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Winter - Die Adventszeit 87 der nicht an den Andreastag gebunden ist. Im friiheren Schonhengstgau in Nordmahren nannte man denselben Brauch Pfefferholz tragen: Wahrend des Rockengangs (= gemeinsames Spinnen) wurde plotzlich die Tiir auf gerissen und ein alter irdener Topf, in den man neben alten Scherben auch Zuckerzeug legte, auf den Boden geworfen. Die Spinnerinnen sprangen zum Ofen, schwarzten sich die Hande und verfolgten den Tater, dem sie, sobald sie ihn einholten, kraftig das Gesicht einrieben; iiber das Topfwerfen in die Stube des letzten Dreschers siehe unten P. 127. Am Andreasabend soll man Kirschbaumzweige abschneiden und ins Wasser stellen, damit sie zu Weihnachten bliihen. DaB man magische Zwecke damit verbindet, ersieht man daraus, daB man die Zweige schweigend schnei- den soll. Wiinsche, die man sich beim Schneiden denkt, gehen in Erfiillung, wenn die Zweige wirklich aufbliihen. Wer einen solchen bliihenden Zweig in die Christmette mitnimmt, kann in der Kirche die Hexen sehen 1 . Die Sitte, vor Weihnachten Zweige ins Wasser zu stellen, um sie zum Bliihen zu bringen, ist in Mitteleuropa weit verbreitet 2 . Der Termin des Abschneidens wechselt landschaftlich: Andreastag, Barbaratag (Barbara- zweig), Nikolaustag (daher der Name „Klausenbaum“), Lucientag sind die beliebtesten Zeiten. Die bliihenden Zweige bringen Gliick in der Liebe und Fruchtbarkeit, sie werden auch wie der Maienzweig zum „Schlag mit der Lebensrute" verwendet, bei dem nach primitivem Glauben die Lebenskraft des Zweiges auf den Geschlagenen iibertragen werden soll. 59. Nikolaus, Miklawš (6. Dezember). — An diesem Tage gehen bei den katholischen Sorben Kinder von Haus zu Haus und fragen: Nej tn sjaty Miklawš był, Nej tu ničo wostajił? Ist nicht der hl. Nikolaus da gewesen, Hat er nichts da gelassen? 3 Umziige, in denen der Heilige in leibhaftiger Gestalt erscheint, wie in vielen Gegenden Deutschlands 4 , sind bei den Sorben nicht iiblich, an seine Stelle ist der Knecht Ruprecht getreten. 60. Am Luzientag (13. Dezember) soll man sich vor den Hexen hiiten, auch nichts verborgen 6 , am Vorabend des Thomastags (20. Dezember) soll man nicht spinnen, sonst erscheint der Domaš und wirft eine Mulde voll Darme (mjecki crow) in die Stube 6 . DaB Darme als Attribut dieses Tagesheiligen erscheinen, weist darauf hin, daB man friiher an diesem Tage das Weihnachtsschwein geschlachtet hat. Hierzu stimmt der Name Schweinethommes im Eichsfelde 7 . 61. In der Adventszeit finden vielfach Umziige statt, wie wir sie in dieser Zeit unter wechselnden Namen in ganz Europa finden. 1 Schulenburg, W. V. 126; Veckenstedt 444; Miiller 156. — 2 Sartori, SB. III, 11, wo viel Lit. — 3 Hochzeitsbitter J. Rentsch, Crostwitz (Crosćicy), m. ■— 4 Sartori, SB. III, 17. — 6 Schulenburg, Wend. Volkssagen 246; Veckenstedt 445. — 6 Schulen- burg, W. V. 126. — 7 Sartori, SB. III, 267.