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Winter - Der Weihnachtstisch 103 stellen die letzteGarbe in die Ecke. Das gesamte Stroh nennen sie diduch, »der Alte«. Am dritten Tag verbrennen sie das Stroh, das Heu legen sie in die Hiihnernester und die Garbe dreschen sie, um die Kdrner dem Saatgut beizumischen. In Schweden schlaft man in der heiligen Nacht auf dem am FuBboden liegenden Julstroh. Eine grofie Rolle spielt die letzte Garbe, welche im Hofe auf eine abgeastete Tanne gesteckt wird und den Vdgeln als Futter dient, daher ihr Name vogelnek, »Vogelzopf«. In Esbo legte man die letzte Garbe unter den Tisch und goB Schnaps und etwas Bier darauf. Auf der Insel Borga steht in der Stubenecke eine Strohpuppe, julgubben, »alter Mann«, oder julbisin, »Popanz« genannt, die zuerst Schnaps und Essen be- kommt. Die Siidslawen streuen zu Weihnachten Stroh in alle Raume, wo es drei Tage liegen bleibt, dann binden sie es um die Obstbaume oder streuen es in Garten und Feld oder legen es in die Brutnester des Gefliigels, schreiben ihm also befruchtende Kraft zu. Darunter gefundene Korner mischt man dem Saatgut bei. Bemerkenswert ist die serbische und bulgarische Sitte, zu Weih- nachten nicht vom Tisch (bzw. EBscheibe) zu essen, sondern vom Weih- nachtsstroh, iiber das man blofi eine Decke breitet. In Kroatien streut der Hausvater von dem hereingetragenen Stroh, auf dem ein Laib Brot liegt, unter den Tisch, ferner unter das Tischtuch, auf letzteres legt er das Fest- brot; schliefilich legt er kreuzweise Stroh auf den Tisch, streut alle Arten von Getreide dariiber, stellt eine brennende Kerze darauf, worauf alle nieder- knien und beten 1 . Nach der volkstiimlichen Deutung der Siidslawen wird das Stroh zur Er- innerung an die Geburt Christi im Stalle gestreut, in Wirklichkeit ist die Sitte viel alter, dank der christlichen Umdeutung hat sie sich bis heute er- halten. In der Sitte des Weihnachtsstrohs leben meiner Meinung nach zwei uralte Brauche fort: Erstens die Darbringung der Opferspeisen auf Stroh oder Heu, zweitens Opferung der letzten Garbe, der Tragerin der Wachstumskraft. Herodot berichtet von den Persern und Skythen 2 , dafi sie das Fleisch auf eine besonders hergerichtete Opferstreu aus zartem Gras legten, auf der sich auch die Gotter niederlassen sollten. Zu demselben Zweck pflegten die alten Inder ihren Gottern die Speisen auf einer Opferstreu, barhis, darzu- bringen. Da die Griechen griine Graser auf den Altar streuten, die Romer sogar auf Rasenstiicken opferten, die sie auf den Altar legten, nimmt L. von Schrbder an 3 , dafi die Opferstreu urspriinglich den Zweck hatte, den fehlen- den Rasenteppich zu ersetzen. Wenn wir also hbren, dafi die Sorben das Stroh unter das Tischtuch legen, auf dem die Wiirste und die Kuchen gelegen haben 4 , daB in Kroatien 1 ZbNŽ. I, 142: Dorf Stupnik. — 2 I, 132, IV, 60. — 3 Arische Religion II, 313. — 4 Schulenburg, W. V. S. 248; Parallelen aus anderen Gegenden Deutschlands bei Sartori, SB. III, 35.