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Wasser gelegt werden: In der Sprottauer (Sprotawa) Gegend z. B. setzt man dem Johannisbad neunerlei Krauter oder Holzer zu. Nach russischem Brauch pfliickte man in der Johannisnacht heilkraftige Krauter, warf davon ins Wasser, in dem man sich badete, denn das Wasser hat in dieser Nacht ebenso wie der Tau wunderbare Heilkraft. In dieser Nacht bliiht das Farnkraut, das dem Besitzer alle verborgenen Schatze zeigt. Wenn man in dieser Nacht zwei Kornahren an einem Stengel sieht, so findet man auch in einer kleinen Grube darunter goldene Hdrnchen, welche die Kraft eines Talismans haben 1 . Kleinrussen und WeiBrussen tanzen um das Johannisfeuer, in das sie Zweige und Krauter werfen, und springen paarweise dariiber. Die Freiheit der Sitten in jener Nacht, die ein Gegenstiick in der serbischen Georgsnacht hat, beruht auf alter Tradition. 66. Die erwahnten Johannisfeuer leiten uns zu den Feuerbrauchen hin- iiber, die wir heute in ganz Europa in landschaftlicher Abwandlung an die grofien Feste gekniipft finden. Zu Weihnachten, in der Fastenzeit, vor dem i. Marz (Montenegro), zu Ostern, vor dem Georgstag, zu Walpurgi, in der Johannisnacht, in der Nacht auf Michael, Martini, Nikolaus usw. werden Feuer entzundet, denen man befruchtende und Ubel (auch Krankheitsgeister) abwehrende Kraft zuschreibt. Durch Fackellaufe wird der Segen auf die Felder iibertragen, Menschen und Tiere schreiten oder springen iiber die Glut. Wichtig ist beziiglich dieser Jahresfeuer, wie man sie in der Volkskunde nennt, die Feststellung, dafi sie vielfach wie das Neufeuer durch Reiben von Holzstiicken oder Schlagen von Kieselsteinen angefacht werden miissen (z. B. beim Osterfeuer in Schwaben, beim Weihnachtsfeuer in Dalmatien und bei den Huzulen). Das Vestafeuer muBte an den Kalenden des Marz, dem altromischen Jahresbeginn erneuert werden. Abgesehen von der Ubel ab- wehrenden und befruchtenden Kraft dieser Jahresfeuer wird ihnen besonders im Winter noch eine sehr wichtige Funktion zugeschrieben. Es heifit, daB sich die Seelen der Ahnen daran warmen sollen 2 * . In diesem Zusammenhang erscheint mir die Tatsache wichtig, dafi die alten Inder bei Neumond an den Seelenfesten Fackeln anziindeten, um bose Geister zu vertreiben s . Wenn die Anhanger der Solartheorie sagen, dafi diese Jahresfeuer irdische Abbilder der Sonne seien, sie erfreuen und starken sollen, so erscheint mir diese Deutung der periodischen Feuer mit Riicksicht auf ihre Funktion im Ahnenkult zu einseitig. Vielleicht hat K. Spiefi recht 4 , der annimmt, dafi das Herdfeuer urspriinglich monatlich durch Reiben erneuert worden sei. 1 Zelenin, R. V. 371. Da der Neumond als Geld- und Gliickspender gilt, scheinen sich diese Hdrnchen meiner Meinung nach auf den Mond zu beziehen. — * Zelenin, op. cit. 375: Weihnachtsfeuer bei den Russen; Nilsson, Die volkstumlichen Feste des Jahres, 53: In der Christnacht laBt man fiir die Seelen das Herdfeuer brennen; Biegeleisen, op. cit. 350ff.: In der Sylvesternacht lassen die Masuren ein groBes Feuer im Ofen brennen und stellen eine Bank daneben, damit sich die Toten warmen; Fastnachtsfeuer bei Russen und Serben. — ’ Biegeleisen 352. — ‘ Die Bauernkunst, ihre Art und ihr Sinn, Wien 1925, S. 267.