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Der Sächsische Lrzäkler rw theke weißt ja, wie ich darüber denke, aber vorläufig haben wir den Prozeß leider noch nicht gewonnen, und, wie der Justiz rat meint, stehen unsere Chancen ja ganz miserabel. Du mußt dafür sorgen, daß die Kleine gefügig wird. Ich werde natürlich auch mein Möglichstes tun, um der unangenehmen Situation ein Ende zu machen." „Du?" Eine unglaubliche Geringschätzung klang aus dem Aus ruf, der den Lippen Frau von Habbergs entfloh. Jan von Lockwitz richtete sich mit einem Ruck in die Höhe. Wieder war das unheimliche Flackern in seinen Augen. „Ja", sagte er, die schlanke, seingeformte Hand, an wel cher ein kostbarer Brillant funkelte, in die Weste schiebend, „ich habe es mir anders überlegt. Die Kleine", — seine Stimme klang ganz leise und bedeckt — „ist mir zu unsicher, so sehr ich sie auch liebe und man hat keine Ahnung, wie sie sich gebärdet, wenn sie erst alles weiß. Da will ich denn nach Kräften die gegenwärtigen Chancen nützen. Ich werde an dem Tage, da ich in Erfahrung bringe, daß der Prozeß zu unseren Ungunsten entschieden wird, der kleinen Winkler einen Heiratsantrag machen. Viel hat sie ja nicht nach un seren Begriffen, aber eine lumpige Million wird nach ge nauen Erkundigungen der Alte sicher rausrücken." Frau von Haßbevg stand ganz erstarrt vor Schreck vor ihrem Sohn. „Jan, ich bitte dich", kam es dann gepreßt von ihren Lippen, „das junge Dingi Ohne Familie! Ich glaube, der Alte ist Lederhändler oder so was." „Als ob es bei uns auf Familie ankäme, Mama. Geld brauchen wir, das ist die Haupffache. Daß sie nicht vom Adel, darüber werden wir großmütig hinwegsehen, das wird dem Alten imponieren, dessen einzige Unterhaltung die Kurszettel sind, und der mich immer „Herr Graf" tituliert." „Und wie stehst du mit Fräulein Winkler?" Frau von Habberg fragte eS gepreßt. Jan zuckte die Achseln und stäubte nachlässig die Asche von seiner Zigarette, die er sich inzwischen angezündet hatte. „Garnicht stehe ich mit ihr. Sie ist vorläufig ganz ver narrt in den jungen Leutnant. Wie heißt doch der Kerl? Richtig, von Gladis. Na, so'n Bürschchen von dreiundzwan zig Jahren, der nichts ist und nichts hat, das werden wir doch wohl noch ausstechen können. Ich habe ihr heute zum Blumenwalzer ganz himmlische Rosen bestellt. Märchen haft, sage ich dir, Mama." wer» " Preis S0 Zvdovtwrtz rerda. Berühmte Zeitgenossen und die Bibel. (Zur Jahrhundertfeier der deutschen Bibelgesellschaften.) Das deutsck-e Kaiser- und das englische- Königspauc, die Königin von Holland und Amerikas Präsident Wilson lassen keinen Tag vorübergehen, ohne in der Bibel zu lesen. Kaiser Wilhelm erzählte einmal: „Ich lese ost und gern in der Bibel, die auf meinem Nachttisch liegt, und in welcher ich die köstlichsten Gedanken unterstrichen habe. Be greifen kann ich es nicht, daß es so viele Menschen gibt, die sich so wenig mit dem Worte Gottes beschäftigen. Bei allem Denken und Tun lege ich mir die Frage vor, was wohl die Bibel dazu sagt. Sie ist mir ein Born; aus ihr schöpfe ich Kraft und Licht." Präsident Wilson bedauert die Leute, die nicht täglich in der Bibel lesen: „Sie ist eins der eigenartigsten Bücher in der Welt: denn jedesmal, wenn du die Bibel auf machst, strahlt dir ein altes Wort, das du schon hundertmal gelesen hast, mit neuer Bedeutung entgegen. Keine große Nation kann je ihre eigenen Versuchungen und Torheiten überleben, welche ihre Kinder nicht im Worte Gottes unter richtet." Expräsident Roosevelt schreibt: „Die Lehren der Bibel sind derart mit unserem bürgerlichen und sozialen Leben verwoben und verflochten, daß wir es uns einfach nicht ausmalen können, was aus dem bürgerlichen und so zialen Leben würde, wenn die Bibel mit ihren Lehren daraus verschwände." Die Großherzogin-Witwe Louise von Baden, die einzige Tochter des bibelgläubigen Kaiser Wilhelms I. hat ein Trostbuch mit von ihr selbst ausge- wählten Bibelsprüchen drucken lassen. Am Tage ihrer gol denen Hochzeit schrieb sie mit ihrem Gatten in ihre Trau- bibel, das die Heilswahrheiten dieses teuren Buches Richt schnur ihres Lebens, Stärkung in der Pflichterfüllung, Trost im Leid und der herrlichste Segen gewesen sind. Sonntag, »« 19. A»N 191«. srellk M, sowie »r null »vettm bch< ekler, ll,r. <«.L) MW K I», L 2. Beiblatt zu Nummer 1S5. uungeu, Parterre und au» Stube„ > Kellerraum„ gen, Hofraum, eichpfim sinb- ofort oder 1. Alle» Nähere Mvdrrx. Modern? Verstehst Du, lieber Leser, damit, was die Gedankenlosen darunter verstehen? Das würde von einen, recht engen Horizont zeugen. Denn es würde lediglich be weisen, daß Du glaubst, nur für die Gegenwart sei dies Wort anwendbar. In Wirklichkeit wird man aber, — eben als tatsächlich moderner Mensch, — zugeben müssen, daß es im grauen Altertum so gut moderne Menschen gegeben hat, wie heute, und wie es in alle Zukunft deren geben wird. Modern wird stets derjenige sein, der den Geist und die Anschauungsweise seiner Zeit, gleichviel, ob in intellektuel ler, in moralischer, in sozialer oder sonstiger Hinsicht, kurz, der das edlere Kulturempfinden der Ge gen wart in sich ausgenommen hat und es versteht, einer- seits, ohne sich etwas zu vergeben, ihm mit dem eigenen Be nehmen Rechnung zu tragen, anderseits die tatsächlichen Werte herauszudestillieren und sie wiederum der Gegenwart Mi rshe Bischofs- bei 2-300» »erkaufen. w».« LEO dieser Zeitung. Graf Zeppelin begrüßte es mit besonderer Freude, als zu seinem 70. Geburtstag seine Tochter über der Eingangspforte seines Landgutes in großen Silber- buchstaben den wie für ihn geschaffenen Bibelspruch hatte anbringen lassen: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie lau fen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden." . Der berühmte schwedische Forscher Sven Hedin be richtet in seinen Reisebeschreibungen, daß sein treuester Be gleiter auf seinen Reisen durch Asiens Wüsten und sein liebstes Buch die Bibel gewesen sei. Unter den Künstlern nennt der Karlsruher Maler Hans Thoma das neue Testament, das Buch Hiob, das erste Buch Moses, die Psalmen Davids, und das hohe Lied Salomons unter seinen Lieblingsbüchern an erster Stelle. Peter Rosegger schreibt: „Wir in Oesterreich, wo das heiligste aller Bücher brach liegt, ahnen nicht, was darin enthalten ist, wie es die leidenden, ringenden, trostlosen Menschen ermutigt, erhebt, befreit . . . Die Leshungrigen, die nie und von nichts mehr befriedigt werden können, wie wäre es, wenn sie einmal zu diesem Buche greifen würden? Für die einen wäre es eine selige Erinnerung aus der Kin derzeit, für die anderen eine Novität. Und wie müßten sie staunen, zu finden, daß die Bibel der Brennpunkt aller al ten und neuen Literatur ist." — Von den Gelehrten nennen wir noch kurz solche von unserer Leipziger Landesuni- versität. Wilhelm Wundt, der „größte Denker der Gegen wart", erklärt zu seinem monistischen Versuch, die in der Bibel stehenden 10 Gebote (Dekalos) abschaffen zu wollen: „Der unvergängliche Wert des Dekalogs besteht darin, daß er in seiner eindrucksvollen Kürze das ehrwürdigste Zeugnis für die Unvergänglichkeit der sittlichen Grundsätze selbst ist, daS wir besitzen. Ihn verbessern wollen, würde ein Atten- tat gegen den Geist der Geschichte, ihn durch einen Dekalos Kegel erkaufen Jar» 141. ng. ;es ist alle» nM». werden mit OrtSarmen- ZettgemStze Betrachtungen. Auf -er Frrienreise! Daheim ruht Buch und Feder — in stiller Einsamkeit — wer's kann eilt in die Bäder — zur lieben Ferienzeit, — dieweil es Sitte heute, — verreisen Diele Leute, — ein kurzes zu vergessen — Geschäfts- und Atnts-Jntressen! Die Ruhe schwand den Wäldern — und den Gebirgen auch, — auf sonndurchglühten Feldern — verspürst du keinen Hauch, — doch aus der Berge Spitzen, — kannst du nicht ruhig sitzen, — da jodelt der Berliner, — -er Sachse wie der Wiener! Und dann am Meeres ¬ strande — sonnt sich das Kind der Stadt — man tummelt sich im Sande — und im Familienbad, — dort stärken ihre Glieder, — dort tauchen auf und nieder — die Schlankern, wie die Rundern — daß sich die Flundern wundern! Sehr zahlreich sind die Ziele, — dahin man freudig eilt — Loch deren gibt's nicht viele, — wo wirklich Ruhe weilt — sie herrscht zur Sommerpause, — am meisten wohl zu Hause, — jedoch im alten Gleise — zu bleiben, ist nicht weise! — — Drum ziehe in die Weite — als sorgenfreier Mann — und triffst du frohe Leute, — dann schließ dich ftöhlich an! — Wozu die Menschen meiden? — Du mußt sie eben leiden — und wirst es nicht bereuen, — mit ihnen -ich zu freuen! — — Doch pflegst du Unterhaltung, — red' von Geschäften nie! — sprich von der Badverwaltung — von Gegen- mW Logis, — doch sprich auch nie politisch — sonst wird die Sache kritisch, — die Freundschaft, kaum erworben, — wird leicht dadurch verdorben! Mag jetzt nach Ruß ¬ land blicken — der Herr Poincarö — mag sich nach Frank reich drücken, — der Hansi, der Monsieur. — Das ist nicht weltbewegend, — du sprichst jetzt nur von „Gegend" — und ziehst auf leichten Sohlen — dahin, dich zu erholen! Gar wonnig ist das Reisen, — sagt selbst der Pessimist — und schimpft weil mit den Preisen — er nicht zufrieden ist, — trotz dieser -Schattenseite — zieht froh er in die Weite — Loch fröhlicher zieht weiter — der Optimist, Ern st Heiter. „Du verschwendest wieder mit vollen Händen, Jan " Jan lachte belustigt auf. „Liebe, kleine Mama, seit wann rechnest du mit Kleinig keiten. Doch da ist ja das Kind." Er sprang schnell von seinem Sessel auf und trat auf Syrta zu, die ihn kaum beachtete. „Wie schön du wieder bist, Schwesterlein", rief er ihr laut zu, dabei küßte er sie mit einem heiß aufleuchtendeu Blick auf die nackte Schulter. Syrta gab ihm entrüstet einen derben Schlag auf dis Wange. „Was fällt dir denn ein?" rief sie heftig. „Mama, ver biete Jan, daß er mich küßt, ich will seine Liebkosungen nicht." „Aber Kind, unter Geschwistern." „Das ist mir ganz egal, ich kann es nicht leiden. „Du bist grausam, Schwesterlein." „Ja, seitdem du dich zu mir so seltsam benimmst. So magst du den Damen begegnen, denen du die Cour schnei- dest. Deine Schwester aber verbittet sich das." Er senkte demütig das dunkle Haupt mit.dem glatt ge scheitelten Haar und führte ehrerbietig ihr Händchen an seine Lippen. „Syrta, mein angebetetes Schwesterlein hat nur zu be fehlen. Wie alle anderen bin ich ihr getreuer Knecht." Syrta wandte sich brüsk ab. Schnell schlug sie einen roten Schleier in der Farbe ihres Kleides um ihre Köpfchen. „Komm, Mama, es ist die höchste Zeit, sonst kommen wir doch noch zu spät." Sie sprang den anderen voraus leichtfüßig die Treppe hinab. Frau von Habberg mit ihrem Sohne folgte langsam. Tief erschreckt sah sie in ihres Sohnes Gesicht und in leisem, geheimnisvollen Flüsterton mahnte sie: „Du mußt dich zusammennehmen, Jan. Kommt Syrta hinter unser Geheimnis, und das muß sie ja schließlich, wenn du dich ihr wie ein Liebhaber nahst, dann ist alles ver loren. Darum sei vorsichtig und klug." „Ich könnte den Kerl ermorden, den sie heiratet", gab Jan mit drohenden Augen zurück, „einfach umbringen." „Das wirst du nicht tun, mein lieber Junge", lächelte Frau von Haßberg überlegen, „sondern du wirst dich sehr brav mit ihm stellen und mit Anstand seine Millionen ge nießen, dazu kenne ich dich denn doch zu gut." „Wenn du dich nur nicht täuschst, Mama", grollte Jan oszes Zu erfragen er 8lr. 18. oder der Zukunft zugänglich und nutzbar weiterzugeben. Jede Zeit schafft neue Werte, neue Anschauungen, neue Ziele. Brich darob nicht gleich mit dem Alten, Bewährten. Sondern prüf' gründlich erst das Neue. Nicht die Drauf gänger, die alles Neue für richtig und nachahmenswert hal ten und mit beiden Händen eS erfassen, sind moderne Men schen in des Wortes bestem Sinn. Modern sein heißt viel mehr aus dem Zeitgeist mit erkennenden Blicken das Bleibende und Gute vom Vergänglichen, den Weizen von der Spreu zu sondern und vor Allem sich nicht beein flussen zu lassen „von des Pöbels Geschrei und vom Miß brauch rasender Toren". Dazu bedarf es der seelischen und geistigen Sammlung und dazu bedarf es jenen Ernstes, von dem Schiller sagt, daß ihn keine Mühe bleiche, daß ihm aber dafür auch „der Wahrheit tief versteckter Born rauscht." Nicht wahr, mein lieber Sonntagsleser, so wollen wir alle „modern" sein und uns unserer Modernität freuen. v. Haltlos Moderne Zigeuner, Wüste Gesellen, Vagabunden des Lebens. Die ringen Und suchen —. Doch immer vergebens! Einsame große Kinder Mit halbem Wissen, Todtkrankem Herzen — Und immer hinaus, immer weiter! Nach außen keck. Nach innen verjammert. Den Rücken zerschlagen von der Hand, An die sie verstauend sich geklammert! Ada Christen. WSjM r. 4«, L Strandgut. Em Roman auS dem Westerländer Badeleben von Anny Wathe. EU. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) ISIS dy ^Votks, L.sipriz. „Und in den kurzen Kleidern", ergänzte Syrta bitter. „Keiner sicht mir meine 19 Jahre an, nicht wahr, das woll test du doch sagen, Mama?" Meinst du denn, daß ich ewig die Sechzehnjährige spielen kann?" „Weil das nicht geht, du Närrchen, darum ist es Zeit, -aß du Ernst machst. Aber jetzt geh, mein Geliebtes, es ist wirklich die höchste Zeit." Sie küßte die Tochter flüchtig auf die leicht gekrauste Stirn und schob sie ohne Umstände in das danebenliegende Schlafzimmer. Als die Tür sich geschlossen, atmete Frau von Haßberg wie befreit auf. Ein paarmal schritt sie noch unruhig auf dein weichen Teppich hin und her, dann galt ihre Aufmerk samkeit der anderen Tür, die jetzt hastig geöffnet wurde. Ein schlanker, elegant aussehender, etwa dreißigjähri ger Mann trat mit schnellen Schritten ins Zimmer. Mit sragendem Ausdruck sah er ihr fest ins Gesicht. Frau von Haßberg legte bedeutungsvoll einen Finger auf die Lippen und sah nach der Tür. Der junge Mann, Jan von Lockwitz, das einzige Kind -aus Frau von Haßbergs Ehe mit dem Kammerherrn von Lockwitz der stütz gestorben, warf sich erschöpft auf einen Stuhl. Unruhig sahen seine flackernden, schwarzen Augen aus -em gelblich bleichen Gesicht die Mutter an. „Na, du hast natürlich nichts erreicht, Mama", forschte «er, während er an der großen, weißen Gardine nestelte, die kokett seinen Smoking schmückte. „Sie ist eine Gans", flüsterte er mit unterdrückter -Stimme. „Würdest du das noch behaupten, wenn wir den Prozeß gewinnen, Jan?" Eine flüchtige Glut floß über das blasse Gesicht -eS jungen Mannes, der die hageren Beine übereinander kreuzte und die Blicke in die Spitzen seiner Lackstiefeln bohrte. „Laß doch das, Mama", lehnte er unwillig ab. „Natür lich würde ich dann der Kleinen anders entgegentreten. Du sel und weg- er später eine ietnr Nex* thold Kämest iche KIMM Nr. »«pr. ck lm LI, II, l. M ehender Ernte ftedefeld SS. MM MH