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Damit die Kuh nicht nach dem Kalbe briillt, das man verkauft hat, schneidet man dem Kalb vom Riicken und Schwanz einige Haare ab, legt sie zwischen zwei Brotstiicke und gibt die der Kuh zu fressen 1 . Um scheckige Kalber zu erzielen, setzte sich der die Kuh zum Stiere fiihrende Mann die bunte Zipfelmiitze, cymplawa, auf, die man sonst nur an Sonntagen zu tragen pflegte 2 . Hierzu vergleicht sich der sudslawische Brauch, der zum Stier gefiihrten Kuh einen Mannergiirtel aufzulegen, um mannliche Kalber zu erzielen, bzw. einen Frauengiirtel, um weibliche Kalber zu bekommen (Ubertragungszauber). In der Niederlausitz glaubt man, dafl die Kuh ein Kalb haben wird, wenn man auf dem Wege zum Stiere einer jugendlichen Person begegnet. Trifft man aber alte Leute, so wird die Kuh nicht fruchtbar 3 . Dafi man der vom Stier zuriickkehrenden Kuh in analogiezauberischer Absicht Sauerteig zu fressen gibt, wurde bereits oben (P. 17) erklart. Wenn ein junger Stier oder ein Schweinchen verschnitten wird, so legt man die Hoden in den Ofen, und zwar seitlich zu den Kacheln. Dann schmerzt angeblich die Wunde nicht so und verheilt leichter 4 . Was die Deutung dieses Brauches betrifft, so sehe ich darin ein Opfer an die Hausgeister, denn es ist vollkommen ahnlich der Behandlung der menschlichen Nachgeburt, die, wie wir oben (P. 3) gesehen haben, in einer Scherbe in den Ofen geschoben wird, und zwar bis an die innere Ofenwand. Man vermeidet es durch einige Zeit, die Asche von dort wegzuscharren. Man vergleiche hierzu das Aufhangen der Nabelschnur im Rauchfang, bezeugt aus Holstein. Wenn einer in den Stall kommt und das Vieh lobt, mufi man das Berufen durch einen kraftigen Fluch abwehren 6 . Glaubt man, dafi das Vieh berufen ist, so ist es gut, neunmal in verschiedener Reihenfolge die Satorformel zu sprechen, die man vorher mit einer Nadel auf eine Butterschnitte ge- schrieben hat 6 : S A T O R A R E P 0 T E N E T 0 P E R A R O T A S Diese Zauberformel, iiber die bereits eine grofie Literatur entstanden ist’, wird seit dem friihen Mittelalter in der ganzen christlichen Welt als Abwehr- mittel gegen Unwetter, Feuer, Tollwut, Krankheiten usw. gebraucht, ist aber bis heute noch nicht unanfechtbar erklart. Kolberg in Christburg hat ange- nommen, dafi sie aus der Lebensregel der Benediktiner entstanden sei: Sat 1 Łužičan IV (1863), 88. — 2 Łuźica 43 (1928), 69: Schleife. — 3 Miiller 169: GroB- Lieskow (Liškow). — 4 Handrik im CMS. 54 (1901), 123. — 5 Schulenburg, W. V., 114: dasselbe tut man auch bei Kindern. — 6 Schulenburg, W. V., S. 218. — 7 Sdke- land, Zwei Himmelsbriefe von 1815 und 1915. ZVfV. 25 (1915), 245 ff., wo weitere Lit.