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Neues aus aller Wett. - Opfer der Berge. Wie die Blätter aus München melden, stürzte gestern vom Titlis bei Engclbcrg der 21 Jahre alte Student Willi Lcitermcmn aus Lahr in Baden ab. Er hatte sich mit einem 16 Jahre alten Kameraden von einer 15köpfigcn Wandcrgcsellschast am Jochpas; getrennt» um den 3200 Meter hohen Titlis zu besteigen. Als Beide in dem vereisten Schnee nicht mehr weiter kamen, beschlossen sie ab- zusahren. Dabei stieß Lcitermann gegen einen Stein und blieb mit zerschmettertem Schädel liegen. Sein Begleiter, Wmernrrlderungen für kleine §and- wirte. Bkckkn, 17. August. (Drahtb.) vom Relchsfinanzmmister sind kW-neuen Grundsätze über die Besteuerung des bäuerlichen Be sitzes ausgegeben worden, wonach die Einkommensteuer der nicht buchführenden Landwirte für das Wirtschaftsjahr 1925/26 veran lagt «erden soll und die Itmsatzsteuervorauszahlungen aus die Um- sUit im Wirtschaftsjahr 1926/27 zu leisten sind. Für die Einkom mensteuer bestimmt der Reichssinanzminisker, daß die Durchschnitts sätze alsbald endgültig festgesetzt worden sollen. Die im Betriebe miMbeitenden Familienangehörigen, für die nicht bereits Fami- lleaermäßigungen gewährt werden, sollen bei der Einkommens- ermltklung nicht mehr voll, sondern nur zur Hälfte berücksichtigt werden. Bei der Umsatzsteuer soll die Bewertung des Eigenver- bnau^-Äuf gründ -er Großhandelspreise erfolgen. Amerikas Kriegsschuld« München, 16. August. In einer Unterredung des Vcr- ßreters der Münchner Neuesten Nachrichten mit Pros. Bar nes vom Smith-College in Northampton auf seiner Rück reise äußerte sich Barnes auf verschiedene die deutsche Oefscnt- lichkeit interessierende Fragen. U. a. erklärte er über die Frage, wie die amerikanische öffentliche Mei- nung heute über die Teilnahme der Vereinigten Staaten am Kriege denke. In politischen Kreisen Amerikas argu mentiere man im allgemeinen dahin, daß Amerika durch Irreführung in diesen Krieg geh eßt wurde und daß es viele Menschen und viel Geld geopfert habe, um die englischen und französischen Kastanien aus dem Feuer zu holen. Wäre Amerika mit seiner großen Material- und Menschenüberlegenheit nicht beigesprungen, so wäre vermut lich der Krieg ohne Sieger und Besiegte zu Ende gegangen. Er wäre viel früher einfach aus Erschöpfung beendet wor den und hätte nicht die furchtbaren Folgen für Europa ge habt, wie sie sich heute zeigen. Amerika sei es gewesen, das erst das Zünglein an der Wage so energisch zugunsten derAlliierten gewendet habe. Daß ein soungere ch- ter Diktaturfrieden überhaupt zustande kommen konnte, sei die Mitschuld der Vereinigten Staaten an den heutigen beklagenswerten Zuständen in Europa, und darin liege auch deren Pflicht begründet, eine Besserung dieser Zu stände tatkräftig in die Hand zu nehmen. Es sei nur eine Frage der Zeit und des Erfassens des günstigen Augenblicks, daß die Regierung und die noch taube Presse nach diesen Ar gumenten handeln werden. Um das Uetchsehrenmal. ' Elne Eingabe der Verbände an die Reichsregierung. Berlin, 16. August. Die fünf großen Kriegstcilnchmerorgani- sationen haben in der Frage des Reichsehrcnmals der Reichsrcgic- rung eine Denkschrift überreicht, in der cs u. a. heißt: Bevor an die Errichtung eines Ehrenmals hcrangegangen wird, muß erst die brennende Frage der Versorgung in befriedigender Form ge löst-werden. Die Ehrung der Gefallenen müßte nach der einmüti gen'Auffassung der Verbände auch in Form von Zweckbauten zum Ausdruck kommen. Solche Zweckbauten (Erholungsheime und lln- terkunftshäuser für Sieche) können im Zusammenhang mit einem Chrenhain errichtet werden. Die Verbände sind dabei der Auffas sung, daß hier ein Weg gegangen werden muß, der ohne Aufwen dung'erhebllcher Mittet zum Ziele führt. Deshalb unterstützen sie auf das nachdrücklichste den Plan der Schaffung eines Ehrenhains bei Berka in Thüringen. Die für die Errichtung eines Ehren mals notwendigen Kosten müßten vom Reich und von den Lnn- dern.^nckgebracht werden. Die Vornahme einer öffentlichen Samm- Kmgtwird von den Organisationen entschieden abgelehnt. Neuregelung -er Sonntagsruhe. Im Reichsarbeitsministerium ist der vorläufige Ent- Mkkf eines Arbeitsschutzgesetzes fertiggestellt worden, dessen Kernstück die Neuregelung der Arbeitszeit im weitesten Sinne, also.einschließlich der Sonntagsruhe, bildet. Die jMgen Vorschriften der Gewerbeordnung sollen durch die einschlägigen Bestimmungen des in Vorbereitung befind lichen Arbeitsschutzgesetzes ersetzt werden. Wie verlautet, will der Entwurf die Neuregelung der Sonntagsruhe auf folgender Basis vornehmen: 1. Die Einrichtung der A us n a h m e s o n n t a g c soll aufrecht erhalten bleiben. Die Ortspolizeibchörden sollen nach wie vor befugt sein, bis zu sechs Ausnahmesonntagc zu zulassen. Dagegen soll das jetzige Recht der höheren Ver waltungsbehörden, bis zu vier weitere Sonntage zu ge nehmigen, auf Wallfahrtsorte und ähnliche Orte mit zeit weilig besonderem Fremdenverkehr beschränkt werden, und zwar ohne die Fesüegung einer Höchstzahl. Die Beschäfti gungszeit soll von acht auf sechs Stunden herabgesetzt werden. An der Sechs-Uhr-Schlußstunde soll mit der Maß nahme festgehalten werden, daß an höchstens drei Sonn tagen eine Beschäftigung bis 7 Uhr zulässig sein soll, sofern an diesen Tagen die Beschäftigungszeit fünf Stunden nicht übersteigt. 2. Auch an der jetzigen Möglichkeit — für die soge nannten Bedürfnisgcwcrbc für jeden Sonntag eine allgemeine Verkaufszeit zu gestatten, soll sestgehaltcn werden. Welche Geschäftszweige also unter den Begriff „Bedürsnisgewerbc" fallend anzusehen sind, sollen der Rcichsarbeitsministcr bezw. die Länder zu bestimmen befugt sein. Auch hier soll die Beschäftigung nach sechs Uhr nicht zulässig sein und insgesamt zwei Stunden nicht überschreiten dürfen. 3. Neu soll die Bestimmung eingefügt werden, daß eine regelmäßige Verkaufszeit auch für nicht unter den Bc- dürsnisgcwcrbcbcgriff fallende Verkaufsstellen zugelassen werden kann, sofern die Ladenöffnung infolge weit läufiger Siedl ungs weise zwecks Versorgung der Landbevölkerung erforderlich erscheint. Die Beschäftigung soll auch hier auf zwei Stunden beschränkt bleiben mit einer spätesten Schlußstundc von sechs Uhr. der mit der Abfahrt gezögert hatte, konnte gerettet werden. Der seit Mittwoch in Colerina vermißte 16 Jahre alte Ger- har Stein aus Kreuznach konnte bisher trotz aller Nachfor schungen nicht aufgesunden werden. Am Brünnstein bei Oberaudorf ist ein Jngenieurpraktikant aus Rosenhain töd lich verunglückt. Aus der Oberlausitz. Bischofswerda, 17. August. —* Ferienende — Schulbeginn! Die fünf schönen Fe- rienwvchcn sind mit dem gestrigen Montag zu Ende gegan gen und heute schlägt für Lehrer und Schüler wieder die Schulglocke, die so lange schweigen konnte. Schneller, als es den meisten lieb war, vergingen die letzten freien Tage. Und doch ist es gut, daß wieder Zucht und Ordnung bei den klei nen Rangen einkehren, mag es in den ersten Tagen auch noch so wenig schmecken. Manche geplagte Mutter wird sich in den letzten Tagen damit getröstet haben: Gottlob, bald be ginnt ja die Schule wieder! — ein Stoßseufzer, der sicher nicht den gleichen Widerhall in den edlen Jünglingsseclen fand. Nun kommen die Fibel und das Einmaleins, die fran zösische und englische Grammatik und die Logarithmentafeln wieder zu ihrem Recht, und die Gedanken an die Tage in den Bergen, an der See, vom Muschel- und Krebsefangen, vom bis-in-dcn-Mittag-schlafen, vom grünen Wald und der seli gen Faulpelzrrei verfliegen von Tag zu Tag immer mehr. Aber mit der Ferienzeit ist auch neue Kraft ins Blut gekom men. Sonne, Luft und Wasser haben ihr gutes Werk ge tan, und die Erholungszeit wird sich im Arbeitstag gar er freulich auswirken. Und das ist gut — beginnt doch jetzt das zweite Schulhalbjahr; vor dem geistigen Auge der Schüler steht schon die Michaeliszensur, die auch noch von einigen an genehmen Ferient-.gen begleitet ist, und im Hintergründe, iwch in weiter Ferne, winkt die österliche Versetzungszensur mit ihren Schrecken oder Freuden. Bis dahin bedeutet das Wcihnachtsfest noch eine schöne Etappe inmitten Schnee und Eis. Man möchte fast meinen,- daß unsere Witterung wie der einmal schleunigst darauf hinsteuern will mit neuen Regen güssen und kühlem Wind, nachdem mir wenigstens einige Wochen trockenen warmen Sommerwetters genießen konn ten. Hoffen wir, daß die schönen Tage noch nicht zu Ende' sind und uns noch ein angenehmer Herbst beschießen ist. —* Deutsche Oberschule. Vom Ministerium für Volks bildung ist mit Wirkung vom 1. April 1926 an Herr Stu dienassessor Wiedemann zum Studienrat und Herr Studienassessor Lins; zum nichtplanmäßigen wis senschaftlichen Lehrer (S t e l l c n a n w ä r t e r) ernannt worden. —* Reber die Abgeltung der Gewerbesteuer für die Rech nungsjahre 1924 und 1925 erläßt das Finanzministerium folgende Bekanntmachung: Die Abgeltung der Gewerbesteuer für die Rechnungsjahre 1924 und 1925 durch die Vorauszah lungen seht voraus, daß diese in der gesetzlich vorgeschriebe nen Höhe geleistet worden sind. Ist dies der Fall, so ist die Gewerbesteuer durch die Vorauszahlungen abgegolten, es findet weder Erstattung noch Nachfordcrung statt. Soweit ausnahmsweise auf die Vorauszahlungen trotz ihres Cha rakters als füllige Stcuerleistungen bereits ein Erlaß aus- Billigkeitsgrüuden gewährt worden ist, gilt der erlassene Be trag als geleistet. Die auf Grund der Verordnung des Fi nanzministeriums vom 22. Oktober 1925 über Stundungen der Gewerbcsteuervorauszahlungen des Rechnungsjahres 1925 bewilligten Stundungen non Gewerbesteuern und Ar- beitgebcrabgabc werden in Erlaß umgeündert. Auch bei allen nicht unter die Notverordnung vom 22. Oktober 1925 fallenden Rückständen früherer Rechnungsjahre ist mit be ¬ sonderem Lvvmwouen zuprusen, ob ihronachirägücheEinzreb- ung im Hinblick auf die derzeitigen. Verhältnisse des Säuer pflichtigen für diesen eine Unbilligkeit bedeuten winde. Vor Ablehnung eines solchen Erlaßgesuches ist in jedem Falle dem Finanzministerium zu berichten. —* Halbe Fahrpreise sür Kinder aus den staatlichen Kraftwagen. Vielfachen Wünschen entsprechend, hat sich das Finanzministerium entschlossen, den Fahrpreis sür Kinder im Alter von 4 bis 10 Jahren auf allen sächsischen staatlichen Kraftwagenlinien auf die Hälfte herabzusetzen. —- Bischofswerdaer Landsmannschaft Dresden. Wie der Landsmannschaft von feiten verschiedener Vereine mitgcteilt wird, findet am 26. September, dem Tage, an welchem die Bischofswerdaer Landsmannschaft in Dresden ihre Fahne weiht, in unserer Heimatstadt Jahrmarkt statt. Einer Verlegung der Weihefeier kann bedauerlicher weise infolge der bereits getroffenen Vorarbeiten und Abschlüße z. B. Militärkapelle, Saal usw. leider nicht entsprachen werden. Der Vorstand der Landsmannschaft hofft trotzdem auf eine recht zahlreiche Beteiligung der heimat lichen Vereine bezw. Korporationen und der Be wohner von Bischofswerda. Diejenigen Vereine, welche die Anmeldekarte noch nicht an die Geschäftsstelle, Dresdcn-N. 30, Renkestraße 40, U, eingesandt haben, werden hiermit höflichst ge beten, dies umgehend vornehmen zu wollen, damit sie in den Besitz der Ehrenkarten gelangen. Eintrittskarten zum Preise von 1.— RM. pro Person sind bei Herrn Paul Tesch ner, Bischofswerda, Bautznerstraße 33 (Restaurant Ein tracht) zu haben. —* Bttlikärvereln 103. Eine stattliche Schar von Kameraden und deren Frauen hatte sich am Sonnabend zur Wandervcr- saminlung eingefunden. Unter frohen Marschweisen der rühri gen Hauskapelle begab man sich durch den Stadtwald nach dem „Waldschlößchen". In ehrenden Worten gedachte der Vorsteher, Ehrenmitglied Kam. Klinger, des verstorbenen Kameraden Teuber, dessen Andenken durch Erheben geehrt wurde. Nach der Bekanntgabe von 10 Neuanmeldungen wurden der Versamm lung verschiedene Eingänge mitgeteilt. An der Fahnenweihe der Landsmannschaft Bischofswerda in Dresden beteiligt sich der Ver ein. Zum kürzlich stattgefundenen Sommerfest wurde der Rech nungsabschluß vorgetragen. Vom Kameraden Albert als Bücher verwalter wurde die Vereinsbücherei in Erinnerung gebracht und um Bereicherung gebeten. Im gemütlichen Teil unterhielt die Hauskapelle mit ihrem Konzert die Kameraden. In dankenswerter Weise war von einem Kameraden ein Freitrunk gespendet worden. Kam. Vorsteher Klinger dankte dem Vergnügungsnusschus; und dessen Vorsitzenden für die schönen Stunden; desgleichen gilt aber auch der Dank der rührigen Hauskapella. Mit größter Befriedigung und dem Wunsche, daß bald wieder einmal eine derartige Ver sammlung stattfinden möchte, trennten sich die Kameraden in vor gerückter Stunde. —* Der Bischofswerdaer Seglerbund hielt am 14. August im Gasthaus „Germania" eine Gesamtvorstands-Sitzung ab. Der Vorsitzende, Kegelbruder Hentschel, gab zunächst die Eingänge bekannt. Dabei ist ein Schreiben der Bischofswerdaer Landsmannschaft in Dresden zu erwähnen, die am 26. September ds. Is. ^n Dresden ihre Fahnenweihe abhält. Kegclbruder Otto Wagner, sowie ein Begleiter wurden bestimmt, an diesem Tage den Verband zu vertreten und ein Geschenk zu überreichen. Ferner liegt eine Einladung des Obcrlausitzer Keglerverbandes zur Feier seines 20jährigen Bestehens vor. Gleichzeitig findet auch ein Ver- bandswcttkegeln (Fünfermannschaft) am 21. und 22. August statt. Dem Sportwart Juri sch wird Auftrag gegeben, sich mit den Kegclbrlldern in Verbindung zu setzen. Aus der Kasse wird sür diese Sache nichts genommen. Auf eine Einladung des Chem nitzer Keglervcrbandes jr. P. in Chemnitz hin, der Ende August sein 40jähriges Jubiläum feiert, wird kein Vertreter entsandt, son dern wn Jubiläumstage dem Verbände telegraphisch die Glückwün sche übermittelt. Für den großen Sieg mit Radeberg dankt der Vorsitzende bestens sür die geleistete Arbeit. Wie allen bekannt ist, begeht der Kegelklub „Nachtlampe" am 13. September sein Wfähr. Bestehen. Der Gesamtoorstand wird es sich nicht nehmen lassen, zu dieser Feier dem Kegelklub „Nachtlampe" und dessen Klubvorsitzeu- Die Hochflui der Verbrechen in Frankreich. Von Max Rose. (Nachdruck verboten.) Die unsicherste Weltstadt in Europa. — Ein Raubmörder und ein Holcldicb Ritter der Ehrenlegion — Die Polizei zu klein — Eine Einbrecher-Akademie — Jugendliche Banden. Die Pariser Zeitungen geben fast täglich ihrem Ent setzen über die Häufung von Verbrechen, besonders der in der französischen Hauptstadt, Ausdruck. Wenn man den Zei tungsberichten Glauben schenken soll, dann ist Paris heute wohl die unsicherste Weltstadt in Europa. In den meisten Hotels der Hauptstadt prangen Plakate, in denen vor Ein brechern gewarnt wird. Das ist gewiß sehr bezeichnend. Die Ursachen der ungeheuerlichen Vcrbrcchenszunahme sind natürlich in einem „Siegerlande" wie Frankreich andere, als in „Besiegtenstaaten". In der französischen Oeffentlich- keit glaubt man die Ursachen für die auffällige Zunahme der Verbrechen in dem internationalen Fremdenstrom, der sich in den letzten Jahren über Paris ergossen hat, gesunden zu haben. Angehörige aller Rassen und Nationen, Russen, Polen, Italiener, Türken, Rumänen, Araber, Neger haben sich in Paris ein Aufenthclltsrecht gesichert. Die besten Aus lands-Elemente sind cs ja nicht immer, die in einer Weltstadt unterzutauchen suchen, mag divse Stadt nun Paris, Berlin, London oder Newyork heißen. Das muß zugegeben werden, ebenso wie man zugebcn muß, daß eine ganze Anzahl Auf sehen erregender Verbrechen in Paris aus letzter Zeit auf das Konto polnischer und italienischer Banditen zu buchen sind. Das kann aber unmöglich die alleinige Ursache für die Zunahme der Verbrechen sein, die ganz allgemein ist. Die Zunahme der „Apachenbanden", deren Mitglieder meist rassenreine Franzosen sind, läßt darauf schließen, daß nicht die Fremden allein oder zahlenmäßig stärker an der Kriminalität beteiligt sind. Verbrecherische Sensationen sind ja in dem an Sensationen nicht gerade armen Frankreich durchaus nichts seltenes und ihre Urheber sind wohl immer Franzosen. Oft entbehren diese Sensationen nicht eines ko mischen Beigeschmackes. So z. B., wenn man, wie im vori- gen Jahr, hören mußte, daß der Marseiller Arzt Dr. Voug- rat, der einen ihn befreundeten Kassenbeamtsn getötet hatte, um ihm die Lohngelder zu rauben und der die Leichcnteile seines Opfers drei Monate in einem Schrank aufbcwahrt hatte, — Ritter der Ehrenlegion war. Am Tage Arzt,. Gelehrter und Weltmann, nachts Apache, Dieb, ständiger Besucher aller Hafenkneipen und Verbrecherlokale mit dem Spitznamen „Schulmeister". Als Ritter der Ehrenlegion entpuppte sich übrigens auch ein berüchtigter Hoteldieb, unter dem Namen Levivant bekannt, der lange Jahre ge sucht, schließlich als ein 52 Jahre alter Bürger Thaust ans Marseille entdeckt wurde und mit Frau und fünf Kindern in Bois Colombes bei Paris eine elegante Villa bewohnic und Mitglied exklusivster Gesellschaften war. Die Zunahme der Verbrechen in Paris hat wiederholt den Stadtrat, dem die Polizei als örtlich unterstellt ist, be schäftigt. In einer Debatte, in der über Abwehrmaßnahmen beraten wurde, gab der Polizeipräfekt die Erklärung ab, daß die ihm bei Bekämpfung der Verbrecher zur Verfügung stehenden Kräfte völlig unzureichend seien. Der Bestand der Pariser Polizei soll 9059 Mann betragen, in Wirklichkeit seien höchstens 8000 Mann vorhanden. Da der Achtstunden tag verbietet, die Gesamtzahl der Polizeikräfte gleichzeitig zu beschäftigen und Abkommandierung eine bedeutende An zahl der Kräfte beansprucht, so verbleiben alles in allem etwa 10 Beamte für je ein Stadtviertel. Auch die „Lürotö gönvrale"", die neben dct Ortspolizei besteht und die un mittelbar dem Minister des Innern unterstellt ist, eine Art Landcskrimnalpolizei, verfügt nicht über die genügende An zahl geschulter Kräfte. Als im Vorjahre schwere Einbrüche sich ungeheuer häuften, die sämtlich auf die gleichen Täter mutmaßen ließen, dauerte es monatelang, bis cs der Polizei durch einen Zufall — cs hatte sich ein Verräter gefunden — gelang, der Bande auf die Spur zu kommen. Ein alter Einbrecher von internationalem Ruf, Jacques Moussct, unterhielt in einer verlassenen Schlosscrwerkstätte des Hauses Montmartre 87 in Paris eine Einbrechcrakadcmic. Seine Zöglinge und Hörer bildeten die Mitglieder der von „Professor" Mousset geschickt zusommengestellten Einbrecher banden, die der Schrecken von Paris waren. Die Zunahme der Verbrechen Jugendlicher, besonders in Paris, ist geradezu unheimlich. Banden, die von Jugendlichen geführt werden, sind überaus zahlreich. In letzter Zeit komüe eine Anzahl derselben unschädlich ge macht werden, darunter der 19 jährige Andrv Bondouy, ge nannt der „Schrecken von Witry", der 16 jährige Marcel Poirier mit seiner Geliebten, einem 14 jährigen Mädchen aus Colombes, der 17 jährige Raymond David, der 18 jährige Josef Vilatte und verschiedene an>ere. Für die Zunahme der Verbrechen Jugendlicher gibt man, wie in anderen Ländern, die vernachlässigte Erziehung während des Krieges an. Unter den Jugendlichen in Paris, die jetzt ein Alter von 20 Jahren erreicht haben, zählt man 25 Prozent vollständige Analphabeten. Im Jahre 1925 standen in Frankreich nicht weniger als 36 000 Jugendliche unter 18 Jahren vor den Gerichten, von denen die Hälfte aus mehrfach Vorbestraften bestand. Unter den jugendlichen wie unter den erwachsenen Bewohnern Frankreichs ist eine erschreckende Zunahme der Verbrechen statistisch fcstgestcllt und vergeblich sinnt man auf Abwehrmaßnahmen. Die wirklichen Ursachen dürfte man noch nicht erkannt haben.