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Dienstag, den 24 April 1S34 .' . -i- - . .7. * - - Der Sächsische Erzähler Aus Bischofswerda und Umgegend. Bischofswerda, 24. April. Das Deutsche Handwerk am 1. Mai. Aufruf der Relchshandwerksführer« zum National feiertag am 1. Mal 1SZ4. Der Reichshandwertsführer W. G. Schmidt erläßt fol genden Aufruf an das Deutsche Handwerk, an Meister, Ge sellen, Lehrlinge und sonstige Arbeitnehmer des Handwerks: Der nationalsozialistische Staat hat den 1. Mai zum Nationalfeiertag erklärt. Damit ist bereits im Borjahre ein tiefes Sehnen des deutschen Volkes, die Wertschätzung der Hand» und Kovfarbeit durch einen besonderen Feiertag her vorzuheben, erfüllt. Im deutschen Handwerk ist die Arbeit, die Handarbeit und die Kopfarbeit, Grundlage und Voraussetzung der Wirtschaft und Kultur des gesamten deutschen Handwerks^ Meister, Gesellen, Lehrlinge und son stige Arbeitnehmer des deutschen Handwerks arbeiten in wohlgeordneter Betriebsgsfolgschaft und bei nationalsozialistischer Haltung in treuer Kameradschaft msymmen. Es wird die Aufgabe des deutschen Handwerks sein, die Arbeit und den schaffenden Menschen wieder so zur Ehre zu bringen, daß das Bewußtsein der gemeinsamen Zusammenarbeit in einem Betriebe, die gemeinsame Verantwortung für einen Betrieb und das gemeinsame Streben nach höchster Leistungsfähigkeit und Vollkommen heit das festeste Band für Betriebsführer und Betriebsge folgschaft, für Meister, Gesellen und Lehrlinge untereinan der ist. Wenn dieser sehnlichste Wunsch des deutschen Hand werks einmal in höchstmöglicher Vollkommenheit erfüllt ist, Hann wird der deutsche Sozialismus als heiligste und schwer ste Aufgabe des nationalsozialistischen Staates den Sieg da vongetragen haben. Ick erwarte deshalb von allen Betriebsinhabern und Br- triebsführern des deutschen Handwerks, von den Handwerks meistern, von den Handwerksgesellen und sonstigen Arbeit nehmern und von den Handwerkslehrltnaen, daß sie sich der Bedeutung des Feiertages der nationalen Arbeit inner lich bewußt sind und äußerlich sich restlos an den öffentlichen nationalen Feierlichkeiten in ständischer Geschlossenheit und Gemeinschaft beteiligen. Für die Beteiligung der Handwerkerinnungen an den öffentlichen Feierlichkeiten habe ich besondere Anordnungen herausgegeben. Abänderung -es Fürsorgerechts. Das Fürsorgerecht ist in den letzten Monaten durch mehrere Bestimmungen abgeände.t worden: Von zahlreichen Gemeinden, hauvtsächlich großen Städten, wird nach Mitteilung des „Gemeindetages" lebhaft darüber Klage geführt, daß Hilfsbedürftige zuziehen, ohne irgendwelche Beziehungen zu dem Zuzugsort und ohne Aus sicht auf Arbeit zu haben. Einen Eingriff in die Freizügig keit konnte die Reichsreglerung nicht verantworten, auch eine allgemeine Einschränkung des Grundsatzes des gewöhnlichen Aufenthalts wurde abgelehnt. Dagegen hat die Verordnung vom 10. Februar 1934 in Abänderung der Reichsgrundsätze bestimmt, daß die Fürsorge für Personen, die in bestimmte Gemeinden, Notstandsgemeinden, zuziehen, unter strengster Prüfung der Voraussetzungen der Hilfsbedürstig- keit auf das Unerläßliche oder auf Anstaltspflege beschränkt werden kann. Dies gilt nicht für Klein- und Sozialrentner und ihnen Gleichstehende. Als Zuziehender gilt jeder, der in der Notstandsgemeinde Aufenthalt nimmt und dort unmit telbar vor diesem Zeitpunkt keinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Bestimmungen finden auf die Krisenunterstüt zung keine Anwendung. Nachdem die Staatsangehörigkeit in den deutschen Län dern aufgehoben und durch die Reichsangehörig keit ersetzt worden ist, war es notwendig, die Bestimmung der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht für deutsche Rückkehrer aus dem Auslande neu zu regeln. Dies ist durch eine Verordnung vom 13. März 1934 geschehen. Wenn die Abwesenheit aus dem Reichsgebiet länger als ein Jahr ge ¬ dauert hat oder ein gewöhnlicher Aufenthalt innerhalb de» letzten Jahres vor dem Auszug aus dem Reichsgebiet nicht zu ermitteln ist, so ist fortan derjenige Landesfürsorgever band endgültig fürsorgepflichtig, in dessen Bezirk der Hilfs bedürftige geboren ist. -- In Preußen hat u. a. das Se» meindeverfassungsgesetz formale Äenderunaen des Fürsorge rechts herbeigeführt. Die wesentlichste Neuerung besteht darin, daß fürsorgerechtliche Entscheidungen entsprechend dem Führerprinzip im allgemeinen nicht mehr von Kollegien, sondern von Einzelpersonen getroffen werden. Steuererleichterungen für Instand- fetzungen. Entsprechend den Ankündigungen, die Staatssekretär Reinhardt in seiner Münchener Rede gemacht hat, ist jetzt eine Verordnung des Reichsfinanzministers zur Ergänzung des Gesetzes über Steuererleichterungen ergangen, wonach alle Instandsetzungen und Ergänzungen, für die kein Zu schuß gewährt wird, einkommensteuerlich oder körperschaft steuerlich begünstigt werden, soweit der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer veranlagt wird. Die Vergünstigung besteht darin, daß der Gebäudeelgenlümer 10 Prozent der Aufwen dungen für Instandsetzungen oder Ergänzungen von seiner Steuerschuld absehen darf. Voraussetzung für diese Erleichterung ist, daß die Instand setzungen oder Ergänzungen bis zum 3i. März 1935 durch geführt werden. Ihr Beginn muß nach dem 1. Januar 1934 liegen. Eine weitere Voraussetzung ist, daß nur inländische Erzeugnisse bei der Instandsetzung verwendet werden, es sei denn, daß geeignete inländische Erzeugnisse nicht vorhanden sind oder ihre Verwendung zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung führen würde. Für Instandsetzungen oder Er gänzungen an Gebäuden, die einem gewerblichen Betrieb des HMds abgespannt? Dann: Kttffee Vahlsen stand hastig auf. Eine leichte Blässe überzog sein Gesicht. „Die Herren sind von der Polizei, vermute ich. Es ist erstaunlich, wie rasch Sie das Versteck der armen Frau ausfindig machten! Ich hatte Sie so bald noch nicht erwartet! Es sind ja kaum drei Tage vergangen, seit das Unglück geschah!" Der Beamte hob die Brauen. „Ah, Sie sind unter richtet?" „Ich las es gestern in der Zeitung. Allerdings erfuhr ich erst vor wenigen Stunden, daß Frau Prenner sich in meinem Hause aufhält." „Sie wären verpflichtet gewesen, umgehend die Polizei in Kenntnis zu setzen. Ich behalte mir vor, Sie wegen Be günstigung zur Verantwortung zu ziehen!" ' BLHlsen klopfte behutsam einen kleinen Käfer vom Ryckärmel, der sich dort niedergelassen hatte. „Bezähmen Sie Ihren Eifer, lieber Herr! Meinetwegen hätten Sie wochenlang nach Frau Prenner suchen können! Es ist nichts meine Art, derartige Dinge zu tun." Die Beamten zogen es vor, auf eine Fortsetzung des Gesprächs zu verzichten. Sie ersuchten zu Frau Prenner geführt zu werden. .„Wenden Sie sich an meinen Verwalter!" entgegnete der Maler ungeduldig und wandte sich wieder seiner Be schäftigung zu, ohne die Beamten weiterer Beachtung zu würdigen. Die beiden Herren gingen brummend ins Haus. — Jenny kam in Wendrichs Begleitung. Vergeblich zer brach sie sich den Kopf, wer in aller Welt sie hier aufgestö bert haben mochte. In ihrem Gesicht spiegelte sich der Aus druck einer unbestimmten Angst. In mühselig zur Schau getragener Fassung trat sie auf die beiden Herren zu, die wartend in der Diele standen. „Was wünschen Sie von mir? Ich glaube annehmen zu dürfen, daß ein Irrtum vorliegtl" „Sie sind Frau Jenny Prenner aus Nürnberg?" fragte der Mann, der vorher mit Vahlsen gesprochen hatte. Wendrich war verwundert herzugetreten und musterte di« Fremden mit mißtrauischen Blicken. „Allerdmgsl" antwortete Jenny, während sie sich eines plötzlichen Ähreckens zu erwehren suchte. Sicher kamen die beiden als Vertreter ihres Mannes, wahrscheinlich betraf es die Scheidung. Der Bärtige macht« ein« vage Bewegung des Bedau erns und zeigte seinen Ausweis. „Ich muß Sie auffordern, uns zu folgen!" sMte er leise. „Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, alles Aussehen zu vermeiden." Jenny fühlte nicht, als einen kurzen, stechenden Schmerz. Dann war es ihr, als zerfließe das Gehirn in eine breiige Masse. „Aber wieso — ich bin doch — warum denn? — Sa gen Sie mir doch —" Dann schrie sie auf. Etwas Gräßliches, Unfaßbares kam auf sie zu, saugte sich mit feuchten Fingern an ihrem Körper fest, drohte sie zu erwürgen. Wendrich sprang erschreckt aus sie zu und suchte sie zu beruhigen, indem er mit den Händen liebkosend über ihr Haar strich. Dann wandte er sich den Besuchern zu. „Ich muß Sie dringend bitten, meine Herren, mir Aufklärung zu geben. Ich verbürge mich für Frau Prenner voll und ganz. Es kann sich nur um einen verhängnisvollen Irrtum handeln Ich finde Ihr Benehmen unerhört rücksichtslos." Die Zurechtweisung versetzte den Beamten in Zom. „Ich bedaure sehr, mein Herr! Frau Prenner wird wegen Anstiftung zum Mord von der Nürnberger Staatsanwalt schaft gesucht." Jenny fuhr herum wie von einem Peitschenhieb ge trosten. Einen Augenblick war sie außerstande zu sprechen Dann lachte sie gellend auf. ^)a» ist ja verrückt! Da« ist ja absurd!" süß unschuld'ger Schlaft Du blst's, dec den verworrnen Knüul des Lebens Auslöst, der jeder Tag-S Tod Ist,- Der Mühen Aad, der AerzenSwunden Balsam Der zweite Gang der gastlichen Natur And Haupternührer bet dem .fest des Lebens. Shakespeare. (38. Hortsehung., (Nachdruck verdolen.) „Ich habe kein« Freunde — und ich bin froh darüber. Haben Hie noch nicht gemerkt, daß alle Menschen Raubtiere sind ? Da käst man sich am besten allein!" »Nun übertreiben Sie «her gewaltig! Es gibt sehr viel Gutes in derl Welt! Viel Liebe und Treue!" Sie warf einen verstohlenenj-Blick quf Wendrich^ , x Vahlsen-verzog das Gesicht. „Ich will Ihnen Ihren frommen Kipderglauben nicht nehmen! Wer vielleicht kommen Si^ doch eines Tages dahinter, daß all die Dinge, di« Sie mit so hübschen Worten benennen, nichts anderes sind als — Egoismus!" Dem glaubt« auch Wendrich widersprechen zu müssen. „Na, na, Herr Doktor!" wehrte er gutmütig ab. „Und wie steht es mit der selbstlosen, hingebenden Liebe eines Men schen zum andern, einer Mutter etwa zu ihrem Kind?" Bahlsen wandte dm Kopf hall» zur Seite und mahlte mit den Zähnen, bevor er antwortete. „Wünschen Sie, daß ich Ihnen einen Vortrag über die Beziehungen der Men schen zueinander hatte? — Daß ich Ihnen auseinandersetze, warum der hassende, räubernde, beißende Mensch der voll kommenere Mensch ist? — Sein Leben ist der Natur am nächsten. Alle Abweichung vom Naturhaften, Triebhaftm, ist Verfall, ist Degeneration. Wer dem Menschen befiehlt, edel und hilfsbereit zu sein, der fordert ihn zum Selbstver rat, zum Selbstmord auf. — Vielleicht, Herr Wendrich, haben wir noch Gelegenheit, uns gründlicher über dieses Thema zu unterhalten!" , Er blickte Jenny eindringlich und — wie es schien — mitleidig an, dann stand er auf und entfernte sich ohne Gruß. „Ein sonderbarer Kauz!" Jenny schüttelte ängstlich den Kopf, als Bahlsen im Haus verschwunden war. Wendrich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ein alberner Teck, der sich mit seinen Paradoxien interes sant machen möchte!" Aber Jennys Gesicht öffnete sich seinem Lächeln nicht. Es schien, al« sei ein jäher Schatten über ihre heitere Fröh lichkeit gehuscht uich habe seine Düsterkeit darin zurückge- lassm. „Was hast du denn, Jenny?" fragte der Mann erstaunt und griff nach ihrer Hand. Sie blickte starr in di« Fern«, als sehe sie etwas Schreckhaft«» näherkommen. „Wer Jenny, Liebste«, was ist dir denn? Da« Ge schwätz diese» Narren wird dir doch nicht — Ihre Lippen verschlossen ihm den Mund. AO Nachmittag tauchten zwei würdevoll aussehende Herren in dunklen Sakkos aus -em Wald, sahen sich prüfend um und gingen dann mit hastigen Schritten auf das Hau» zu. Doktor Bahlsen. der auf der Terrasse saß und pfeifen- rauchend damit beschäftigt war, einen Stoß von Briefen durchzusehen konnte den wütenden Nero gerade noch recht zeitig zurückhalten. Einer der Herren trat, nachlässig den Hut lüftend, auf ihn zu „Wohnt hier im Hau» ein« Frau Jenny Prenner?^ Wendrich atmet« stoßend: „Ja — um Gottes willen, was ist denn passiert?" Der Beamte warf einen bedeutungsvollen Blick auf sei nen Kollegen, den dieser mit einem kaum merklichen Lächeln erwiderte. „Der Fabrikdirektor Emil Prenner ist vorigen Diens tag auf der Jagd erschossen worden. Es scheint so gut wie erwiesen, daß der Täter ein gewisser Paul Märckl ist, der mit Frau Prenner in näheren Beziehungen stand, und von ihr aller Wahrscheinlichkeit nach zu der unseligen Tat an gestiftet wurde." „Mein Mann — ist ?" brach es von ihren Lippen. Dann sank sie kraftlos in sich zusammen. Wendrich konnte das Gehörte nicht fassen. „Das ist ja unmöglich!" stöhnte er hilflos, während er sich um die Frau bemühte. Jenny gewann bald ihre Kräfte zurück. Sie schien mit einem Male völlig umgewandelt. Eine nüchterne Entschlos senheit hatte sie ergriffen. „Gedulden Sie sich eine kurze Zeit, ich bin rasch fertig." Wendrich wandte sich an die Beamten. „Darf ich Frau Prenner begleiten?" „Das ist nicht gestattet!" wurde ihm erklärt. Der Redakteur lief in Jennys Schlafzimmer hinauf. Dort traf er sie, wie sie hastig ihr« Habseligkeiten packte. In der nächsten Sekunde lagen sie sich in den Armen, hielten sich fest. „Vernünftig sein, Lieber!" entwand sie sich ihm endlich. „Man wirb diese unsinnige Beschuldigung nicht lange auf recht erhalten können!" „Jenny, ich warte auf dich! Ich fahre sofort nach Nürn berg. Und — ja, ich habe noch ein großes, beglückendes Ge heimnis für dich bereit!" „Ein Geheimnis?" fragte sie leise, wie erwachend. Als sie fertig war, preßte er sie ein letztes Mal an sich. Die polternden Schritte des mißtrauisch werdenden Be amten ri sen die Liebenden auseinander. — Hernach, als das Polizeiauto schon längst seinen Blicken entschwunden war, stand Wendrich noch immer auf der Straße und blickte mit brennenden Augen in die Ferne, Dann ging er ins Haus zurück und begann die Koffer zu packen. Plötzlich stand Doktor Bahlsen neben ihm und legte die Hand auf seinen Arm. „Bleiben Sie diesen Wend noch!" sagt« er. In seiner Stimme lag eine merkwürdig rauhe Wärme. „Wir trinken einen alten Burgunder — und dabei erzählen Sie mir alles." Wendrich sah verwundert auf. Dann nickte er schweigend. * Als die beiden Männer am Abend in Bahlsens Atelier beisammonsaßen, entfaltete der Maler ein Zeitungsblatt und reichte es seinem Gast. „Sie hätten die ganze Gelchichte schon vor zwei Tagen erfahren können. Das kommt davon, wenn man keine Zei tung liest." Wendrich nahm das Blatt hastig an sich und begann zu lesen: „Fabrikdirektor auf der Jagd erfchossen! In seinem Jagdrevier wurde gestern nachmittag der be kannte Industrielle Emil Prenner mit einer Schläsenschuß- wunde tot aufgefunden. Der erste Lokalaugenschoin und die sofort eingeleiteten Erhebungen lassen keinen Zweifel dar über offen, daß es sich um ein Verbrechen handelt. Der Tat dringend verdächtig scheint ein gewisser Paul Märckl, der ungefähr um dieselbe Zeit, zu welcher der Tod Prenners eingetreten sein mußte, von mehreren Personen auf der Staatsstraße zwischen Fürth und Nürnberg in einem, von ihm selbst gelenkten Auto gesehen und erkannt wurde. Märckl leugnet hartnäckig, das Verbrechen begangen zu haben. ^Fortsetzung folgt.)