen ist, aber den Diebstahl bestreitet. " Massenerkrankungen durch Vergiftung. Infolge des Ge- nujses von anscheinend verdorbenem Landkäse sind in D r i b u - g etwa achtzig Personen zum Teil schwer ertranki. Unter den Erkrankten befinden sich viele Arbeiter der Glas hütten, die teilweise den Betrieb einstellen mußten. * Zweiundstebenzig Menschen lebendig begraben! Aus Pieter maritzburg wird unterm 15. Februar telegraphiert: Die Ver suche, die im Steinkohlenbergwerk von Glencoe eingeschlossenen Bergleute zu reten, sind eingestellt worden, da jeder Ver such, in das Bergwerk einzudringen, den unmittelbaren Tod für die Retter zur Folge haben würde. Es sind zwölfEuropäer und sechzig Eingeborene verschüttet. " Der Schlaf als Waffe im Krieg. Durch die neue Form, in die Karl M. Wheckton, ein Erfinder in Newtonville, einen alten Gedanken gebracht hat, wie The Technical world Magazine an gibt, der Seekrieg völlig unblutig gemacht werden. Der alte Gedanke ist der chinesische Stinktopf, durch den der Feins betäubt wird, und die neue Form eine torpedoartige Waffe, die Bomben aus feindliche Schisse befördert, die mit einem Narko tikum gefüllt sind, das alles in tiefen Schlaf versetzt. Leben- und Schlafen lassen, das ist der glücklich« Gedanke, aus dem die Erfindung des Uhrmachers, denn das ist der Erfinder, beruht. Fürwahr, nicht schlecht! Leider ist die Zusammensetzung des Narkotikums noch tiefes Geheimnis. Außer dem Leben der Menschen wird auch das Portemonnaie gewaltig geschont, denn jedes der U n t e r s e e b o o t e, das die Torpedos schleudert, kostet nur 200 000 Dollar, so daß man mit 200 000 Dollar Wert ein Kriegsschiff im Werte von 10 bis 20 Millionen Dollar erobern soll. , " Gegen das Korsett. Wie in Sachsen, so hat jetzt auch der badischeOberschulrat das Tragen von Korsetts wäh rend des Turnunterrichts an Mittelschulen verboten. Bestimmte Turnkleider von bestimmtem Schnitt oder bestimmter Art und Farbe dürfen nicht verlangt werden; es ist nur daraus zu scheu, daß die während des Turnens zu tragenden Kleider den An forderungenen der Gesundheit und des Anstandes entsprechen. " Die Lawinenkatastroph« bei Bad Fusch. Im Salzkammer gut wurden, wie schon gemeldet, bei Bad Fusch neun Ski- sahrer von einer Lawine verschüttet; vier Personen wurden getötet: der Oberjäger Schulart, der Bergführer Alpenhuber und zwei Knaben. Die Leichen der beiden Knaben konnten noch nicht geborgen werden. Ueber das Unglück wird aus Salzburg noch folgeiwes gemeldet: Die ganze Gesellschaft wurde hinter Bad Fusch aus der Holzmeisteralpe von einer Schneelawine über rascht. Die Skipartie ging von der 2017 Meter hohen Weichsel bachhöhe in das Wolfsbergtal. Das Wetter war klar, doch ver hältnismäßig warm; plötzlich löste sich aus dem weichen Schnee eine mächtige Schneelawine los. Der Gesellschaft war es nicht 'möglich, aus dem Bereich der Lawine zu gelangen. Alle neun Personen wurden von den Schneemajsen errxtcht. * Die sonderbare Geschichte eines kostbaren Rubinschmuckea im Werte von 50 000 Mark beschäftigt zurzeit die Kriminal polizei in Berli n. In einer Heilanstalt für Nervenkranke in ' 7-W - llr. r-. Vellage M Mer cagedla«. 17. februar. IM. Die Friedberg-Affäre hat eine neue Wendung genommen: Durch die polizeilichen Er mittlungen erscheint es als erwiesen, daß der Bankier Siegmund Friedberg und sein Kumpan, Direktor Bohn, einer Ec- presserbande in die Hände geraten sind, die von ihren Straftaten wußte und in schamlosester Weise ihre Opfer aus beutete. Auch hier wiederum spielt das weibliche Element die Hauptrolle, es diente als Lockmittel, um die abenteuerlustigen Bankherren in das Netz der Erpresserbande zu ziehen. Ep ist bereits gelungen, zwei der Personen, Mutier und Tochter, die eine wegen Kuppelei, die andere wegen Beihilfe zur Erpressung zu verhaften. Es werden hierüber dem Lok.-Anz. folgende Ein zelheiten gemeldet: Durch die Ausfindung eines Kassenbelegs ist es dem Kriminalkommissar Waldemar Müller gelungen, sestzu- stellen, daß Bohn und Friedberg Erpressern zum Opser gefallen sind. Bohn hatte ein Verhältnis mit der 20jährigen früheren Maschinenschreiberin Isabella Schcybal, die bei Fried berg angestellt war, als Bohn nach seiner Lehrzeit, an Stelle des bekannten Romeik von der Pommernbank, bei Friedberg als Disponent eintrat. Die Schcybal halte Kenntnis von irgend welchen Machenschaften Friedbergs und Bohns, trat aus der Stel lung aus und lebte nun mit ihrer Mutter, der 55 Jahre alten Witwe Marie Schcybal, auf großem Fuß in der Knejebeckstraße -lli. Die Gelder flössen aus dem Geschäft Friedbergs. Eines Tages befand sich eine dritte Person bei den Scheybals aus Besuch, als Mutter und Tochter An Lause des Gesprächs erklärten, daß sie in einer Stunde 2000 Mark in beliebiger Geldsorte erhalten könnten. Der Besuch bezweifelte das, mußte sich aber überzeugen, daß auf Grund eines telephonischen Anrufs, der von der Mutter in befehlendem Ton an den Direktor des Banlhauses Friedberg erging, alsbald durch einen Voten die Summe in Hundertmark scheinen auf den Tisch gelegt wurde. Lächelnd erklärte die Toch ter, daß dies nur eine kleine Kraftprobe sei; sie werde sich in der nächsten Zeit ein süßes Geschäft einrichten. Das geschah und Isabella Schcybal führt bis jetzt ein Konsitiirengeschäst in der Maaßenstraße 19, in dessen Hinterräumen sich die Gelage mit Friedberg und Bohn und in deren Abwesenheit mit einem neue» Verehrer abspielten. Mutter und Tochter spielten je nach ihrer Laune mit ihren Opfern, die ihnen völlig in die Hände gegeben waren. Jetzt wurden beide dem Untersuchungsrichter wegen Beihilfe zum Bankerott, Erpressung und Kup pelei zugesührt und sofort verhaftet. Frl. Scheybal ist eine mittelgroße Brünette, die genau wie ihre Mutter nach dem Ver schwinden der beiden Geldgeber ihre Kleidung von einem großen Luxus aus ein gut bürgerlichos Maß herabsetzte. Die alte Schey bal hatte ihre kostbare Häuslichkeit bereits aufgelöst, als sie aus einem bescheidenen Qartiere in Ser Ziethenstraße herausgeholt wurde. Mutter und Tochter bestritten eine Verbindung mit Friedberg und Bohn in den letzten Jahren, werden aber durch Briefe Bohns, sowie durch ihr Auftreten in den feinsten Wein stuben Lügen gestraft. Hier trat Isabella mit einem neuen Ge liebten aus, für den sie bezahlte und dem sie auch kostbare Zu Wendungen gemacht haben soll. Die Persönlichkeit dieses Mannes, der im Süden der Stadt wohnt, ist der Polizei bereits bekannt; sie hasst, ihn sehr bald hinter Schloß und Riegel zu bringen. Die beiden Schcybal, Mutter und Tochter, befanden sich nachgewieie- nermahen im Besitz von Kostbarkeiten, die aber rechtzeitig beiseite gebracht wurden. So hatte ein Töpfermeister N. aus Steglitz von Isabella Brillantringe gekauft, die er aber wieder heraus geben mußte, da wegen der geleisteten oder nicht geleisteten Zahlung noch Unklarheit herrscht. Weitere Vernehmungen sin den noch statt. Vielleicht stehen auch noch Festnahmen aus den Verwandtenkrcisen Bohns bevor, weil der Verdacht vorliegt, daß Begünstigung und Beihilfe zur Flucht geleistet wurde. Wie schwer, namentlich Bohn, unter den Erpressungen der Familie Scheybal zu leiden hatte, beweist u. a. folgender Tatbestand. Unter Bohns Briefen, die an fremde Personen gerichtet sind, be finden sich mehrere, in denen er sich am Ende seiner Laujbahn zu befinden erklärt und der Absicht Ausdruck gibt, sich wegen der fortlaufenden Erpressungen das Leben zu nelstnen. Aus dem Vorleben Friedbergs werden noch einzelne inter essante Details berichtet: Als Friedberg vor acht Jahren aus Hamburg nach Berlin kam und hier die Zulassung zur Börse beantragte, wurde von Hamburg aus gegen die Erteilung der Börsenkarte an ihn Protest eingelegt, weil er dort böswillig die Zahlung von Börscnschulden verweigert hätte. Friedberg wußte damals aber Beweise bcizubringen, daß diese Beschuldigung un gerechtfertigt wäre. Auch damit hat er geschwindelt. Aber es stellt sich nunmehr doch heraus, daß er einem Makler in Ham burg an Disserenzen auf Aktien der Deutsch-Australischen Damp- greislich, daß man einem Menschen von etwa 20 Jahren die jache de» Funken nicht an. Ser zwischen Freunden entbrannt ist, leicht versShneu sie sich, und du bis, beiden verhaft. Der I»»ivele«»tzä«»dlev Kriminalroman von Hans Hyan. (7. Fortsetzung.) eia<l>dr«a °«d°I«n. 8. Als Victor Aldobrassan zum zweitenmal sein Haus verließ, standen vor dem Haustor drei Herren, die wohl aus den Wächter warteten und sich höflich bedankend schnell an Aldobrassan vor bei ins Haus hinein gingen. Das heißt, nur der eine hatte gesprochen und zwar mit stark amerikanisch!» Akzent. Als der Juwelenhändler schon längst in der Droschke saß, dachte er daran, daß er oben seine Wohnungstür nur flüchtig zugeschlageu und ganz vergessen hatte, die Sicherheitsschlößer auch noch zu schließen. Auch mar cs ihm unangenehm, daß er diese drei Männer so ohne weiteres hineingelassen hatte. Aber er beruhigte sich: die Herren gehörten gewiß ins Haus hinein, das er selbst erst seit kurzem bewohnte. Und schon an der nächsten Ecke, wo ein Aulmnobil ihm ent gegen kam, lohnte der Juwelenhändler die Droschke ab und bestieg den Selbstfahrer, dessen Chauffeur ihn gegen das Versprechen eines guten Trinkgeldes mit fabelhafter Schnelligkeit nach dem Hamburger Bahnhof brachte. Wenn aber Aldobrassan gehofft hatte, er könnte Adele dort noch abfassen, die, wie er dachte, den nächsten Zug benutzen würde, um in ihre Heimat zuriickzukehren, so hatte er sich ent schieden getäuscht. Es fror und die Straßen waren voll Glatteis, als der Iu- welenhändler wieder seine Wohnung erreichte. In seiner fin steren und aus die Umgebung nicht achtenden Laune wäre er beim Ueberschreiten des Trottoirs fast noch hingesttirzt und fluchend schloß er sein Haus auf, ließ das elektrische Licht auf- slambnen und ging die Treppe hinaus. Seine Dienerschaft schlief längst. Er hatte ja ausdrücklich Befehl gegeben, daß -i, Leute sich nur auf seine Anweisung blicken lassen sollten und so hatte er noch nicht einmal jemand, an dem er seine üble Laune auslassen konnte. Knirschend vor Zorn schloß er die Entreetiir aus und ging hinein . . . Da, im zweiten Zimmer war Licht! Also war sie doch gekommen? ... Er dachte nicht daran, daß sie ja gar hätte hineinkommen können, weil sie keine Schlüssel mitgenommen hatte, und daß sie gewiß aus freien Stücken sein Haus nie wieder betreten hätte! Voll freudiger Hoffnung ries er leise: „Adele!" Es kam keine Antwort. Er hatte doch aber Geräusch gehört. So ging er durch das Eßzimmer, dessen elektrische Flammen er rasch einschaltetc, in sein Arbeitskabinett; dies, er sah es durch die nur angelehnte Tür war auch erleuchtet . . . und darin ging jemand . . . Adele! Adele! . .. Er schlich näher. Von einem Gefühl der Seligkeit überwäl tigt und doch wieder schrecklich unsicher, wie er ihr begegnen sollte. Endlich stieß er die Tür aus und trat ein . . . „Wa . . . was ?" . . . Er wollte noch mehr sagen, der gute Aldobrassan, aber er suhlte sich plötzlich cingehiillt in ein Tuch oder in einen Sack, den man ihm Uber den Kopf geworsen hatte. Laut schrie er ans, aber seine Stimme erstickte in der Dichtigkeit des Tuches. In der Todesangst, die jedes andere Gefühl in ihm ertötete, schlug er mit den Armen um sich und stieß mit den Füßen. Aber während seine Hände im Nu zusammengezogen waren und aus den Rücken gebunden, glitt eine Schlinge an seinem Leibe her unter, die die Beine fesselte, und irgend jemand riß ihn mit brutalem Ruck nieder auf den Teppich. Dann fühlte er, wie man ihn visitierte und, sobald die rück sichtslos wühlenden Hände den Schlüssel zum Geldschrank gefun den harren, riß offenbar eine andere Person ihm die Decke vom Kops, die schon ansing, ihm das Atmen schwer zu machen. Jetzt sah er drei Männer, offenbar dieselben, denen er vorhin selbst das Haustor geöffnet hatte. Sie waren sämtlich tadellos ge kleidet und ballen jeder eine schwarze Sammetmaske vor dem Gesicht. Zwei von den Einbrechern waren schlank und besonders der eine sehr groß, der dritte aber von kleinerer, mehr unter setzter und voller Figur. Und wenn die ersten beiden besonders jetzt, wo sie ihre Paletots abgelegt hatten, in der elegantesten Eejellsckzaststoilette erschienen, so blieb der dritte in seinem grauen Havelock, zu dem er einen Schlapphut trug, unter dem die schwarzglänzenden Locken hervorquollen. Dieser Dritte hatte sich auf Aldobrassans Schreibtisch gesetzt und eine von den Zigaretten angeraucht, die dort aus einem Lapislazuli-Schälchen lagen. Diese Zigaretten enthielten «in Opiat und, wenn es ungewiß blieb, wozu sich der Edelsteinhänd ler ihrer 1 edicntc, so taten sic dem Dieb jedenfalls keinen Schaden. Das sah man an dem Funkeln seiner Augen durch die Löcher der schwarzen Sammetlarve hindurch. Aldobrassan wußte sofort, was ihm bevorstand. Daß cs sich hier nicht um ein paar landläufige Diebe oder schwere Jungen handelte, deren höchster Ehrgeiz danach trachtete, mal einen alten Geldschrank aufzumachen, das sah Aldobrassan so fort ein. Und er begriff es um so mehr, als er jetzt die beiden andern > ihre Fracke ausziehen sah und darunter die schwarzen Seiden hemden zum Vorschein kamen, welche besonders von internatio nalen Hoteldieben bei der Arbeit getragen werden . .. Der eine, der größte, schien ihm auch bekannt. Er erinnerte an den Brillan- W tcndieb aus dem „Vittoie Emanuele", aber die Barttracht war anders, auch wohl das Haar Heller. t Die Gauner schienen sich vollständig Zeit zu lassen. Sie spra- I chen leise englisch miteinander und Aldobrassan verstand, trotz- dem er selbst diese Sprache beherrschte, davon nur sehr wenig, , weil sie sich zweifellos eines unter der dortigen Verbrecherwelt gebräuchlichen Rotwälschs bedienten. Das vermehrte Aldo- t brassans Besorgnis. Einheimische Knacker, vor denen hätte er weit weniger Furcht I gehabt; denn bei ihnen hätte er hoffen können, sein Hab und 1 Gut wieder zu bekommen; hier, wo es sich zweifellos um Mit- ß glieder einer jener internationalen Banden handelte, die nach einem genau ausgearbeiteten Plan vorgehen und die vielleicht im Dienste einer jener geheimnisvollen Gesellschaften standen, welche ihre Mitglieder mit Geld, Empfehlungen und detaillier- * trn Ordres über den ganzen Erdball entsenden, um Verbrechen zu begehen, hier mußte es sehr zweifelhaft erscheinen, ob das, was sie stahlen, jemals wieder ans Tageslicht kommen würde.