Volltext Seite (XML)
IV. DER KAMPF ZWISCHEN STADT UND LAND Der Kampf zwischen Stadt und Land um die Rechtmäßigkeit und den Umfang der ländlichen Leinenproduktion ist ein Teil, eine Begleiterscheinung der Klassen kämpfe, die in der Periode des Bauernkrieges und der Reformation die Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Staates bestimmen. Engels hat in seiner Analyse der deutschen Verhältnisse am Vorabend des großen Bauernkrieges die soziale Struktur und die sfus den Klassengegensätzen sich ergebenden Spannungen dargelegt; er hat aber auch eindringlich auf die politische Zersplitterung und die daraus sich ergebenden regionalen Besonderheiten hingewiesen, die zu beachten sind. Engels schrieb: „Während in England und Frankreich das Emporkommen des Handels und der Industrie die Verkettung der Interessen über das ganze Land und damit die politische Zentralisation zur Folge hatte, brachte Deutschland es nur zur Gruppierung der Interessen nach Provinzen, um bloß lokale Zentren, und damit zur politischen Zersplitterung, die bald erst durch den Ausschuß Deutschlands vom Welthandel sich erst recht festsetzte“. Der sächsische Staat dieser Periode ist aus den Gegebenheiten und Folgen der Ostexpansion des 12. bis 14. Jh. und der damit verbundenen bäuerlichen Land nahme zu verstehen. Weiträumigkeit des Territoriums, Tendenz zur straffen Zen tralisation, Unabhängigkeit von der Zentralgewalt des Reiches, Schwäche des Adels in politischer Hinsicht und eine große Anzahl kleiner, meist unbedeutender Städte, dafür aber günstige Lage der bäuerlichen Bevölkerung, sind einige Kenn zeichen dieses Territoriums. Der „albertinische“ Staat, das spätere Kursachsen, ist durch die Leipziger Tei lung vom Jahre 1485 entstanden. Diese Teilung hat für die Geschichte Mittel deutschlands eine jahrhundertelange Bedeutung erlangt. Hier wurde entschieden, daß die ostmitteldeutsche Macht, die im Verlaufe des 15. Jh. in den Händen der Wettiner sich gesammelt hatte und seit 1464 von den Brüdern Ernst und Albrecht gemeinsam regiert wurde 213 214 , nicht von einer Zentrale aus geleitet, sondern in zwei 213 Engels, Friedrich, Der Deutsche Bauernkrieg. In: Marx-Engels-Lenin-Stalin, Zur Deutschen Geschichte. Dietz Verlag, Berlin 1953, Bd. I., S. 191. 214 1482 fiel nach dem Tode Herzog Wilhelms von Thüringen auch sein Gebiet an die Brüder.