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Besonders festlich war der Erdffnungsabend, zapalozuak, der SchluBabend vor Weihnachten (dopalowak oder dołamowak, siehe oben P. 70), sehr aus- gelassen der Schlufiabend zu Fastnacht, an welchem der AbschluB des Spin- nens dadurch anschaulich ausgedriickt wurde, daB ein aufgeweckter Bursche unter allerhand Possen mit einer Ofengabel, einem Spiefi oder Degen einen Spinnrocken durchstach. Deshalb nannte man den Abend pšazu zakałać, »die Spinte erstechen«. Nicht bloB zu diesen Festabenden erschienen die Bur- schen, sondern auch an 2 bis 3 Abenden wahrend der Spinnzeit, brachten Bier und Branntwein mit und unterhielten sich bei Gesang und Tanz mit den Madchen oft bis zum Morgen. Haufig brachten verkleidete Burschen den Schimmelreiter mit (siehe oben P. 61), der allerhand Kunststiicke aus- fiihrte, sich von den Madchen bewirten liefi oder ihnen selbst etwas mit- brachte. Es gab in der Oberlausitz auch mannliche Spinngesellschaften, wie sie bis vor einem Menschenalter in der Niederlausitz bestanden haben. 134. Hier im Norden, wo das Volksleben auf fast allen Gebieten altere Ziige bewahrt hat als im Siiden, stehen die Spinten der Madchen heute noch in Bliite 1 . Mitglieder der Spinte sind die ledigen, unbescholtenen Madchen desDorfes vom 16. Lebensjahr an. In grofien Dorfern gab es mehrere Spinten, in Sielow z. B. eine fiir Bauernmadchen und eine fiir Fabriksmadchen, auBerdem eine fiir die abseits drauBen im Felde gelegenen Hbfe. Sie beginnen nach der Kirmes und schliefien zu Maria Verkiindigung (zelena Marija), vielfach schon friiher. Wahrend der Zwblften (mjaz godami) mufi das Spinnrad ruhen, auch am Samstag wird mit Riicksicht auf die hauslichen Arbeiten nicht ge- sponnen. Das Eroffnungsfest heifit pśezu zapijaś, »die Spinte mit Trinken beginnen«, das Schlufifest pśezu pśepijaś, »die Spinte mit Trinken be- schliefien«, oder dopalouuak (zu paliś, »brennen«, weil die Wockenreste vor dem Verlassen der Spinte auf dem Lichtherd, pjacyk, verbrannt werden). In den friiher sorbischen Dbrfern Seelow und Ziillichau hiefi dieser Schlufiabend Colacker-Abend, wohl nach dem Kuchen (ns. kolack), der im Mittelpunkt des Festes stand. Vgl. hierzu die Benennung Gewaske-Tag 2 , fiir den 24. De- zember 3 . — Die Leiterin der Spinnstube heifit kantorka, die Kassierin myšinarka, mošynarka (zu gemeinslaw. mošbna »Beutel, Sack«). Kommt ein Fremder in die Spinnstube, so bindet ihm letztere ein Wockenband um den Arm, wofiir er ein Ldsegeld in die Kasse entrichten muB (vergleiche hierzu das Binden des Fremden auf dem Erntefelde, P. 125). Es wird auch heute noch viel gesungen (sorbisch und deutsch), jedes junge Madchen muB im Laufe des Winters 40 bis 50 Lieder lernen. Der Unterhaltung in den Spinnstuben dient eine grofie Zahl von Gesell- schaftsspielen, sowohl der Madchen, wie Raupenziehen, Miihle, Bullen 1 Aus dem Jahre 1928 allein liegen drei Beschreibungen vor: B. Šwela, Pśĕza hu dolnołuźyskich Serbow, Lužica 42 (1928), 81—83; Meto Fobo, Mćsćanska pśeza (Heinersbriicker Spinte), ib. 85—86, mit 2 Bildern; M. Balcka, Mosćanska pśĕza, ib. 86. — 2 S. Handtmann im Bar 13 (1889), 456. — 3 Siehe P. 72.