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Pierrette. Stille ebenfalls verhaftet werden, - erst heute abend, da man sie bei einer abermaligen Zusammenkunft zu überraschen hofft, wodurch ihnen dann ein Ableugnen ihres gegenseitige« Einver ständnisses unmöglich gemacht wird." Desartelle beruhigte diese letzte Bemerkung vollkommen. Nach dem er dem höflichen Kommissar für die interessanten Enthüllungen gedankt hatte, verabschiedete er sich, um auf dem kürzesten Wege nach Hause zu eilen, wo die Mutter und Uvette ihn sicher schon er warteten. Für Morris hatte er dem Kommissar noch ein kurzes Schreiben des Inhalts übergeben, daß er es ablehne, seine Ver teidigung zu übernehmen. Es war fast sieben Uhr geworden, als Uvette sich nach drei glücklichen Stunden in dem bescheidenen Heim der Desartelles zum Aufbruch rüstete. Der Abschied fiel ihr unendlich schwer, und immer wieder küßte sie mit Tränen des Dankes in den Augen die Hände der alten Dame, die ihr mit so unendlicher Herzensgüte begegnet war. — Zwei Stunden später -- der Anwalt saß noch in seinem Arbeitszimmer über den Akten, schrillte das auf dem Schreibtisch stehende Telephon, und zwar so anhaltend, als ob der Anrufende es höchst eilig hatte. Mit einer unmutigen Be wegung über die Störung warf De sartelle die Feder hin und griff nach dem Hörrohr. „Hier Rechtsanwalt Desartelle", meldete er sich. „Viktor," — er erkannte Uvettes Stimme ganz deutlich - „bitte, komm sofort zu uns. Papa ist noch immer nicht heimgekehrt. Auffallen derweise hängen aber sein von ihm gewöhnlich benutzter Hut, Paletot und Rock in der Vorhalle. Wir ha ben nachgesehen, auch sonst fehlt kei ner seiner Hüte. — Und — ohne Kopfbedeckung wird er doch nicht aus gegangen sein. Und dann das Un heimlichste: auf dem Eisbärenfell, das als Decke auf meinem Divan liegt, befinden zich einige ganz frische rote Flecke, die wie Blutstropfen aussehen und noch nicht einmal ganz trocken sind ..." Diese roten «Flecken waren tat sächlich Blutstropfen, — das stellte keine halbe Stunde später nicht nur Viktor Desartelle, sondern auch der Vorstand des nächsten, von dem An walt sehr schnell benachrichtigten Po lizeireviers fest. Doch die Nacht und auch noch der nächste Vormittag ver gingen, und das geheimnisvolle Ver schwinden des Rentiers Albagnan war ebensowenig aufgeklärt wie die Herkunft der blutigen, teilweise halb verwischten Tropfen auf dem Eis bärenfell. Man vermutete hinter diesen auffälligen Anzeichen allerdings ein schweres Verbrechen, aber niemand vermochte etwas über die Vorgänge anzugeben, die sich in dem Hause des Rentiers an demselben Nachmittag abgespielt haben mußten, als Uvette Albagnan bei Tesartelles weilte und der Diener Franyois' und die K öchin Estrelle Mit fraglos fingierten Aufträgen von der seitdem spurlos verschwundenen Zofe Marietta Robinot für gute zwei Stunden entfernt worden waren. Die Pariser Mittagszeitungen brachten am nächsten Tage über den bisher unaufgeklärten Kriminalsall spaltenlange Artikel, besonders fett gedruckt aber zwei Steckbriefe nut genauesten Personalbeschrei bungen, die hinter dem angeblichen Baron Charles d'Estroux und der Kammerzofe Marietta Robinot von der Behörde erlassen waren. „Die beiden genannten Personen", hieß es in der öffentlichen Be kanntmachung, „haben gemeinsam gegen fünf Uhr nachmittags das Haus des Rentiers Albagnan verlassen, und es gelang ihnen nur dadurch, den Geheimagenten, die das Gebäude bewachten, zu ent schlüpfen, daß sie in einem Hause der Rue Herbert verschwanden, welches einen zweiten Ausgang nach der Seine zu besitzt. Von da an verlieren sich die Spuren der Flüchtlinge vollständig. Auf ihre Ergreifung setzt der Polizeipräfekt eine Belohnung von fünf hundert Franken aus." Am Nachmittag desselben Tages schrien die Zeitungsjungen auf den Boulevards mit gellender Stimme Extrablätter aus: „Rentier Albagnan gesunden" — „Tie Leiche im Geldschrank" — „Ein Raubmord um Millionen". — Eines dieser nach frischer Druckerschwärze duftenden Blätter kaufte ein einfach gekleideter Manu, der mit den lanawallenden Locke», dem ungepflegten Boll bart und der dunklen Brille vor den Augen auf- Haar einem jener armseligen Musiker glich, wie sie in den Ballsälen der Arbeiter vorstädte an einem verstimmten Flügel zum Tanz aufzuspielen pflegen. Der Betreffende schien aber nnt der Lektüre de- sen sationellen Berichts durchaus keine Elle zu haben. Beinahe gleich- gültig schob er den Zettel ungelesen in die Tasche und setzte dann seinen Weg fort, der ihn durch verschiedene Seitenstraßen in eine kleine Sackgasse führte. Hier bog er in einen Torweg ein, durch schritt erst mehrere von lärmenden Kindern bevölkerte Höfe und verschwand dann in einer Tür, die den Eingang zu einer aus zwer Stuben und Küche bestehenden Wohnung bildete. Zn dem zweiten Zimmer dieser mit altem Gerümpel spärlich möblierten Behausung saß an einem Fenster, das aus einen tiefer gelegenen Bauhof hinausging, ein Bursche von vielleicht zwanzig Jahren, dessen gebräuntes, bartloses Gesicht auffallend feine, fast weib liche Züge aufwies. Der mit der Brille warf jetzt seinen Schlapphut auf den wack ligen Tisch und sagte mit höhnischem Auflachen: „Weißt du, wie hoch wir beide augenblicklich im Preise stehen, Schwesterlein?" Diane Massac, - denn der junge Mensch war niemand anderes als die sehr geschickt in ein männliches We sen verwandelte Soubrette, schaute ihren nicht minder geschickt unkennt lich gemachten Bruder verständnis los an. „Ja, Kind," klärte dieser sie auf, „hinter uns sind Steckbriefe mit großartigen Signalements erlas sen. Außerdem ist dem ehrlichen Finder unserer interessanten Persön lichkeiten die hohe Summe von fünf hundert Franken, pro Kopf also zwei hundertfünfzig Franken zugesagt! Ein bißchen wenig für solche Genies, wie wir es sind. — Nun, in diesem Versteck, das wir uns als bescheidene Musiker vorläufig gemietet haben, dürften wir so sicher wie in Abra hams Schoß sein. Wenn dann nach ein paar Tagen die erste Aufregung über den Fall Albagnan wieder ab geflaut ist und der Eifex der Polizei spitzel etwas nachgelallen hat, können wir in Ruhe Frankreich den Rücken kehren, um im Auslände irgendwo unseren Raub unterzubringen, — am besten in Neuyork, wo ich noch von früher her Beziehungen zü zahlungs fähigen Edelsteinhehlern habe. — Hier ist auch das neueste Extrablatt, Diane. Danach scheint man den Al ten in seinem stählernen Sarg wirk lich aufgestöbert zu haben." .„Rentier Albagnan gefunden! Die Leiche im Geldschrank! Ein Raubmord um Millionen!' — Recht pikante Überschriften, nicht wahr? Die Zeitungsjungen haben denn auch mit den Zetteln ein recht gutes Geschäft ge macht. — Höre weiter: ,Jn der mysteriösen Angelegenheit Al bagnan ist nunmehr eine entscheidende Wendung eingetreten. Was die Polizei gleich vermutete, hat sich bestätigt. Der Ren tier ist ermoroert und seiner wertvollen Diamantensammlung beraubt worden. Erst heute vormittag bemerkte Fräulein Hvette Albagnan, daß der Schlüssel zu dem großen Panzeraeldspind, der in einem besonderen Versteck aufbewahrt wurde, fehlte. Man ließ einen Schlosser kommen, der nach mehrstündiger Arbeit die Tür des Tresors zu öffnen vermochte. Im unteren Teile des Panzerschrankes fand man dann die Leiche des Rentiers in völlig zusammengekrümmter Haltung vor. Sie wies eine Schußwunde auf, die an den Schläfen quer durch den Kopf ging. Das Geld spind selbst ist völlig ausgeraubt. Es fehlen Diamanten im Werte von nahezu zwei Millionen, die der Ermordete nach An gabe seiner Tochter aus einer nur ihm selbst bekannten Mine in Südafrika gewonnen haben soll. Von dem Mörderpaar, — das sind wir, Diane, — hat man bisher keine Spur. Doch dürfte ihre Verhaftung nahe bevorstehen, da ein Trödler sich bei der Polizei gemeldet hat, bei dem der angebliche Baron d'Estroux zwei vollständige, sehr schäbige Männeranzüge bereits am Abend vor dem Morde gekauft hat. Wenigstens w.ll der Trödler nach der Personalbeschreibung des Pseudo-Barons seiner Sache ganz sicher sein,." Der schöne Charles hatte die letzten Zeilen immer hastiger ge ¬ lesen. In sei Nachricht, di« »er Hohen in dem das , zugreifen uni zuzueilen, de, deswegen, n beschäftigten, zum Herausb Sprung, ein nitten des e rer Seine zi chickten Rud ampfer über hwand in de >urde zwei T